Das erste Capitel.
Was das Vollkommene sei und die Teile, und wie man die Teile ablegt, wenn das Vollkommene kommt.
Sankt Paulus spricht also „wenn das Vollkommene kommt, so vernichtet man das Unvollkommene und das Geteilte.“ Nun merke. Was ist das Vollkommene und das Geteilte? Das Vollkommene ist ein Wesen, das in sich und in seinem Wesen alle Wesen begriffen und beschlossen hat, und ohne das und außer dem kein wahres Wesen ist und in dem alle Dinge ihr Wesen haben: denn es ist aller Dinge Wesen und ist in sich selber unwandelbar und unbeweglich, und verwandelt und bewegt alle andere Dinge. Aber das Geteilte oder das Unvoll-kommene ist das, was aus diesem Vollkommenen entsprungen ist oder wird, recht wie ein Glanz oder ein Schein, der da ausfließt aus der Sonne oder aus einem Lichte und scheint etwas, dies oder das. Und das heißt Kreatur, und dieser Geteilten aller ist keines das Vollkommene. Also ist auch das Vollkommene der Geteilten keins. Die Geteilten sind begreiflich, erkennbar und aussprechlich; aber das Vollkommene ist allen Kreaturen als Kreaturen unbegreiflich, unaus-sprechlich und unerkennbar in dem als Kreatur. Darum nennt man das Vollkommene nicht, denn es ist dieser keines. Die Kreatur als Kreatur mag dieses nicht erkennen noch begreifen, nennen noch denken. Wenn nun das Vollkommene kommt, so verschmäht man das Geteilte. Wann kommt es aber? Ich spreche: wenn es sofern es möglich ist erkannt, empfunden und geschmeckt wird in der Seele, denn der Mangel liegt gänzlich in uns und nicht in ihm. Denn gleichwie die Sonne die ganze Welt erleuchtet und dem Einen ebenso nahe ist als dem Andern, so sieht sie doch kein Blinder nicht. Aber das ist kein Gebrechen der Sonne, sondern des Blinden. Und gleichwie die Sonne ihren klaren Schein nicht verbergen kann, sondern die Welt erleuchten muß (wenn anders der Himmel geläutert und gereinigt ist), also will sich auch Gott, Der das höchste Gut ist, vor Niemand verbergen, wo ER anders eine andächtige Seele findet, die da gänzlich gereinigt ist von allen Kreaturen. Denn so viel wir uns frei machen von den Kreaturen, so viel werden wir empfänglich des Schöpfers, und dessen weder minder noch mehr. Denn soll mein Auge etwas sehen, so muß es gereinigt werden oder sein von allen andern Dingen; denn soll Hitze und Licht eingehen, so muß nothwendig Kälte und Finsternis hinausgehen: das kann nicht anders sein. Nun möchte man sprechen: seit es nun unerkenntlich und unbegreiflich ist von allen Kreaturen und die Seele nun eine Kreatur ist, wie mag es dann in der Seele erkannt werden? Antwort: darum spricht man: in dem als Kreatur. Das heißt so viel als alle Kreatur nach ihrer Kreatürlichkeit und Geschaffenheit; denn von ihrer Ichheit und Selbstheit ist es unmöglich. Denn in welcher Kreatur dies Vollkommene erkannt werden soll, da muß Kreatürlichkeit, Geschaffenheit, Ichheit, Selbstheit und dergleichen alles verloren und zu nichte werden. Dies meint das Wort St. Paulus „wenn das Vollkommene kommt (das ist: wenn es erkannt wird), so wird das Geteilte (das ist: Kreatürlichkeit, Geschaffenheit, Ichheit, Selbstheit, Meinheit) alles verschmäht und für nichts gehalten“. Alldieweil man von diesen etwas hält und daran hängt mit Liebe, Freude, Lust oder Begierde, so bleibt uns das Vollkommene unerkannt. Nun möchte man auch sprechen: du sprichst, außerhalb diesem Vollkommenen sei kein Wesen, und sprichst doch, aus ihm fließe etwas: was nun ausgeflossen ist, das ist außerhalb ihm? Antwort: darum spricht man, außerhalb ihm oder ohne es ist kein wahres Wesen. Was nun ausgeflossen ist, das ist kein wahres Wesen und hat kein Wesen anders denn in dem Vollkommenen, sondern es ist ein Zufall oder ein Glanz und ein Schein, der kein Wesen ist oder kein Wesen hat anders als in dem Feuer, wo der Glanz ausfließt, oder in der Sonne oder in einem Lichte.
Das zweite Capitel.
Was da Sünde sei und wie man sich keines Gutes soll annehmen, weil es allein dem wahren Gute zugehört.
