4. Buch
Kapitel 1 - Mit welcher Ehrfurcht man Christus empfangen soll.
Stimme des Jüngers.
1. Das sind deine Worte, o Christus, du ewige Wahrheit, obwohl sie nicht zu Einer Zeit gesprochen worden, noch an Einer Stelle aufgezeichnet sind. Weil sie nun dein sind und wahr, so muß ich sie alle dankbar und gläubig aufnehmen. Dein sind sie, und du hast sie gesprochen; und auch mein sind sie, weil du sie für mein Heil geredet hast. Gern nehme ich sie aus deinem Munde, damit sie meinem Herzen inniger eingeprägt werden. Es erquicken mich die Worte, so voll Milde, voll Süßigkeit und Liebe; aber es schrecken mich die eigenen Missethaten und so hohe Geheimnisse zu empfangen, stößt mich mein unreines Gewissen zurück. Mich erhebt die Süßigkeit deiner Worte, aber die Menge meiner Sünden beugt mich nieder.
2. Du befiehlst, daß ich vertrauensvoll dir nahen soll, wenn ich an dir Theil haben will, und daß ich die Speise der Unsterblichkeit empfangen soll, wenn ich nach dem ewigen Leben und seiner Herrlichkeit trachte. Kommet, rufst du, her zu mir Alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. O süßes und freundliches Wort, im Ohre des Sünders, daß du, Herr, mein Gott! den Dürftigen und Armen einladest zur Gemeinschaft deines heiligsten Leibes! Aber wer bin ich, o Herr! daß ich mich vermessen sollte, dir zu nahen? Siehe, die Himmel der Himmel fassen dich nicht, und doch sprichst du: Kommet her zu mir Alle!
3. Was will diese mildeste Herablassung und die so freundliche Einladung? Wie soll ich es wagen dürfen, zu kommen, der ich mir nichts Gutes bewußt bin, worauf ich vertrauen könnte? Wie soll ich dich einführen in mein Haus, der ich dein huldreiches Angesicht so oft beleidigt habe? Engel und Erzengel bezeugen dir ihre Ehrfurcht; Heilige und Gerechte scheuen sich, und doch sprichst du: Kommet her zu mir Alle! Wenn du, Herr, das nicht sagtest: wer würde es für wahr halten? Und wenn du es nicht gebötest; wer würde sich unterstehen, dir zu nahen?
4. Siehe, Noah, der gerechte Mann, arbeitete wohl hundert Jahre am Bau der Arche, damit er und Wenige mit ihm gerettet würden; und ich, wie werde ich mich in einer Stunde vorbereiten können, den Schöpfer der Welt mit Ehrfurcht zu empfangen? Moses, dein großer Diener und dein vertrauter Freund machte die Bundeslade aus unverweslichem Holz, und bekleidete sie auch mit dem reinsten Golde, um die Tafeln des Gesetzes in ihr niederzulegen; und ich, verwerfliches Geschöpf, will es wagen, dich, den Gesetzgeber selbst und den Geber des Lebens, so leichthin aufzunehmen? Salomo, der weiseste unter den Königen Israels, baute zum Preise deines Namens einen prächtigen Tempel in sieben Jahren, und feierte das Fest der Einweihung acht Tage lang, brachte tausend Sühnopfer dar, und stellte die Bundeslade unter Trompetenschall und Jubel feierlich an die ihr zubereitete Stätte. Und ich Unseliger und Aermster der Menschen, wie soll ich dich einführen in mein Haus, der ich kaum eine halbe Stunde andächtig zubringen kann? und, o geschähe es doch nur einmal eine halbe Stunde recht würdig!
5. O mein Gott! wie viel haben jene zu thun sich bemüht, um dir zu gefallen! Ach, wie armselig ist Alles, was ich thue! Wie kurze Zeit wende ich darauf, um mich zum Genusse deines Mahles vorzubereiten! Selten sammele ich mich ganz, höchst selten bin ich von aller Zerstreuung frei! Und doch sollte in der heilsamen Gegenwart deiner Gottheit kein ungeziemender Gedanke in mir aufsteigen, auch keine Kreatur mich beschäftigen; denn nicht einen Engel, sondern der Engel Herrn soll ich zur Herberge aufnehmen. Es ist jedoch ein sehr großer Unter-schied zwischen der Bundeslade sammt ihren Heiligthümern und zwischen deinem reinsten Leib mit seinen unaussprechlichen Kräften; zwischen jenen gesetzlichen Opfern, die nur Vorbilder des Zukünftigen waren, und dem wahren Opfer deines Leibes, der Erfüllung aller alten Opfer.
6. Warum also erglühe ich nicht mehr bei deiner verehrungswürdigen Gegen-wart? Warum bereite ich mich nicht mit größerer Sorgfalt vor, dein Heiligstes zu empfangen; da jene alten heiligen Patriarchen und Propheten, auch Könige und Fürsten mit dem ganzen Volke so viel Andacht und Eifer bei dem Gottesdienste bewiesen haben? Tanzte doch der gottselige König David vor der Lade Gottes aus allen Kräften her, eingedenk der einst den Vätern erwiesenen Wohlthaten! Er ließ verfertigen Musikinstrumente verschiedener Art, verfaßte Psalmen, und verordnete, daß man sie mit Fröhlichkeit singe, und sang sie auch selbst vor, angeregt durch die Gnade des heiligen Geistes, zur Harfe. Er lehrte das Volk Israel von ganzem Herzen Gott zu loben, und ihn mit einhelligem Munde an einzelnen Tagen preisen und verkündigen. Wenn damals schon so große Andacht stattfand und des göttlichen Lobes vor der Bundeslade nie vergessen ward; welch große Ehrfurcht und Andacht muß nun ich und alles Christenvolk haben in Gegenwart des Sakramentes, oder bei dem Genusse des hoch-würdigsten Leibes Christi?
