J. Gerhard - Hölle

 

49. VON DER GRÖSSE DER HÖLLISCHEN QUALEN.

 

DENKE IMMER AN DIE HÖLLE.

 

Denke, andächtige Seele, an die Größe der höllischen Strafen, und du wirst leicht alle böse Lust zum Sündigen überwinden. Dort wird es an allem Bösen nicht fehlen, und an allem Guten wird es mangeln. Was wird den Bösen da fehlen können, die wegen des größten Bösen, wegen der Sünde gestraft werden? Was werden die Gutes haben können, die von dem höchsten Gute, von Gott entfernt sind? Dort wird sein Hitze des Feuers und Frost der Kälte; dort wird sein ewige Finsternis; dort wird sein Rauch und unstillbare Tränen; dort wird sein der entsetzliche Anblick der bösen Geister, es wird dort sein Geschrei in Ewigkeit; dort wird sein Dürre, Durst, Schwefelgestank, Gewissenswurm, Furcht, Schmerz, Schande und Beschämung wegen der allen offenbaren Sünden; Neid, Hass, Traurigkeit, Mangel des göttlichen Schauens, Hoffnungslosigkeit. Durch Gottes Macht wird die Klarheit des Lichts getrennt von dessen versengender Kraft; die Klarheit wird übergehen zur Freude der Heiligen, die versengende Kraft zur Qual der Verdammten. Den Elenden wird sie leuchten, nicht dass sie den Gegenstand ihres Trostes erkennen, dass sie sehen, woran sie sich freuen dürfen; sondern zu Mehrung ihres Elendes, dass sie sehen, worüber sie sich noch mehr zu betrüben haben. Ihr Gesicht wird des Anblicks der Sonne, des Mondes und aller Sterne, wie auch des Schauens Christi und aller Heiligen beraubt werden; gepeinigt aber wird es werden durch Heulen, Rauch, und durch den Anblick der bösen Geister und aller Verdammten. Die Ohren der Verdammten werden das laute Wehklagen und die beständigen Lästerungen, wie auch das entsetzliche Brüllen der bösen Geister hören. Der Gaumen wird mit Durst und Hunger gequält und aller Lust an Speise und Trank beraubt werden. Der Geruch wird vom schwefelichten Gestanke gepeinigt werden. Das Gefühl wird inwendig Feuer, das nach außen brennt und bis in das innerste Mark dringt, empfinden. Die Leiber der Verdammten werden hässlich, finster, träge, schwerfällig sein. Das Gedächtnis wird gepeinigt werden durch das Andenken an die Sünden, und nicht sowohl wird es darüber Schmerz empfinden, dass es gesündiget, als vielmehr darüber, dass es seine Lüste nicht mehr hat. Eine einzige Flamme des höllischen Feuers wird die Sünder mehr peinigen, als wenn ein Weib in ihrem Schmerze und in schweren Kindesnöten tausend Jahre läge; da wird sein Heulen vor Schmerz, und Zähnklappen Matth. 22,13 vor Wut: im Fleische werden sie gepeinigt werden durch den Wurm des Gewissens Jes. 66,24. Es wird kein Laster geben, das dort nicht seine besondere Marter habe. Wie im Reiche Gottes nichts begehrt wird, was nicht gefunden wird, so wird in der Hölle nichts gefunden, was begehrt wird. Den Verdammten wird es da nichts helfen, dass sie in diesem Leben mancher Ergötzungen sich zu erfreuen gehabt haben, ja es wird die Erinnerung daran sie nur noch um so mehr quälen. Den Verdammten wird es nichts helfen, dass sie in diesem Leben in steter Sättigung und Trunkenheit gelebt haben, weil sie dort nicht einmal einen Tropfen Wassers erlangen können Luk. 16,24. Es wird ihnen nichts helfen, dass sie in köstliche Kleider sich gekleidet haben, denn sie werden mit Schmach umgeben, und ihre Leiber werden in Schande gekleidet werden. Es wird ihnen nichts nützen, dass sie in diesem Leben Ehrenstellen eingenommen haben, weil es in der Hölle keine Ehre, sondern ununterbrochenes Seufzen und Schmerzen gibt. Es wird ihnen nichts nützen, dass sie in diesem Leben Reichtum gesammelt haben, weil dort sich alle in gleicher Armut befinden werden. Von dem seligen Schauen Gottes werden sie verbannet sein. Gott nicht schauen übersteigt alle Martern der Hölle. Wenn die in das Gefängnis der Hölle eingeschlossenen Verdammten das Angesicht Gottes sähen, so würden sie keine Strafe, keinen Schmerz und keine Traurigkeit empfinden. So aber werden sie den Zorn Gottes erfahren, und doch das beseligende Antlitz Gottes niemals schauen. Sie werden Strafen leiden von dem Angesicht deß, dessen Angesicht sie doch niemals sehen werden. Der Zorn Gottes