Die Schrift spricht und der Glaube und die Wahrheit: Sünde sei nichts anders, denn daß sich die Kreatur abkehrt von dem unwandelbaren Gute und kehret sich zu dem wandelbaren, das ist: daß sie sich kehrt von dem Vollkommenen zu dem Geteilten und Unvollkommenen und allermeist zu sich selber. Nun merke. Wenn sich die Kreatur etwas Gutes annimmt, als Wesens, Lebens, Wissens, Erkennens, Vermögens und kürzlich alles dessen, das man gut nennen soll, und meint, daß sie das sei oder daß es das Ihre sei oder ihr zugehöre oder daß es von ihr sei: so oft und viel das geschieht, so kehrt sie sich ab. Was that der Teufel anders oder was war sein Fall oder Abkehren anders, denn daß er sich annahm, er wäre auch etwas und etwas wäre sein und ihm gehörte auch etwas zu? Dies Annehmen und sein Ich und sein Mich, sein Mir und sein Mein, das war sein Abkehren und sein Fall. Also ist es noch.
Das dritte Capitel.
Wie des Menschen Fall und Abkehr muß gebessert werden wie Adams Fall.
Was that Adam anders denn auch dasselbe? Man spricht: darum, daß Adam den Apfel aß, wäre er verloren oder gefallen. Ich spreche: es war wegen seinem Annehmen und seinem Ich, seinem Mich, seinem Mein und seinem Mir und dergleichen. Hätte er sieben Aepfel gegessen und wäre das Annehmen nicht gewesen, er wäre nicht gefallen. Aber da das Annehmen geschah, da war er gefallen und hätt’ er nie einen Apfel gegessen. Wohlan! ich bin hundertmal öfter und tiefer gefallen und weiter abgekehrt denn Adam, und Adams Fall und sein Abkehren möchten alle Menschen nicht bessern und wiederherstellen. Aber wie soll mein Fall gebessert werden? Er muß gebessert werden wie Adams Fall und von demselben, von dem Adams Fall gebessert ward, und in derselben Weise. Von wem und in welcher Weise geschah diese Besserung? Der Mensch vermöchte nichts ohne Gott, und Gott sollte nichts ohne Menschen. Darum nahm Gott menschliche Natur oder die Menschheit an Sich und ward vermenscht und der Mensch ward vergottet. Da geschah die Besserung. Also muß auch mein Fall gebessert werden. Ich vermag es nicht ohne Gott und Gott soll oder will nicht ohne mich: denn soll es geschehen, so muß Gott auch in mir vermenscht werden, also, daß Gott an Sich nehme alles das, was in mir ist, von innen und von außen, daß nichts in mir sei, das Gott widerstrebe oder Seine Werke hindere. Wenn Gott alle Menschen an Sich nähme, die da sind und je waren, und in ihnen vermenscht würde und sie in Ihm vergottet, und geschähe es nicht auch an mir, so würden mein Fall und mein Abkehren nimmer gebessert, es geschähe denn auch in mir. Und in dieser Wiederherstellung und Besserung kann und mag und soll ich nichts dazu thun als ein bloßes lauteres Leiden, also daß Gott allein alle Dinge in mir thue und wirke und ich leide Ihn und alle Seine Werke und Seinen göttlichen Willen. Aber so ich das nicht leiden will, sondern mich besitze mit Eigenschaft, d. i. mit Mein und Ich, Mir, Mich und desgleichen, das hindert Gott, daß er nicht lauterlich allein und ohne alles Hindernis in mir Sein Werk wirken kann. Darum so bleibt auch mein Fall und mein Abkehren ungebessert. Sieh, dies thut alles mein Annehmen.
Das vierte Capitel.
Wie der Mensch durch sein Annehmen, daß er sich etwas Gutes annimmt, thut einen Fall und greift Gott in Seine Ehre.
GOtt spricht „Ich will Meine Ehre Niemanden geben.“ Da meint ER mit, daß Lob, Ehre und Würde Niemand zugehöre denn Gott allein. Wenn ich mich nun etwas Gutes annehme, also daß ich es sei oder vermöge oder wisse oder thue oder daß es mein sei oder vermöge oder daß es mir zugehöre oder mir gebühre und desgleichen, so viel und oft ich das thue, so nehme ich mich auch etwas Ruhmes oder Ehre an und thue da zwei Übel. Zum ersten thu’ ich einen Fall und ein Abkehren, wie vor gesprochen ist. Zum zweiten greife ich Gott in Seine Ehre und nehme mich dessen an, das Gott allein zugehört. Denn alles das, was man für gut hält oder gut nennen soll, das gehört Niemand zu, denn allein dem ewigen wahren Gut, der Gott allein ist, und wer sich dessen annimmt, der thut unrecht und wider Gott.
Das fünfte Capitel.
Wie man das verstehen soll, daß man weislos, willenlos, lieblos, begierdelos, erkennlos und desgleichen werden soll.