7. Es laufen Viele an verschiedene Orte, um die Reliquien der Heiligen zu besuchen, und verwundern sich, wenn sie ihre Thaten hören; sie besichtigen die geräumigen Tempelgebäude, und küssen ihre in Seide und Gold eingehüllten heiligen Gebeine. Und siehe, du bist hier gegenwärtig vor mir auf dem Altare, du, mein Gott, du Heiliger der Heiligen, Schöpfer der Menschen und Herr der Engel! Oft ist bei dem Beschauen solcher Dinge nichts als Vorwitz der Menschen und die Neuheit des Niegesehenen, und man bringt nur wenig Frucht der Besserung davon zurück, besonders wenn man ohne wahre Zerknirschung so leichtsinnig hin- und herläuft. Hier aber im Sakramente des Altars bist du, mein Gott, Mensch Jesus Christus, ganz gegenwärtig; und hier empfängt man auch reichliche Frucht des ewigen Heils, so oft man dich würdig und andächtig empfängt. Dazu aber zieht nicht Leichtsinn, noch Vorwitz oder Sinnlichkeit, sondern fester Glaube, andächtige Hoffnung und aufrichtige Liebe.
8. O Gott, du unsichtbarer Schöpfer der Welt, wie wunderbar handelst du mit uns, wie lieblich und voller Gnade verfährst du mit deinen Auserwählten, denen du dich selbst im Sakramente zu genießen gibst. Denn das übersteigt allen Ver-stand; das zieht die Herzen der Gläubigen an, und entzündet ihre Liebe. Ja selbst deine wahren Gläubigen, die ihr ganzes Leben der Heiligung widmen, empfangen aus diesem hochwürdigsten Sakramente oft große Gnade der An-dacht und Liebe zur Tugend.
9. O wunderbare und verborgene Gnade des Sakraments, welche nur die Gläubigen Christi kennen, die Ungläubigen aber und die Sklaven der Sünde nicht erfahren können! In diesem Sakramente wird geistliche Gnade mitgetheilt, und in der Seele wieder hergestellt die verlorene Tugend, und die durch Sünde verun-staltete Schönheit kehret zurück. So groß ist manchmal diese Gnade, daß aus der Fülle der verliehenen Andacht nicht nur die Seele, sondern auch der schwächliche Leib mit neuen Kräften sich ausgerüstet fühlt.
10. Doch sehr zu beklagen und zu bejammern ist unsere Lauheit und Nach-lässigkeit, daß wir von keinem mächtigeren Verlangen getrieben werden, Christum zu empfangen, auf welchem alle Hoffnung und das Verdienst derer, die da selig werden wollen, beruht. – Denn er ist unsre Heiligung und Erlösung, er, der Trost der Pilger und der ewige Genuß der Heiligen. Darum ist es sehr zu beklagen, daß Viele dieses heilsame Geheimnis so wenig achten, welches den Himmel mit Freude erfüllt und die ganze Welt erhält. Ach der Blindheit und der Härte des menschlichen Herzens, ein so unaussprechliches Geschenk nicht höher zu achten und durch den täglichen Gebrauch sich sogar zur Gleichgültig-keit verleiten zu lassen!
11. Denn wenn dieses allerheiligste Sakrament nur an Einem Orte gefeiert und nur von Einem Priester in der Welt gewandelt würde: mit welch großem Verlangen, glaubst du wohl, würden die Menschen nach jenem Orte und zu einem solchen Priester Gottes hineilen, um die göttlichen Geheimnisse feiern zu sehen? Nun aber sind viele Priester geworden und Christus wird an vielen Orten geopfert, damit die Gnade und Liebe Gottes zu den Menschen um so größer erscheine, je weiter die heilige Kommunion über den ganzen Erdkreis ausge-breitet ist. Dank sei dir, o gütigster Jesus, du ewiger Hirt, der du uns Arme und Verbannte gewürdiget hast, daß wir mit deinem theuren Leibe und Blute erquickt und zum Genusse dieser Geheimnisse sogar durch den Zuspruch deines Mundes eingeladen werden, indem du sagst: Kommet zu mir Alle, die ihr müh-selig und beladen seid, und ich will euch erquicken!
Kapitel 2 - Daß dem Menschen große Güte und Liebe Gottes im Sakramente erwiesen werden.
Stimme des Jüngers.
1. Im Vertrauen auf deine Güte und große Barmherzigkeit komme ich zu dir, o Herr, ein Kranker zu seinem Heiland, ein Hungriger und Durstiger zur Quelle des Lebens, ein Armer zu dem Allreichen, ein Knecht zum Herrn, ein Geschöpf zum Schöpfer, ein Trostloser zu meinem freundlichen Tröster. Aber woher wird mir das, daß du zu mir kommst? Wer bin ich, daß du dich selbst mir darbietest? Wie darf es der Sünder wagen, vor dir zu erscheinen? Und du, wie lässest du dich herab, zum Sünder zu kommen? Du kennst deinen Knecht, und weißt, daß er nichts Gutes in sich hat, weßhalb du ihm solches bieten solltest. Darum bekenne ich meine Unwürdigkeit, erkenne deine Güte, preise deine Huld, und sage dir Dank für deine grenzenlose Liebe. – Denn um deiner selbst willen thust du also, nicht meiner Verdienste wegen, damit deine Güte mir mehr bekannt, weitere Liebe eingeflößt und Demuth vollkommener empfohlen werde. Weil dir nun solches gefällt, und du es so geboten hast, so gefällt auch mir deine Herab-lassung; und – o möchte nur meine Ungerechtigkeit nicht entgegen stehen!