wird das Feuer der ewigen Verdammnis fort und fort wie einen schwefeligen Strom entzünden. Und nicht bloß vom Schauen Gottes werden sie entfernt werden, sondern sie werden auch von dem Anblicke der bösen Geister jämmerlich gepeinigt werden. Sie werden die Geißelhiebe derer empfinden, deren Ratschlägen sie in diesem Leben gefolgt sind. Wenn der Anblick einer gespensterhaften Erscheinung in diesem Leben einen Menschen fast tötet, was wird der entsetzliche, ewig dauernde Anblick der bösen Geister vermögen? Die Verdammten werden auch nicht bloß gezwungen sein, fort und fort mit den bösen Geistern umzugehen; sondern sie werden es auch empfinden, dass sie von jenen in Ewigkeit gequält werden. Wenn der Teufel unter Zulassung Gottes in diesem Leben die Heiligen so heftig anficht, wie grässlich wird er die Verdammten peinigen, die seiner Gewalt in Ewigkeit übergeben sind? Die Verdammten werden nicht bloß äußerlich durch die bösen Geister gequält werden, sondern auch innerlich durch den Wurm des Gewissens. Alle Sünden ohne Unterschied, die sie jemals begangen haben, werden ununterbrochen ihnen vor Augen stehen. Die Marter wird aber um so heftiger sein, weil die Gnade der Buße ihnen nicht mehr verstattet ist. Wenn die Jungfrauen, die sich bereitet haben, mit dem Bräutigam zur Hochzeit eingegangen sind, so wird sofort die Tür verschlossen werden Matth. 25,10, nämlich die Tür der Vergebung, die Tür der Erbarmung, die Tür des Trostes, die Tür der Hoffnung, die Tür der Gnade, die Tür der heiligen Bekehrung. Die Verdammten werden schreien und sprechen zu den Bergen und Felsen: Fallet auf uns und verberget uns vor dem Zorne des Lammes Off. Joh. 6,16; aber ihr Schreien wird umsonst sein, weil Himmel und Erde entfliehen werden vor seinem Zorne, wie geschrieben steht: Alle Inseln entflohen, und keine Berge wurden funden Off. Joh. 16,20. Was den Auserwählten gegeben ist zur Vermehrung der Herrlichkeit, das wird den Verdammten alles zur Vergrößerung der Schmerzen gereichen. Es wird zwar Stufen der Strafen geben, aber dennoch wird, wer geringere Qualen auszustehen hat, darum keine Linderung empfinden: wer von größeren Qualen gepeinigt wird, wird den beneiden, der von geringeren betroffen ist. Die Verdammten werden auch daraus keine Linderung empfinden, dass etliche ihrer Verwandten oder Freunde in den himmlischen Palast aufgenommen sind; denn auch die Auserwählten werden darüber keine Trauer empfinden, dass sie wissen, dass etliche ihrer Verwandten zur ewigen Höllenpein übergegangen sind. So groß wird dort bei den Verdammten der Schmerz und die Pein sein, dass der Geist auf etwas anderes nicht gerichtet werden kann, als wohin die Macht des Schmerzes ihn treibt. Die Verdammten werden alle Geschöpfe Gottes mit Hass verfolgen; sie werden sich selbst unter einander mit Hass verfolgen; sie werden die heiligen Engel, die auserwählten Menschen, ja sogar Gott mit Hass verfolgen, zwar nicht seiner Person und seinem Wesen nach, aber in den Wirkungen seiner Gerechtigkeit. Alle Übel dieses Lebens sind bei jedem anders: der Eine wird von Armut beschwert, der Andere von heftiger Krankheit heimgesucht; der Eine wird von harter Knechtschaft gedrückt, der Andere von einer Wucht Schmähreden belastet: aber dort werden alle zumal von allen Übeln gepeinigt werden; die Schmerzen werden dort allen gemein sein in Sinnen und Gliedern. In diesem Leben werden alle Beschwerden erleichtert durch die Hoffnung auf Hilfe, aber dort gibt es keine Hoffnung der Erlösung mehr. Die Strafe der Hölle ist nicht bloß ewig, sondern wird auch nicht einmal einen Augenblick unterbrochen. Darum ist es also: Wenn alle Menschen, die geboren sind von Adam an bis auf den heutigen Tag, und die noch geboren werden sollen, bis an den jüngsten Tag lebten, und wenn sie eine einzige Strafe, welche die Seele leiden muss für eine einzige Sünde in der Hölle, im entsprechenden Maße litten, so würde jedes Teilchen jener Strafe eines einzigen Menschen größer sein, als alle Qualen, welche alle Räuber und Bösewichte jemals ausgestanden haben. O Herr, gib, dass wir an die Hölle denken, auf dass wir nicht in die Hölle geraten!

