Luther - Auferstehung der Toten

 

Von der Auferstehung der Toten

 

(Martin Luther: Auslegung zu 1. Kor 15,20, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 8, Sp. 1146-1152, Rechtschreibung angepasst)

 

V. 20.

Nun aber ist Christus auferstanden, und der Erstling worden unter denen, die da schlafen.

 

Da setzt er den Beschluss auf die vorigen Stücke, und schließt, dass nicht also sei, wie man möchte der Vernunft nach denken, dass der Christen Glaube und Predigt nichts sei, und wir nichts Anderes seien denn die allerelendesten Leute auf Erden, und gibt hiermit den einigen, rechten Trost wider solch äußerlich Ansehen und Fühlen. Denn, wie ich gesagt habe, Christen müssen einen andern, höhern Trost haben, denn Gold und Silber, oder Singen und Tanzen, und alles, was die Welt hat. Einen Geizwanst kann man trösten mit Geld, einen Kranken mit Arznei, einen Bettler oder Hungrigen mit einem Stück Brot; aber einen Christen kann der keines helfen. Denn weil er glaubt und weiß, dass Gott beide, einen Himmel und Hölle, hat, erschrickt er bald vor Gottes Zorn, und wird ein blöder, erschlagener Mensch. Darum hat er keine Freude noch Trost, ohne allein auf jenes Leben, wenn er diesen Artikel hört, dass Christus von den Toten aufer-standen ist, dass er ihn auch auferwecke, und aus dem Tod und allem Unglück zu ewigen Freuden bringe.

Man sieht auch wohl, dass St. Paulo Ernst gewesen ist, und sonderlich Lust hat, diesen Artikel zu predigen, wie er auch keinen so hoch treibt, als der gewitzigt und gelehrt ist durch eigene Erfahrung, dass man schlechts allein an demselben halten muss mit dem Glauben, und die Vernunft samt allen fünf Sinnen zutun, nicht sehen noch fühlen wollen, was man sieht und fühlt: sonst ist nichts bei den Christen denn eitel Jammer, Heulen und Weinen, und ein Unglück über das andere. Darum müssen wir ja etwas Anderes haben, das unser Herz stärke und erquicke, dass es anderswohin sehe, denn in das elende, jämmerliche Wesen. Das geschieht nun allein durch diese Predigt. Denn dazu werden wir getauft und berufen, und hören das Evangelium: nicht, wie wir reich werden, Gut und Ehre kriegen und erhalten, welches sollen die Juristen lehren und treiben; auch nicht, wie wir essen und trinken, welches sollen unsere Eltern schaffen; nicht wie man Land und Leute regiere und schütze, welches gehört Herren und Fürsten zu, sondern dass wir unser Herz richten auf ein ander Leben und Wesen, das noch nicht vorhanden ist, und doch gewisslich kommen soll.

Darum spricht nun Paulus: Lass uns so elend sein, als kein Mensch auf Erden ist, und uns schrecken und betrüben, was da schrecken und betrüben kann, Tod, Hölle und alle Unglück, und so böse sein, als immer werden kann. Nun aber ist ja Christus auferstanden, nicht aus dem Schlaf (spricht er), sondern aus dem Tod, denn er ist sowohl gestorben und unter der Erde gelegen als andere; aber er ist lebendig wieder hervorkommen aus dem Loch, darin er begraben lag, und hat beide, Teufel und Tod, gewürgt und gefressen, die ihn gefressen hatten, und seinen Bauch und Höllenrachen zerrissen, und ist hinauf gen Himmel gefahren, da er nun sitzt im ewigen Leben und Herrlichkeit. Das soll unser Trost und Trotz sein. Denn in desselben Namen sind wir getauft, hören und bekennen sein Wort. Von ihm heißen wir Christen, und um seinetwillen leiden wir alles Unglück und Herzeleid vom Teufel; denn es gilt nicht uns, sondern ihm selbst und seinem Reich, welchem er feind ist, und trachtet, wie er’s zerstöre, und uns so mitfahre, und müde mache mit jächen, plagen und würgen, dass wir sollen ihn fahren lassen.