2. O freundlichster und gütigster Jesus! welche Ehrfurcht und Danksagung sammt unaufhörlichem Lob bin ich dir schuldig für den Genuß deines heiligen Leibes, dessen Würde kein Mensch genugsam auszusprechen im Stande ist. Aber was soll ich denken bei diesem heiligen Mahle, beim Hinzutreten zu meinem Herrn, den ich nach Gebühr nicht zu verehren vermag und doch mit Inbrunst aufzunehmen wünsche? Was soll ich Besseres und Heilsameres denken, als daß ich mich gänzlich selbst demüthige vor dir, und deine unendliche Liebe gegen mich erhebe?
3. Ich lobe dich, mein Gott, und preise dich in Ewigkeit; mich aber verachte ich, unterwerfe mich dir in der Tiefe meiner Niedrigkeit. Siehe, du bist der Heilige der Heiligen, und ich ein Auswurf der Sünder. Siehe, du neigest dich zu mir, der ich nicht würdig bin, aufzublicken zu dir. Siehe, du kommst zu mir, du willst bei mir sein, du ladest mich ein zu deinem Mahle. Du willst mir himmlische Speise und das Brot der Engel zu essen geben. Fürwahr, kein anderes, als dich selber, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, und der Welt das Leben gibt.
4. Siehe, welch eine Liebe, welch eine Herablassung leuchtet daraus hervor! Wie große Danksagung und welches Lob gebührt dir dafür! O wie heilsam und segensreich war deine Absicht, aus der du dieses Mahl eingesetzt hast! Welch süßes und liebliches Mahl, bei welchem du dich selbst zur Speise darreichst! Wie wunderbar ist dein Thun, o Herr! wie gewaltig deine Kraft, wie untrüglich deine Wahrheit! – Denn du sprachst, und Alles ist geworden, und das ist geworden, was du selbst geboten hast.
5. Wunderbares Ding, doch glaubwürdig und über den menschlichen Verstand hinaus, daß du, Herr, mein Gott, der wahre Gott und Mensch unter der geringen Gestalt des Brotes und Weines ganz enthalten bist und von dem Empfangenen genossen, aber nicht verzehrt wirst. Du Herr der Welten, der du keines Dinges bedarfst, wolltest du durch dein Sakrament in uns wohnen: erhalte mein Herz und meinen Leib unbefleckt, daß ich mit frohem und reinem Gewissen oft deine Geheimnisse zu feiern, und zu meinem ewigen Heile empfangen vermögen, was du vornehmlich zu deiner Ehre und zum immerwährenden Andenken geheiligt und eingesetzt hast.
6. Freue dich, meine Seele und sage Dank für eine so edle Gabe und einen so einzigen Trost, der dir in diesem Thale der Thränen zurückgelassen ist. Denn so oft du dieses Geheimniß wieder feierst, und Christi Leib empfängst: so oft vollziehst du auch an dir das Werk der Erlösung und wirst aller Verdienste theilhaftig. Denn die Liebe Christi nimmt niemals ab, und die Fülle seiner Versöhnung wird nie erschöpft. Darum mußt du dich immer wieder durch Erneuerung des Gemüths dazu vorbereiten, und das tiefe Geheimniß des Heils mit großem Ernste betrachten. So groß, neu und erfreulich muß es dir erschei-nen, wenn du es feierst oder die Messe hörst, als wäre an demselben Tage Christus erst in den Leib der Jungfrau herabgekommen und Mensch geworden, oder als litte und stürbe er, am Kreuz hängend, für das Heil der Menschen.
Kapitel 3 - Daß es nützlich sei, oft zu kommunizieren.
Stimme des Jüngers.
1. Siehe, ich komme zu dir, o Herr! damit mir wohl werde durch deine Gnade und ich Erquickung finde an deinem heiligen Mahle, das du nach deiner Güte den Armen bereitet hast. Siehe, in dir ist Alles, was ich verlangen kann und soll; du bist mein Heil und meine Erlösung, du meine Hoffnung und Stärke, du meine Zierde und mein Ruhm. Erfreue denn heute die Seele deines Knechtes, da ich zu dir, Herr Jesu, meine Seele erhoben habe. Dich verlange ich jetzt zu empfangen mit aller Andacht und Ehrfurcht; dich wünsche ich in mein Haus einzuführen, wenn ich anders mit Zachäus verdiene, von dir gesegnet und zu den Söhnen Abrahams gezählt zu werden. Meine Seele sehnt sich nach deinem Leibe, mein Herz verlangt, mit dir vereinigt zu werden.
2. Gib dich mir, so habe ich genug; denn außer dir vermag mich nichts zu trösten. Ohne dich kann ich nicht sein, und ohne deine Heimsuchung vermag ich nicht zu leben. Daher muß ich oftmals dir mich nahen, und dich als mein einziges Heilmittel empfangen, damit ich nicht umkomme auf dem Wege, wenn ich dieser Himmelskost entbehren muß. Denn also hast du, barmherzigster Jesus, da du dem Volke predigtest und mancherlei Gebrechen heiltest, einst gesagt: Ich will sie nicht ungegessen von mir lassen, auf daß sie nicht verschmachten auf dem Wege. Thue denn mit mir also, der du zum Troste der Gläubigen im Sakramente dich selbst zur Speise gibst. Denn du bist eine liebliche Erquickung der Seele, und wer dich würdig genießt, der wird Erbe und Genosse der ewigen Herrlichkeit sein. Weil ich nun so oft falle und sündige, so schnell lax und matt werde, ist es mir sehr nöthig durch anhaltendes Gebet, aufrichtige Buße und den Genuß des heiligen Abendmahles mich zu erneuern, zu reinigen und meine Liebe zu ent-zünden, damit ich nicht etwa, wenn ich länger davon fern bleibe, in meinem heiligen Vorhaben wankend werde.