 

50. VON DER EWIGKEIT DER HÖLLENSTRAFEN.

 

DIE QUALEN DER GOTTLOSEN SIND EWIG.

 

Bedenke, andächtige Seele, die Ewigkeit der Höllenstrafen, und du wirst ihre Größe um so richtiger fassen. In der Hölle ist ein Feuer, das wütet und ohne Ende durchbrennet. Das Leben der Verdammten ist ein ewiges Sterben; ihr Tod ist leben in ewigen Qualen. Weder der quält wird müde, noch der gequält wird stirbt einmal. Das Feuer verzehrt dort so, dass es doch bewahret; die Qualen werden dort so gemehrt, dass sie doch immer erneuert werden: die Verdammten werden dort so sterben, dass sie immer leben; werden so leben, dass sie immer sterben. Dass aber einer ohne irgend ein Ziel gequält werden muss, das überschreitet alles Maß der Verzweiflung. Denn was ist schwerer, als immer wollen, was nimmer sein wird, und nimmer wollen, was immer sein wird? Die Verdammten werden in Ewigkeit nicht erlangen, was sie wollen, und was sie nicht wollen, das werden sie in Ewigkeit sich gefallen lassen müssen. Wenn der Zorn Gottes aufhören wird, dann wird auch die Strafe der Verdammten aufhören: aber der Zorn ist ewig, darum ist auch die Strafe ewig. Wenn die Verdammten wahre Buße tun werden, dann werden sie auch von ihren Sünden erlöst werden können; aber die Zeit der Buße ist geschlossen, darum gibt es auch keine Hoffnung der Vergebung mehr. Wenn die Teufel aufhören werden zu quälen, dann werden auch die Verdammten aufhören gequält zu werden; aber nie wird die Wut des Teufels ablassen, darum werden auch die Peinigungen des verdammten Menschen niemals ablassen. Wenn die Gerechtigkeit Gottes sich ändern wird, dann werden auch die Strafen der Verdammten sich ändern; aber unveränderlich ist Gottes Gerechtigkeit, ewig werden darum auch die Strafen der Verdammten sein. Zum Urteilsspruch des ernsten Gerichts gehört es, dass die niemals frei von Strafe sind, welche in diesem Leben niemals von der Sünde haben lassen wollen. Es ist billig, dass dem Verdammten kein Ziel der Rache gestellt wird, der, so lange er gekonnt hat, kein Ziel des Verbrechens hat haben wollen. Die Verdammten haben in ihrer Ewigkeit, das ist, so lange sie gelebt haben, gesündigt; es ist gerecht, dass sie in dem ewigen Gott gestraft werden: ihr Verbrechen hat ein Ende gehabt, weil ihr Leben ein Ende gehabt hat; sie hätten aber unbezweifelt lieber ohne Ende verbrechen wollen, wenn sie ohne Ende hätten leben können, um ohne Ende sündigen zu können. Ewig ist auch der Stoff des höllischen Feuers, nämlich die Flecken der Sünde; mit Recht ist daher auch die Strafe ewig. Von den Augen Gottes wird die Hässlichkeit der Sünden an den Verdammten nicht entfernt werden; wie also wird die Größe der auf die Sünden gesetzten Strafen entfernt werden können? Die Sünde ist noch dazu ein unendliches Übel, weil sie gegen das unendliche Gut begangen worden ist, und Christus für dieselbe einen unendlichen Preis bezahlt hat: mit Recht wird daher für diejenigen, welche in Sünden sterben, eine unendliche Strafe bestimmt. Der Mensch hat in sich das ewige Gut vernichtet; nach Gottes gerechtem Gericht verfällt er daher in das ewige Übel. Gott hat den Menschen von Anfang zu seinem Bilde geschaffen, damit er ewig mit ihm leben könnte; Gott hat den in Sünde gefallenen Menschen durch Christum zu seinem Bilde erneuert. Er hat allen die Mittel des ewigen Heils zubereitet, und allen die Belohnungen des ewigen Lebens dargereicht; darum ist es gerecht, dass die, welche an den ewigen Belohnungen keinen Teil haben wollen, auch ewigen Strafen unterworfen werden. Von den Verdammten wird der böse Wille niemals genommen werden; darum wird auch niemals die Strafe des bösen Willens von ihnen genommen werden. Die Verdammten haben eine augenblickliche Lust