Aber wir wollen uns auch getrost gegen ihn setzen, und sagen: Nein, du schänd-licher, leidiger Teufel, so böse sollst du es nicht machen, dass ich um deinetwillen die Taufe und meines Herrn Namen wolle fahren lassen. Kannst du trotzen und toben auf deinen Tod, Feuer, Wasser, Pestilenz und Hölle, so können wir trotzen auf diesen Herrn Christum, der dich überwunden hat, und kann dich wiederum würgen, und ewig in die Hölle stoßen (wie er auch tun wird), und uns lebendig aus deinem Rachen reißen. Darum friss uns, wenn du kannst, oder jäche uns dem Tod in Rachen, aber bald sollst du sehen und fühlen, was du gemacht hast, und wollen dir wieder ein Gerumpel im Bauche anrichten, und durch die Rippen reißen, dass du lieber solltest einen Turm, ja, einen ganzen Wald verschlungen haben. Denn du hast zuvor auch einen gefressen und unter die Erde bracht, der dir zu stark war, und musstest ihn mit allen Schanden wiedergeben, ob du auch wohl trotzest und lästerst: „Er hat andern geholfen, er helfe ihm nun selber“ etc. Aber jetzt trotzt er mit dir wieder, und ist dein Tod und Hölle worden, und wird dich bald durch uns vollend stürzen am jüngsten Tage. 

Ja, sprichst du, Christus hat wohl gut trotzen wider den Teufel und Tod, weil er droben sitzt, dass ihm niemand nichts tun kann; was habe aber ich davon? Oder, wie komm ich dazu; denn ich bleibe ja dahinten, und lässt mich jetzt in des Teufels und Todes Gewalt stecken? Darauf antwortet St. Paulus fein mit Einem Wort, dass er spricht: „Christus ist auferstanden, und der Erstling worden derer, die da schlafen.“ Denn in dem Wort „Erstling“ gibt er zu verstehen, dass er’s nicht allein sei, sondern dass ihrer mehr hernach folgen sollen. Denn diesen Mann musst du nicht also ansehen, dass er auferstanden sei von (den) Toten für seine Person allein; sonst hätten wir einen schlechten Trost daran, wenn es nicht sollte weiter gehen, und nützt uns nichts mehr, denn als wäre er nie Mensch worden.

Denn er hätte es für sich nichts bedurft, dass er sterben musste, weil er ohne Sünde geboren, und der Teufel kein Recht zu ihm hatte, und war dazu der Herr des Teufels und Todes, dass er ihn nicht hätte dürfen angreifen, und ihm wohl möchte Trotz bieten, dass er ihm ein Härlein krümmte; gleichwie er die Juden im Garten mit Einem Wort zurück schlug, da er sprach: „Hie bin ich“ (Joh. 18,6.). Sondern also muss man ihn ansehen, dass dies Sterben und Auferstehen dir und mir gelte; und wie er um unsertwillen gestorben ist, und unter der Erde gelegen, sowohl als du und ich sterben und unter die Erde müssen, also ist er auch um unsertwillen auferstanden, und hat uns den Wechsel gemacht, dass, wie er durch uns zum Tode gebracht ist; also wir durch ihn aus dem Tod wieder zum Leben kommen; denn er hat durch seinen Tod unsern Tod verschlungen, dass wir auch alle auferstehen und leben sollen, wie er auferstanden ist, und lebt. Darum heißt er recht primitiae, der Erstling von den Toten, dass er vorgeht, und den ganzen Haufen nach sich führt. Denn wo der erste genannt wird, da gehört mehr zu, denn Eine Person, sondern müssen mit verstanden werden, die hernach folgen, der andere, der dritte, und so fortan, alle aneinander gehängt, so viel derer sind, die da schlafen; sonst könnte er nicht der erste heißen, wenn er allein aufer-standen wäre, und niemand nach ihm folgen sollte.

Und merke, dass er die, so nach Christo auferstehen sollten, nicht will Tote nennen, sondern heißt ihn „den Erstling derer, die da schlafen“, so er doch von Christo sagt, dass er sei auferstanden, nicht vom Schlaf, sondern von den Toten. Denn das zuvor ohne Christo ein rechter, ewiger Tod war, das ist nun, nachdem Christus durch den Tod gangen und auferstanden ist, nicht mehr ein Tod, son-dern nur ein Schlaf worden, also, dass die Christen, so in der Erde liegen, nicht Tote, sondern Schläfer heißen, als die gewisslich auch auferstehen werden. Denn „schlafen“ heißt man die, die da liegen, dass sie wieder erwachen und auferstehen sollen, nicht die, die so liegen, dass keine Hoffnung ist, dass sie wieder auferstehen werden, welche heißt man nicht schlafen, sondern tote Leichnam; also, dass eben in dem Wort „schlafen“ in der Schrift die zukünftige Auferstehung angegeben ist.