3. Denn des Menschen Sinn ist zum Bösen geneigt von Jugend auf, und wenn nicht göttliche Arznei ihn heilt, so fällt er alsbald tiefer und tiefer. Aber das heilige Abendmahl zieht vom Bösen zurück und stärkt im Guten. Denn wenn ich schon jetzt so oft nachlässig und lau bin, da ich kommunizire oder das Meßopfer feiere: was würde erst geschehen, wenn ich die Arznei nicht nähme und ein so kräftiges Heilmittel nicht suchte? Und bin ich auch nicht jeden Tag geschickt, noch zur Feier des Opfers wohl vorbereitet: so will ich mir doch Mühe geben, zu passen-den Zeiten die göttlichen Geheimnisse zu empfangen und so großer Gnade mich theilhaftig zu machen. Denn das ist ein vorzüglicher Trost für die gläubige Seele, so lange sie fern von dir in dem sterblichen Leibe wallet, daß sie öfters, ihres Gottes eingedenk, ihren Geliebten mit andächtigem Gemüth aufnimmt. O wunderbare Macht deiner Liebe gegen uns, daß du, o Herr und Gott, der Schöpfer und Beleber aller Geister, dich herablässest, zu der armen Seele zu kommen und mit deiner ganzen Gottheit und Menschheit ihren Hunger zu stillen. O beglücktes Gemüth, o selige Seele, die gewürdiget ist, dich, ihren Herrn und Gott, andächtig aufzunehmen und dadurch mit geistlicher Freude erfüllt zu werden! O was für einen großen Herrn empfängt sie! Was für einen lieben Gast beherbergt sie! Was für einen angenehmen Genossen nimmt sie in ihr Haus auf! Was für einen treuen Freund bekommt sie! Was für einen schönen und edlen Bräutigam umarmt sie! Den Liebsten der Lieben, den Ersehntesten über alles Ersehnte! Vor deinem Angesicht, mein süßester Geliebter, müssen Himmel und Erde schweigen und all ihre Pracht, denn was sie liebliches und schönes haben, das ist ein Geschenk deiner Freigebigkeit, und reicht nicht hinan an die Herrlich-keit deines Namens, dessen Weisheit unermeßlich ist!
Kapitel 4 - Daß andächtigen Kommunikanten viel Gutes zu Theil wird.
Stimme des Jüngers.
1. Herr, mein Gott! komme deinem Knechte mit den Segnungen deiner Süßigkeit zuvor, daß ich zu deinem hochherrlichen Sakramente würdig und mit Andacht trete. Erwecke mein Herz zu dir und rüttle mich auf aus schwerer Trägheit. Suche mich heim mit deinem Heil, daß ich fühle im Geist deine Freundlichkeit, welche in diesem Sakrament, wie in einer Quelle, überschwenglich verborgen ist. Erleuchte auch meine Augen, um ein so großes Geheimniß zu erschauen, und gib mir Kraft, mit zweifelloser Zuversicht daran zu glauben. Denn es ist dein Werk, nicht Menschenwerk; deine heilige Einsetzung, nicht menschliche Erfindung. Und es ist Niemand fähig, dieß zu fassen und zu begreifen, da es selbst der Engel Scharfsinn übersteigt. Was werde darum ich unwürdiger Sünder, ich Staub und Asche, ein so hohes, heiliges Geheimniß ergründen und fassen können?
2. Herr, in Einfalt meines Herzens, in gutem, festem Glauben, und auf dein Geheiß nahe ich dir mit Hoffnung und Ehrfurcht; ich glaube wahrhaftig, daß du hier im Sakrament gegenwärtig bist, als Gott und Mensch. Du willst ja, daß ich dich aufnehmen, und mich mit dir in Liebe vereinigen soll! Darum flehe ich zu deiner Milde, und bitte, du wollest mir dazu die besondere Gnade verleihen, daß ich ganz in dir zerschmelze und vor Liebe überfließe und nach keinem andern Trost mehr verlange. Denn es ist dieses erhabenste und würdigste Sakrament das Heil der Seele und des Leibes, eine Arznei gegen jegliches Gebrechen des Geistes, wodurch meine Fehler geheilt, die Leidenschaften bezähmt, die Versuchungen überwunden oder gemildert werden, wodurch größere Gnade mitgetheilt, die begonnene Tugend vermehrt, der Glaube befestigt, die Hoffnung gestärkt und die Liebe entzündet und erweitert wird.
3. Denn viel Gutes hast du schon deinen Geliebten, die andächtig das heilige Abendmahl genießen, in diesem Sakrament mitgetheilt und theilest ihnen noch immer große Güter mit, mein Gott, der du auch meine Seele aufnimmst, wie du denn die Stütze und Hülfe der menschlichen Schwachheit und die Quelle alles inneren Trostes bist. Denn du gießest ihnen viel Trost ein gegen allerlei Trübsal und richtest sie auf aus der Tiefe eigener Ohnmacht zur Hoffnung auf deinen Schutz, und erleuchtest und erquickest sie innerlich mit einer neuen Gnade, so daß sie, welche vor der Kommunion zuerst voll Angst und ohne geistliche Begierde waren, nach derselben, durch die Speise und den Trank des Himmels gestärkt, sich in’s Bessere umgewandelt finden. So weise verfährst du deshalb mit deinen Auserwählten, daß sie wahrhaftig erkennen und in der Tat erfahren, wie viel Schwachheit sie an sich selber haben, und wie viel Güte und Gnade sie durch dich erlangen! Denn von sich selbst sind sie kalt, hart und ohne Andacht; durch dich aber bekommen sie die Kraft, inbrünstig, wacker und andächtig zu sein. Wer bringt denn, wenn er zur Quelle aller Süßigkeit demüthig tritt, nicht einige Süßigkeit davon zurück? Oder wer empfängt, wenn er bei einem starken Feuer steht, nicht ein wenig Wärme davon? Und du bist die immer volle und überströmende Quelle, das unaufhörlich brennende und nie verlöschende Feuer!