erwählt und endliche Güter der Welt vor Gott, dem ewigen Gute; sie haben mehr verlangt nach den Ergötzungen dieses flüchtigen und nur zu kurzen Lebens, als nach den reichen Gütern des ewigen Lebens: daher ist es billig, dass sie ewige Strafen leiden. O unbegrenzte Ewigkeit! O nach keinen Räumen der Zeit bemessbare Ewigkeit! O von keinem menschlichen Verstande fassbare Ewigkeit, wie mehrst du die Strafen der Verdammten! Nach unzähligen Jahrtausenden müssen sie immer denken, dies sei für sie erst der Anfang der Qualen. Wie schwer ist es, in dem weichsten Bette dreißig Jahre lang unbeweglich liegen: was wird es sein, in jenem schwefeligen See dreißigtausendmal tausend Jahre liegen? O Ewigkeit, Ewigkeit! Du allein häufest über alles Maß die Strafen der Verdammten. Schwer ist die Strafe der Verdammten um der Bitterkeit der Qualen willen; schwerer noch um der Mannigfaltigkeit der Qualen willen; am schwersten um der Ewigkeit der Qualen willen. Der Tod wird dort ohne Tod, das Ende ohne Ende, der Mangel ohne Mangel sein, weil der Tod immer lebt, und das Ende immer von Neuem anhebt, und der Mangel nichts weiß von mangeln. Die Verdammten werden das Leben suchen, und sie werden es nicht finden; sie werden den Tod suchen, und der Tod wird von ihnen fliehen Off. Joh. 9,6: nach hunderttausendmal tausend Jahren werden sie ohne irgend ein Ende zurück sich wenden zu den immer wieder auflodernden Qualen. Der Gedanke an die Fortsetzung des Schmerzes wird sie mehr peinigen, als das Gefühl der äußeren Qual. Was kann elender sein, als so sterben, dass du immer lebst, so leben, dass du immer stirbst? Jenes Leben wird tödlich, und jener Tod unsterblich sein: Wenn du Leben bist, warum tötest du? Wenn du Tod bist, wie dauerst du immer? Was die Ewigkeit ist, fassen wir nicht vollständig: denn es stehet zweifellos fest, dass das, was von keinem Maß der Zeit umschrieben wird, auch von keinem geschaffenen Verstande gefasst wird. Willst du jedoch etwas von dem Raume der Ewigkeit verstehen, so musst du an die vorweltliche Zeit denken. Wenn du den Anfang Gottes finden kannst, dann wirst du auch finden können, wann die Strafe der Verdammten ein Ende haben wird. Denke dir irgend einen sehr hohen Berg, der an Größe den Raum von Himmel und Erde übertrifft; denke dir, dass ein Vogel alle tausend Jahre von diesem Berge ein Körnlein des feinsten Staubes hinwegtrüge. Es stünde zu hoffen, dass endlich, nach unbegreiflich vielen tausend Jahren die Größe jenes Berges ein Ende nähme; aber es stehet nicht zu hoffen, dass irgend einmal jenes höllische Feuer zu seinem Ende kommt. Niemals werden die Belohnungen der Auserwählten ein Ende nehmen, niemals werden auch die Strafen der Verdammten ein Ende nehmen, weil wie Gottes Barmherzigkeit gegen die Auserwählten unbegrenzt, so auch Gottes Gerechtigkeit gegen die Verworfenen unbegrenzt ist. Nimm an, es seien so viel Arten der Qualen in den Verdammten, als Tröpflein im Weltmeer. Denke dir, je nach tausend Jahren käme ein Vöglein herbeigeflogen, und trinke ein kleines Tröpflein aus dem Meer. Es stünde zu hoffen, dass einmal die Menge des Meeres endlich wird erschöpft werden; aber zu hoffen stehet nicht, dass irgend einmal die Strafen der Verdammten ein Ende nehmen müssten. O andächtige Seele, laß dir immer die ewige Strafe der Verdammten vorschweben; das Andenken an die Hölle hindert in die Hölle zu geraten. Laß es deine Sorge sein Buße zu tun, so lange noch die Zeit der Vergebung währt. Was anders wird jenes Feuer zu seinem Unterhalt verschlingen, als deine Sünden? Je mehr Sünden du häufest, um so größeren Brennstoff bewahrest du. O Herr Jesu; der du durch dein Leiden für unsere Sünden genug getan hast, bewahre uns vor der ewigen Verdammnis! Amen.