Und das noch mehr ist, in dem, dass er Christum den Erstling der Schlafenden nennt, will er anzeigen, dass man die Auferstehung also ansehen und fassen soll, als sei sie schon angangen in Christo, ja, bereits wohl mehr denn die Hälfte geschehen, dass, was noch vom Tod vorhanden ist, nichts denn ein tiefer Schlaf zu achten ist, und die künftige Auferstehung unseres Leibes nicht anders zu-gehen soll, denn wie einer plötzlich aus solchem Schlaf erwacht. Denn das vornehmste und beste Stück ist schon daran geschehen, nämlich, dass Christus, unser Haupt, erstanden ist. Weil aber das Haupt droben sitzt und lebt, so hat es nicht mehr Not, und müssen wir, die an ihm hangen, als sein Leib und Glieder auch hinnach. Denn wo das Haupt geht und bleibt, da muss der Leib mit allen Gliedern auch mit hinnach gehen und bleiben. Gleichwie in des Menschen und aller Tiere Geburt das Haupt natürlich zuerst hervor kommt; und wenn das ge-boren ist, so geht der ganze Leib leichtlich hinnach. Weil nun Christus hinüber ist, und droben im Himmel über Sünde, Tod, Teufel und alles regiert, und solches um unsertwillen getan hat, dass er uns zu sich hinnach bringe, so dürfen wir nicht mehr sorgen für die Auferstehung und unser Leben, ob wir gleich hinfahren, und unter der Erde verfaulen. Denn es heißt jetzt nicht mehr, denn ein Schlaf, und ist vor ihm nur um eine Nacht zu tun, dass er uns aus dem Schlaf erwecke.

Wenn ich nun solches weiß und glaube, so ist mein Herz, oder Gewissen und Seele, schon auch durch den Tod und Grab bei Christo im Himmel, lebt und freut sich desselben. Und haben also die zwei besten Stücke, und viel mehr denn die Hälfte der Auferstehung hinweg. Und weil er das Herz durch den Glauben leben-dig und neu macht, wird er auch wohl den faulen Schelmen hinnach schleifen, und den Rock wieder anziehen, dass wir ihn vor Augen sehen, und mit ihm leben werden. Denn das ist sein Wort und Werk, darauf wir getauft sind, leben und sterben. Drum soll es uns gewisslich nicht fehlen, gleichwie es ihm nicht gefehlt hat. Gott gebe, wann oder wie wir sterben, es sei auf dem Bette, oder sonst im Feuer, Wasser, Strick oder Schwert, da wird der Teufel, als des Todes Meister und Schlächter, wohl zusehen, wie er uns würge, und sein Handwerk ausrichte, dass wir uns nicht dürfen einen Tod wählen oder malen; aber wie er uns hin-richtet, so soll es uns nicht schaden. Ein sauer Trünklein mag er uns geben, wie man denen gibt, die man will schlafen machen, dass sie nichts mehr fühlen; aber wir wollen wieder aufwachen und hervorkommen an jenem Tage, wenn die Posaune schallen wird. Das soll er nicht wehren, weil wir schon jetzt in Christo mehr denn über die Hälfte aus dem Tode sind, dass er doch den armen Wanst und Madensack auch nicht kann behalten.