4. Daher, wenn es mir nicht vergönnt ist, aus der Fülle der Quelle zu schöpfen, noch zur Genüge daraus zu trinken, will ich doch meinen Mund an die Oeffnung des himmlischen Roehrleins setzen, damit ich wenigstens ein kleines Tröpflein davon bekomme, um meinen Durst zu löschen und nicht ganz zu verschmachten. Und wenn ich gleich noch nicht ganz himmlisch und so feurig sein kann, wie die Cherubim und Seraphim, so will ich mich doch bemühen, in Andacht zu beharren und mein Herz zuzubereiten, daß ich doch wenigstens ein kleines Fünklein der göttlichen Flamme aus demüthigem Genuß dieses belebenden Sakramentes erhalte. Was mir aber abgeht, gütigster Jesus, heiligster Erlöser! das erfülle du für mich nach deiner Güte und Gnade, der du Alle freundlich zu dir eingeladen und gerufen hast: Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
5. Ach! ich bin mühselig und beladen, von Herzensangst gequält, mit Sünden beschweret, durch Versuchungen beunruhigt, von vielen bösen Leidenschaften verstrickt und gedrückt und es ist Keiner, der helfen, Keiner der mich befreien und erretten kann, als du, Herr Gott, mein Heiland! du, dem ich mich befehle und Alles, was mein ist, damit du mich bewahren und zum ewigen Leben führen mögest. Nimm mich auf zu deines Namens Lob und Ehre, der du mir deinen Leib und dein Blut zu Speise und Trank bereitet hast. Verleihe, Herr Gott, mein Heiland, daß mit der öfteren Feier deines Geheimnisses die Inbrunst meiner Andacht wachse!
Kapitel 5 - Von der Würde des Sakramentes und dem Priesterstande. Stimme des Geliebten.
1. Wenn du auch die Reinheit eines Engels und die Heiligkeit des heiligen Täufers Johannes hättest, so wärest du doch nicht würdig, dieses Sakrament zu empfangen, noch auszuspenden. Denn das ist nicht Menschenverdienst, daß ein Mensch Christi Sakrament weihe und ausspende und zur Speise nehme das Brot der Engel. Hoch ist das Geheimniß und hoch die Würde der Priester, denen gegeben ist, was den Engeln nicht beschieden ward. Denn allein die rechtmäßig in der Kirche geweihten Priester haben die Gewalt, die Messe zu feiern und den Leib Christi zu consecriren. Der Priester ist zwar ein Diener Gottes, der das Wort Gottes gebraucht, nach dem Befehl und der Einsetzung Gottes; Gott ist aber dabei der Haupturheber und der unsichtbar Wirkende, dem Alles zu Gebote steht, was er will, und Alles gehorcht, wie er befiehlt.
2. Du mußt also dem allmächtigen Gott in diesem höchsterhabenen Sakrament mehr glauben, als dem eigenen Sinn oder irgend einem sichtbaren Zeichen. Darum muß man mit Furcht und Ehrerbietung zu diesem Werke schreiten. Hab Acht auf dich und schaue, wessen Dienst dir anvertraut ist durch Handauflegung des Bischofs. Siehe, du bist Priester geworden und zur Opferfeier geweiht; sorge nun, daß du gläubig und andächtig zu seiner Zeit Gott das Opfer darbringest und dich selbst untadelig erweisest. Du hast deine Last nicht erleichtert, sondern bist vielmehr an ein engeres Band der Zucht gebunden und zu einem höheren Grad der Heiligkeit verpflichtet. Ein Priester muß mit allen Tugenden geschmückt sein und Andern das Beispiel eines frommen Lebens geben. Sein Wandel sei nicht auf den gewöhnlichen und gemeinen Wegen der Menschen, sondern mit den Engeln im Himmel oder mit vollkommenen Männern auf Erden.
3. Der Priester, mit heiligen Kleidern angethan, vertritt Christi Stelle, damit er Gott für sich und für alles Volk inbrünstig und demüthig bitte. Er hat vor sich und hinter sich des heiligen Kreuzes Zeichen, zur beständigen Erinnerung an das Leiden Christi. Vor sich trägt er das Kreuz auf dem Meßgewande, damit er Christ Fuß-stapfen fleißig betrachte und ihnen zu folgen eifrig bemüht sei. Hinter sich ist er mit dem Kreuze bezeichnet, daß er jede, von Andern ihm zugefügte Wider-wärtigkeit mit Sanftmuth trage um Gottes willen. Vor sich trägt er das Kreuz, damit er seine eigenen Sünden betrauere; hinter sich, damit er auch die von Andern begangenen mitleidig beweine und wisse, daß er in die Mitte gestellt sei zwischen Gott und den Sünder; noch daß er ablassen soll von Gebet und heiliger Opferung, bis er Gnade und Erbarmung zu erlangen gewürdiget ist. Wenn der Priester opfert, so ehret er Gott, erfreut die Engel, erbaut die Kirche, hilft den Lebenden, verschafft Ruhe den Abgeschiedenen und macht sich selbst aller Güte theilhaftig.
Kapitel 6 - Frage, wie man vor der Kommunion sich üben soll.
Stimme des Jüngers.
