Luther - Gottes Zorn

 

Gottes Zorn

 

(Martin Luther: Auslegung zu 5. Mose 4,24, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 3, Sp. 1678-1681, Rechtschreibung angepasst)

 

Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer, und ein eifriger Gott. 

 

Moses ist ein feiner Doktor und Lehrer, der weiß von Sachen artig zu reden; er spricht: „Hütet euch, dass ihr des Bundes nicht vergesset.“ Als wollte er sagen: Es wird dazu kommen, dass man Gottes vergessen wird, dass gar viel falsche Propheten und irrige Lehrer aufkommen, welche sagen werden: Willst du gen Himmel kommen, so tue dies und das. Aber siehe du zu, und gedenke, was du hast für einen Bund mit Gott gemacht; dabei bleibe, „denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer“. 

Denn Gott ist solcher Gott, oder, wie er hier sagt, ein solch Feuer, das nicht feiert, sondern frisst und verzehrt, und ein Gott, der da eifert, 2 Mos. 20,5. Dieser Spruch ist wohl zu merken, welcher die angeht, so abtrünnig werden vom Glau-ben; er gehört für die Mamelucken und Apostaten. Man glaubt es aber nicht, dass Gott ein verzehrend Feuer ist, und ein eifriger Gott. Darum ist es gesagt den Misstrauischen, Verhärteten, Verstockten und Ungläubigen, welche nicht den rechten Glauben behalten, und diese Worte für lauter Fabeln achten und ver-spotten; denen wird er ein Feuer genannt, das verzehrt. Das ist so viel gesagt: Welcher nicht glaubt an sein Wort, und nimmt es nicht an, der ist verderbt in Grund und Boden. Derhalben glaube, und halte dich an Gott; wo nicht, so bist du schon dahin. 

Wollte Gott, dass die Welt das glaubte, und dies Wort für die Wahrheit hielte, dass Gott ein verzehrend Feuer wäre. Daher so lebt man auch so wild und wüst in der Welt, und tut ein jedermann wider Gottes Gebot, und lassen Gott schelten und dräuen, wie er will. Denn Gott wird bei ihnen für kein verzehrend Feuer gehalten; sondern irgend für Stoppeln, für einen Strohhalm und Tröpflein kalt Wassers hält ihn die Welt. Darum geht es auch so durch einander. Dieser stiehlt und raubt, jener betrügt und lügt; der hurt, jener hasst; ein andrer geizt etc. Da scheint es nicht, dass ein solches Wesen verzehrt werden müsse und unter-gehen, sondern es lässt sich ansehen, als haben sie einen gnädigen Gott; wie denn der Prophet Jeremias Cap. 12,1. auch darüber klagt: Quare prosperatur via impiorum? „Warum geht es dem Gottlosen so wohl?“ Und die Erfahrung zeugt es auch, wie man im Sprichwort sagt: Je ärger Schalk, je besser Glück. Es geht ihnen eine Zeitlang so hinaus. 

Daran haben sich die heiligen Leute und die Propheten auch sehr geärgert, dass das Gegenspiel in der Welt daher leuchtet, und die Sünder aller Dinge Überfluss haben, und treiben den allergrößten Mutwillen, und geht ihnen doch alles hinaus. Also hat St. Paulus das Widerspiel auch gesehen. Da fallen einem denn diese Gedanken ein: Ei, wäre Gott ein verzehrend, fressend Feuer, eifrig und zornig, wahrlich, er würde das nicht leiden. Nun leidet er es? Ja, vor der Welt scheint es also, als wäre Gott ein lauter Gähnemaul, der das Maul nur aufsperre, oder ein Hahnrei und guter Mann, der einen andern lässt bei dem Weibe schlafen, und stellt sich, als sähe er es nicht. 

Wider diese Gedanken hat Moses solches geredet: So hütet euch, ihr habt einen Gott, der ist ein verzehrend Feuer, das ist, ein solcher Gott, der euch verzehrt und aufräumt, so ihr gottlos seid, eifert, frisst und macht zu Asche und Staub. Er schlingt einen hinein, und hat eine solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Geht solches einmal an, so lässt er nicht ab. Solches kann man die Leute nicht bereden, sie glauben es auch eher nicht, bis die Erfahrung kommt; so ist es denn zu lange geharrt. Also konnten die Juden auch nicht glauben, dass sie sollten verstoßen werden gen Babel, wiewohl solches die Propheten geweissagt hatten, bis dass dasselbige verzehrende Feuer kam, und sie vertilgte. 

Also, da Christus auch kam und von der letzten Zerstörung Jerusalem prophe-zeite, so half es nichts, sie wollten es nicht glauben, bis dass darnach der Glaube ihnen in die Hand kam, da erfuhren sie es mit der Tat. Wenn jetzund hundert-tausend Zungen sagten zu unsern Tyrannen: „Gott ist ein verzehrend Feuer“, so haben sie nur einen Spott daraus, hören nicht, und halten auch unsern Herrn Gott nur als einen Strohpotzen, der im Hanf den Vögeln zur Abscheu gesteckt wird. Aber wenn er zu seiner Zeit kommen und alles zu Pulver und Asche machen wird, dann werden sie es gewahr werden. Es geht uns heutiges Tages auch also. Wenn wir gleich lange predigen und dräuen, oder selbst hören, dass Gott ein Feuer ist, fragen wir nicht darnach, glauben es nicht, bis die Pestilenz, gehender Tod, Krieg und andere Not und Plage kommen; dann beginnt es wahr zu werden, und sich im Auskehrig zu finden.

Darum schreckt uns hiermit Moses, und jagt uns eine Furcht ein; will, dass wir nicht einen andern Gott machen noch annehmen. Denn er kann es nicht leiden, oder du wirst drüber verzehrt, und musst untergehen. Solches bildet er uns als ein guter Redner vor, wenn es sonst helfen wollte. Es sagt's, wahrlich, kein Schusterknecht, sondern der hohe Prophet Moses, und spricht: „Gott ist ein verzehrend Feuer“, das ist, es wird nichts ungerochen noch ungestraft bleiben. Wenn sich's gleich stellen wird, und scheint oder sich ansehen lässt, als habest du Glück und Fortgang in deiner Bosheit, dennoch wird dir endlich dein Recht widerfahren, dass Gott dir ein verzehrend Feuer ist. Die Gottesfürchtigen glauben es, und darum erfahren sie es nicht. Wiederum, die Gottlosen glauben es nicht, darum müssen sie es erfahren; wie das die Erfahrung und Tat bezeugt, dass es wahr sei, und sie bald umkommen und zu Boden gehen (Ps. 37,20.). Darum hüte dich vor diesem Feuer.