Siehe, also müssen wir lernen unsern Schatz ansehen, und uns wenden von dem zeitlichen Wesen, das vor den Augen und Sinnen ist, und nicht so lassen schrecken den Tod und ander Unglück, Jammer und Elend, auch nicht achten, was die Welt hat und vermag, sondern dagegen halten, was wir in Christo sind und haben. Denn unser Datum steht gar darauf, dass er auferstanden ist, und dass wir mit ihm schon das Leben haben, und nicht mehr in des Todes Gewalt sind. Darum lass nur die Welt toll und töricht sein mit ihrem Scharren und Trotzen auf ihr Geld und Gut, und den Teufel toben mit seinen giftigen Pfeilen im Ge-wissen, und allerlei Plage dazu uns anlegen, so soll dagegen das Einige unser Ruhm und Trotz sein, dass er ist unser Erstlinger, und die Auferstehung hat angefangen, durch des Teufels Reich, Hölle und Tod gerissen, und nicht mehr stirbt noch schläft, sondern droben ewiglich herrscht und regiert, dass er uns auch aus diesem Kerker und Tod helfe. Bei dem Erstling soll unser Geld, Gut und alles liegen, darauf wir zu pochen haben, an solchem Ort, da weder Teufel noch Welt nicht hinriechen kann.

Was wollen wir denn uns erschrecken und verzagt machen lassen, ob schon der Teufel uns unter Augen tritt, und darnach greift, als wollte er uns alles nehmen, würgt uns Weib und Kind, zermartert das Herz mit allerlei Jammer und Trübsal, und zuletzt auch unsern Leib hinrichtet, und meint, er wolle es damit alles ge-nommen haben; aber damit soll er’s noch lange nicht ausrichten. Leib und Leben mag er uns jetzt nehmen, weil wir hier liegen in seiner Herberge, da er nichts tut, denn täglich würgt und mordet, als ein Henker oder Schlachter in einem Stall voll Schafe. Und weil wir in solchem Wirtshaus zehren, so müssen wir ihm auch gelten. Er gibt keine andere Speise, denn Pestilenz und alle Krankheit, und schenkt keinen andern Wein noch Trank, denn eitel Gift; darum dürfen wir nichts anders warten, denn dass er uns desselben voll mache, und darnach schlachte und die Haut abziehe. Aber wenn er schon das alles getan hat, hat er uns damit noch nichts genommen.

Denn das ist nicht unser Gut noch Schatz, den wir Christen haben, wie die Welt sucht und hat an diesem Leben auf Erden, sondern haben ihn schon vor ihm verwahrt, dass er uns ihn nicht nehmen soll, in diesem Erstling der Toten, der droben sitzt, und aus der Mördergrube gefahren, und unser Leben und alles mit sich genommen hat. Darauf trotzen wir, und spotten des Teufels dazu, und sagen: Weil du ja so lüstern bist, uns Christen zu fressen, und meinst ein niedlich Bißlein zu kriegen, so würge und schlachte, brate und friss uns mit Haut und Haar; hebe aber hinten an, so hast du Senf und Salsen zuvor. Aber was hast du mehr, wenn du schon uns gar gefressen hast? Damit sollst du noch lange nicht deinen unsättigen Hunger gebüßt haben. Denn du wirst nicht finden, was du suchst und begehrst, welches ist unser bestes und größtes Teil, ja, unser ganzes Leben und Schatz, nämlich dieser Artikel der Auferstehung in Christo. Damit sind wir dir schon aus den Zähnen gerückt und zu hoch gesetzt. Denn der Schatz liegt nicht bei oder in uns (sonst hättest du ihn bald weggerissen), sondern droben in Christo, da du ihn sollst unangegriffen und stehen lassen, und keinen Dank dazu haben. Was schadet uns denn, dass du uns jetzt leiblich würgst? Denn damit tust du nichts, ohne dass du diesem armen Madensack aus dem Elend hilfst, dass er auch hinnach komme, da er hin soll, da das Haupt, Herz und alles ist, außer allem Unglück, deß wir täglich warten und begehren. Da sollst du denn sehen und fühlen, was du gefressen hast, und wird niemand, denn dir allein am sauersten werden, dass du eben die Pestilenz und Gift, die du uns gegeben hast, wirst selbst wieder fressen und saufen müssen, und wird dir beide den Rachen und Bauch zerreißen, und deines Tobens ein Ende machen. Siehe, also müssen wir uns wehren und trotzen wider alles Schrecken des leidigen Feindes, weil er doch nichts anders kann, denn uns allen Jammer und Herzeleid anlegen, dass er uns nur diesen Artikel und den Erstling, Christum, aus den Augen und Herzen wende, dass wir nicht daran denken, weß wir sind, oder was wir haben, und wie wir heißen. Also hat nun St. Paulus beweiset, dass Christi Auferstehung die Ur-sache ist, dass wir auch auferstehen müssen.