1. Wenn ich an deine Hoheit, o Herr! und an meine Niedrigkeit denke: so wird mir sehr bange und ich schäme mich in mir selbst. Denn wenn ich nicht gehe zu deinem Mahle, so fliehe ich das Leben, und wenn ich unwürdig nahe, so laufe ich in’s Verderben. Was soll ich also thun, mein Gott, du mein Helfer und Berather in Nöthen?
2. Lehre du mich den rechten Weg, schlage mir vor eine kurze Uebung, die der heiligen Kommunion gemäß ist. Denn es ist nützlich, zu wissen, wie ich mein Herz mit Andacht und Ehrfurcht dir zubereiten soll, um mit Segen dein Sakrament zu empfangen oder auch ein so großes und göttliches Opfer zu feiern.
Kapitel 7 - Von der Prüfung des eigenen Gewissens und dem Vorsatze der Besserung.
Stimme des Geliebten.
1. Vor Allem muß der Priester des Herrn mit tiefer Demuth des Herzens und unterwürfiger Verehrung, mit vollem Glauben und der Absicht, Gott zu ehren, hinzutreten, um dieses Sakrament zu feiern, auszuspenden und zu empfangen. Erforsche sorgfältig dein Gewissen, und reinige und läutere es, so viel du vermagst, durch wahre Zerknirschung und demüthige Beicht, so daß du nichts Schweres auf dir habest oder wissest, was dich nage und den freien Zutritt hindere. Habe Mißfallen an allen deinen Sünden im Allgemeinen und wegen der täglichen Uebertretungen traure und seufze mehr im Besondern. Und so weit es möglich ist, bekenne Gott in der Stille des Herzens den ganzen Jammer deiner Leidenschaften. Seufze und traure, daß du noch so fleischlich und weltlich bist, so wenig abgestorben den Leidenschaften, so voll von den Regungen der Begierlichkeit; so unbewacht in den sinnlichen Neigungen, so oft verstrickt in vielen eiteln Einbildungen; so sehr geneigt zum Aeußerlichen, so unachtsam auf das Innerliche, so aufgelegt zum Lachen und zur Ausgelassenheit, so hart zum Weinen und zur Zerknirschung; so bereit zur Zügellosigkeit und zur Gemächlich-keit des Fleisches, so träge zur Strenge und zum Eifer; so begierig, Neues zu hören und Schönes zu sehen, so schlaff, dich mit Niedrigem und Verachtetem zu befassen, so gierig, viel zu haben, so karg zum Geben, so zäh im Behalten; so unbedacht im Reden, so unenthaltsam im Schweigen; so ungeschliffen im Betragen, so ungestüm im Handeln; so hastig auf’s Essen, so taub für Gottes Wort; so hurtig zur Ruhe, so langsam zur Arbeit; so flink zu leerem Geschwätz, so schläfrig zu heiligen Nachtwachen; so eilfertig zum Enden, so flatterhaft zum Aufmerken; so nachlässig im Gebet, so lau beim Gottesdienste, so kalt beim Abendmahle; so schnell zerstreut, so selten ganz in dir gesammelt, so rasch bewegt zum Zorn, so reizbar, Andern wehe zu thun; so vorschnell zum Richten, so strenge zum Rügen; so ausgelassen im Glück, so verzagt im Unglück; so reich an guten Vorsätzen, so arm an guten Werken.
2. Wenn du nun diese und deine andern Gebrechen mit Schmerz und großem Mißfallen an deiner eigenen Schwachheit bekannt und beweint hast: dann fasse den Vorsatz, dein Leben zu bessern und im Guten immer vorwärts zu schreiten. Dann bringe dich selbst, ganz und ohne Vorbehalt mit ungetheiltem Willen zur Ehre meines Namens auf dem Altar deines Herzens zu einem beständigen Opfer dar, indem du nämlich deinen Leib und deine Seele mir gläubig befiehlst; damit du würdig seiest, hinzutreten, um Gott das Opfer darzubringen und das Sakra-ment meines Leibes zum Segen zu empfangen.
3. Denn es gibt kein würdigeres Opfer und keine größere Genugthuung zur Sühnung der Sünden, als sich selbst rein und ungetheilt mit dem Opfer des Leibes Christi in der Messe und in der Kommunion Gott darzubringen. Wenn der Mensch thut, so viel an ihm ist und wahre Reue fühlt, so oft er mir naht, um Vergebung und Gnade zu erlangen, dann spricht der Herr: So wahr ich lebe; ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe; denn ich will seiner Sünden nicht mehr gedenken, sondern sie sollen ihm alle vergeben sein! (Ezechiel 33,11.16.)
Kapitel 8 - Von dem Opfer Christi am Kreuze und der eigenen Hingebung.
Stimme des Geliebten.
1. Wie ich mich selbst am Kreuze mit ausgespannten Armen und entblößtem Leibe für deine Sünden Gott dem Vater aus freien Stücken geopfert habe, so daß nichts in mir übrig blieb, was nicht ganz in das Opfer der göttlichen Versöhnung übergegangen wäre: also mußt auch du dich selbst mir täglich in der Messe freiwillig, mit allen deinen Kräften und Neigungen und so innig du vermagst, zu einem reinen und heiligen Opfer darbringen. Was fordere ich denn mehr von dir, als daß du dich mir ganz ergeben wollest? Was du außer dir selbst gibst, achte ich nicht; denn ich suche nicht deine Gabe, sondern dich.
2. Wie dir nicht genügen würde, wenn du Alles hättest, aber mich nicht: so kann nichts, was du gibst, mir wohlgefallen, wenn du dich nicht selbst darbringst. Opfere dich mir und gib dich ganz für Gott hin, so wird dein Opfer angenehm sein. Siehe, ich habe mich ganz dem Vater für dich hingebracht; ich habe meinen Leib und mein Blut zur Speise gegeben, daß ich ganz dein sei und du mein bleibest. Wenn du aber für dich und in dir selbst stehen willst und dich nicht aus freien Stücken nach meinem Willen hingibst, so ist es kein vollkommenes Opfer, und die Einigung zwischen uns wird nicht vollkommen sein. Darum muß allen deinen Werken die freiwillige Hingebung deiner selbst in Gottes Hände voran-gehen, wenn du Freiheit und Gnade erlangen willst. Denn deßwegen werden so Wenige innerlich erleuchtet und frei, weil sie sich selbst nicht gänzlich zu ver-läugnen wissen. Aber fest bleibt mein Wort: „Dafern nicht Einer Allem absagt, kann er mein Jünger nicht sein.“ (Luc. 14,26.33.) Willst du also mein Jünger sein, so bringe dich selbst mit allen deinen Neigungen mir zum Opfer dar.
Kapitel 9 - Daß wir uns und all das Unsrige Gott opfern und für Alle beten sollen.
Stimme des Jüngers.
1. Herr, Alles ist dein, was im Himmel und was auf Erden ist. – Ich verlange mich selbst dir zum freiwilligen Opfer hinzugeben und ewiglich dein zu bleiben. Herr, in Einfalt meines Herzens bringe ich dir heute mich selbst zum beständigen Dienst, zum Gehorsam und Opfer unvergänglichen Lobes dar. Nimm mich an mit diesem heiligen Opfer deines kostbaren Leibes, welchen ich dir heute in Gegenwart der Engel, die unsichtbar Theil nehmen, darbringe, auf daß es mir und deinem ganzen Volk zum Heile sei.
2. Herr, ich opfere dir alle meine Sünden und Uebertretungen, die ich begangen habe vor dir und deinen heiligen Engeln von dem Tage an, da ich zuerst sündigen konnte, bis auf diese Stunde, auf deinem Sühnaltar: damit du sie alle miteinander anzündest und verbrennest mit dem Feuer deine Liebe, und alle Flecken meiner Sünden tilgest und mein Gewissen von aller Schuld reinigest, und mir deine Gnade wieder verleihst, die ich durch Sündigen verloren habe; auch mir Alles völlig vergibst und mich nach deiner Barmherzigkeit zum Kusse des Friedens wieder annimmst.
3. Was kann ich thun für meine Sünden, als sie demüthig bekennen und beweinen, und deine Erbarmung ohne Unterlaß anflehen? Ich flehe dich an, erhöre mich gnädiglich, da ich vor die stehe, mein Gott! Alle meine Sünden mißfallen mir sehr; ich will sie niemals wieder begehen; sondern sie sind mir leid, und werden mir leid sein, so lange ich lebe; ich bin bereit zur Buße und will genugthun, so viel ich vermag. Vergib mir, o Gott, vergib mir meine Sünden, um deines heiligen Namens willen; rette meine Seele, die du mit deinem theuren Blute erlöset hast. Siehe, ich vertraue mich deiner Barmherzigkeit, ich befehle mich in deine Hände. Handle mit mir nach deiner Güte, nicht nach meiner Bosheit und Ungerechtigkeit. Ich bringe dir auch zum Opfer dar alles Gute, das in mir ist, so wenig und unvollkommen es sein mag, daß du es reinigest und heiligest, daß du es gnädig aufnimmst und dir wohlgefällig machest und immer mehr zum Besseren kehrest; auch mich trägen unnützen Knecht zu einem seligen und löblichen Ende führest.
4. Ich opfere dir auch alle frommen Wünsche der Gottseligen, die Anliegen meiner Eltern, Freunde, Brüder, Schwestern und all meiner Lieben, die mir oder jenen aus Liebe zu Dir wohlgethan; auch derer, welche für sich und all die Ihrigen Gebete und Messen von mir gewünscht und verlangt haben, mögen sie noch im Fleische leben oder bereits aus der Zeitlichkeit geschieden sein; damit Alle an sich erfahren den Beistand deiner Gnade, die Hilfe deines Trostes, Schutz in Gefahren, Befreiung von Strafen und damit sie, allen Uebeln entrissen, dir mit Freude den herzlichsten Dank sagen mögen.
5. Ich bringe dir auch dar Gebete und Sühnopfer, insonderheit für jene, die mich auf irgend eine Weise beleidigt, betrübt oder geschmäht oder mir irgend einen Schaden oder eine Kränkung zugefügt haben; deßgleichen auch für alle diejenigen, welche ich jemals mit Worten oder Werken, wissentlich oder un-wissentlich betrübt, beunruhigt, gedrückt und geärgert habe, daß du uns allen auf gleiche Weise unsere Sünden und gegenseitigen Beleidigungen verzeihen wollest. Nimm, Herr, hinweg von unsern Herzen allen Argwohn, Unwillen, Zorn und Hader, und was immer die Liebe verletzen und die brüderliche Eintracht stören kann. Erbarme, erbarme dich, Herr, Aller, die deine Barmherzigkeit anflehen, gib Gnade den Bedürftigen und laß uns so leben, daß wir würdig werden, deine Gnade zu genießen und zum ewigen Leben gelangen.
Kapitel 10 - Daß man sich nicht so leicht von der heiligen Kommunion zurückhalten lassen soll.
Stimme des Geliebten.
1. Oft mußt du hineilen zum Quell der Gnade und göttlichen Barmherzigkeit, zum Quell der Güte und aller Lauterkeit, wofern du von deinen Leidenschaften und Fehlern geheilt und gegen alle Versuchungen und Fallstricke des Teufels stärker und wachsamer werden willst. Aber eben deßhalb suchet der Feind, der wohl weiß, welche Frucht und kräftige Arznei in der heiligen Kommunion liegt, auf alle Weise und bei jeder Gelegenheit die Gläubigen und Andächtigen, so viel er vermag, zurückzuhalten und zu hindern.
2. Denn Manche leiden, wenn sie sich zur heiligen Kommunion würdig vorbe-reiten wollen, die schlimmsten Eingebungen und Vorspiegelungen des Satans. Der böse Geist selbst kommt, wie bei Joh. (1,6.) geschrieben steht, unter die Kinder Gottes, um sie mit seiner gewohnten Bosheit in Unruhe zu bringen, oder allzu furchtsam und verstört zu machen; insofern er ihre Andacht schwächt, oder durch seine Angriffe ihren Glauben erschüttert, ob sie etwa das heilige Abend-mahl ganz unterlassen oder nur mit Lauheit dazu gehen möchten. Aber man muß sich um seine listigen Anschläge und Vorspiegelungen, so schändlich und schreckhaft sie immer sein mögen, nichts kümmern, sondern alle Gaukeleien auf sein Haupt zurückweisen. Verachten muß man den Elenden und verlachen, aber ungeachtet seiner Anfälle und der Aufregungen, die er verursacht, die heilige Kommunion nicht unterlassen.
3. Oft hindert auch die allzugroße Sorge um Andacht, die man haben möchte und eine gewisse Aengstlichkeit wegen der abzulegenden Beichte. Handle du hierbei nach dem Rathe der Weisen und entschlage dich der Aengstlichkeit und der Zweifel; weil beides die Gnade Gottes hindert und die Andacht des Herzens zerstört. Wegen einer geringen Unruhe oder Beschwerung darfst du die heilige Kommunion nicht unterlassen, sondern gehe um so schneller zur Beichte und verzeihe Andern gern alle Beleidigungen. Wenn du aber Jemanden beleidigt hast, so bitte demüthig um Verzeihung und Gott wird auch dir gerne verzeihen.
4. Was nützt es, die Beichte lange zu verzögern, oder das heilige Abendmahl hinauszuschieben? Reinige dich, sobald als möglich, stoße das Gift schnell aus, eile, die Arznei zu nehmen; und du wirst dich besser fühlen, als wenn du lange zögerst. Wenn du dich heute von irgend einem Hinderniß abhalten lässest, so wird sich dir morgen vielleicht ein größeres in den Weg stellen; und auf diese Weise könntest du lange an der Kommunion gehindert und immer untüchtiger dazu werden. Entreiße dich also, je schneller du kannst, der gegenwärtigen Beklommenheit und Trägheit; denn es frommt nicht, sich lange abzuängstigen, lange in Unruhe zu bleiben und wegen täglicher Hindernisse sich von dem Göttlichen abhalten zu lassen. Ja, es schadet sehr viel, lange die Kommunion aufzuschieben; denn das zieht gewöhnlich eine große Erschlaffung nach sich. Leider gibt es laue und leichtsinnige Menschen, die jeden Aufschub der Beichte gern sehen und die heilige Kommunion deßwegen aufzuschieben wünschen, damit sie nicht zu größerer Wachsamkeit über sich selbst gezwungen werden.
5. Ach wie wenig Liebe und wie schwache Andacht haben die, welche die heil. Kommunion so leicht hintansetzen! Wie selig dagegen und Gott wohlgefällig ist der, welcher so lebt und sein Gewissen in solcher Reinheit bewahrt, daß er sogar an jedem Tag zu kommunizieren bereit und würdig wäre, wenn er es dürfte und ohne Anstoß thun könnte. Wenn Jemand bisweilen aus Demuth sich enthält, oder eines gütigen Hindernisses wegen; so ist er zu loben um seiner Ehrfurcht willen. Wenn aber Trägheit sich eingeschlichen hat, so muß er sich selbst ermuntern und thun, was an ihm ist, und der Herr wird sein Verlangen erfüllen wegen des guten Willens, den Er besonders ansieht.
6. Wird indessen Jemand aus triftigen Gründen davon abgehalten, so muß er doch immer einen guten Willen haben und die fromme Absicht, zum Tische des Herrn zu gehen und so wird er die Frucht des Sakraments nicht entbehren. Denn jeder Andächtige kann das geistliche Abendmahl Christi an jedem Tage und zu jeder Stunde mit Segen und ohne Hinderniß genießen; dessen ungeachtet muß er an gewissen Tagen und zur bestimmten Stunde den Leib seines Erlösers auch im Sakrament mit inniger Liebe und Ehrfurcht empfangen und dabei mehr Gottes Lob und Ehre, als seinen eigenen Trost suchen. Denn so oft empfängt der Christ das geistliche Abendmahl und wird dadurch auf unsichtbare Art erquickt, als er das Geheimniß der Menschwerdung und das Leiden Christi mit Andacht betrach-tet und dadurch zu inniger Liebe gegen ihn entzündet wird.
7. Wer sich aber sonst nie vorbereitet, außer wenn ein Fest bevorsteht, oder wenn die Gewohnheit ihn treibt, der wird gar oft unvorbereitet sein. Selig, wer sich dem Herrn als ein Opfer darbringt, so oft er die Messe feiert oder kommu-niziert. Bei der Feier der Messe sei nicht zu langsam oder zu eilig, sondern beobachte die gute, allgemeine Weise derer, mit denen du lebst. Auch sollst du Andern dabei weder Beschwerniß noch Ekel machen, sondern den gemeinen Weg gehen nach Anordnung der Vorfahren; und mehr dem Nutzen Anderer dienen, als der eigenen Andacht oder Neigung.