Etliche Menschen die sprechen, man solle weislos, willenlos, lieblos, begierdelos, erkennlos und desgleichen werden. Das ist nicht so zu verstehen, daß in dem Menschen keine Erkenntnis sein soll und daß Gott in ihm nicht geliebt, gewollt und begehrt werde und gelobt oder geehrt werde, denn das wäre gar ein großes Gebrechen, und der Mensch wäre gleich dem Vieh und wie ein unvernünftiges Tier: sondern es soll davon kommen, daß des Menschen Erkenntnis also gar lauter und vollkommen sei, daß er eigentlich in der Wahrheit bekenne, daß er von sich selber nichts Gutes habe und vermöge, und daß alle seine Erkenntnis, Weisheit und Kunst, sein Wille, Liebe und gute Werke von ihm nicht kommen und auch nicht des Menschen sind noch einer Kreatur, sondern daß es Alles des ewigen Gottes ist, von dem es Alles kommt, als Christus selber spricht „ihr möget ohne Mich nichts Gutes thun.“ Es spricht auch Sankt Paulus „was hast du Gutes, das du nicht von Gott genommen hast?“ als ob er spräche: nichts. Wenn du nun alle Dinge von Gott empfangen hast, was rühmest du dich denn, als ob du es nicht genommen hättest? Er spricht auch weiter „wir mögen von uns selbst nichts Gutes gedenken, sondern unsere Vollkommenheit ist von Gott.“ So nun der Mensch diese Dinge eigentlich in sich erkennt, so geht er und die Kreatur hinweg und nimmt sich nichts an, und wenn man sich der Dinge je minder annimmt, so sie je vollkommener werden. Also ist es auch um den Willen und die Liebe und um die Begehrung desgleichen; denn so man sich dieser Dinge je minder annimmt, so werden sie je vollkommener, edler und göttlicher; und so man sich ihrer je mehr annimmt, so werden sie je gröber, vermengter und unvollkommener. Sieh, also soll man aller Dinge ledig und los werden, das ist des Annehmens. Wenn man dann der Dinge los wird, das ist die beste, vollkommenste, lauterste und edelste Erkenntnis, die in dem Menschen immer sein kann, und auch die alleredelste und lauterste Liebe, Wille und Begehrung: denn dies ist dann alles Gottes allein. Es ist viel besser, es sei Gottes denn der Kreatur. Daß ich mich nun etwas Gutes annehme, also daß ich es sei, daß ich es gethan habe, daß ich es wisse, könne und vermöge oder daß es mein sei, das kommt alles von Gebrechen und Torheit. Denn wäre die rechte Wahrheit in mir erkannt, so würde auch erkannt, daß ich es nicht bin oder daß es nicht mein ist und von mir nicht ist und daß ich davon nichts weiß und es nicht kann oder vermag und desgleichen. Wenn dies geschähe, so fiele das Annehmen von selbst weg. Es ist besser, Gott werde erkannt oder das Seine, so viel es nur möglich ist, und geliebt, gelobt und geehrt und desgleichen und daß auch der Mensch wähne, er lobe oder liebe Gott, denn daß Gott zumal ungelobt, ungeliebt, ungeehrt und unerkannt wäre. Denn so der Wahn und die Unwissenheit zu einem Wissen und Erkenntnis der Wahrheit wird, so fällt das Annehmen von selbst ab. So spricht dann der Mensch: sieh, ich armer Tor, ich meinte ich wäre es: nun war und ist es wahrlich Gott.
Das sechste Capitel.
Wie man das Beste und das Edelste am meisten lieben soll allein darum, weil es das Beste ist.
Ein Meister, Boethius genannt, der spricht: daß wir nicht das Beste lieb haben, das kommt von Gebrechen. Er hat wahr gesagt: das Beste soll das Liebste sein, und in dieser Liebe sollte nicht angesehen werden Nutz oder Unnutz, Frommen oder Schaden, Gewinn oder Verlust, Ehre oder Unehre, Lob oder Unlob oder dieser eins, sondern was in der Wahrheit das Edelste und das Beste ist, das sollte auch das Allerliebste sein und wegen nichts anderm denn allein deshalb, weil es das Beste und das Edelste ist. Hiernach möchte ein Mensch sein Leben richten von außen und von innen. Von außen: denn unter den Kreaturen ist Eins besser denn das Andere, je nach dem das ewige Gut in Einem mehr oder minder scheinet und wirket denn in dem Anderen. In welchem nun das ewige Gut allermeist scheinet, leuchtet, wirket und erkannt und geliebet wird, das ist auch das Beste unter den Kreaturen, und in welchem dies am allermindesten ist, das ist auch das allermindeste Gut. So nun der Mensch die Kreatur behandelt und damit umgeht, und diesen Unterschied erkennt, so soll ihm je die beste Kreatur die liebste sein und soll sich mit Fleiß zu ihr halten und sich mit ihr vereinigen, und allermeist mit denen, die man Gott zueignet, also daß sie Gott zugehören oder göttlich sind, als Weisheit, Wahrheit, Güte, Friede, Liebe und Gerechtigkeit und desgleichen. Darnach soll sich nun der äußere Mensch richten und was dieser Tugend zuwider ist, das soll man Alles verschmähen und fliehen. Aber so der innere Mensch einen Übersprung thäte und spränge in das Vollkommene, so fände man und schmeckte, daß das Vollkommene ohne alles Maß, ohn’ Ende und ohne Zahl edler und besser ist denn alles Unvollkommene und Geteilte und das Ewige über das Zeitliche oder Vergängliche und der Brunnen oder Ursprung über alles das, welches daraus fließt oder immer fließen kann. Also würde das Unvollkommene und die Teile geschmacklos und vernichtet. Das wisse: soll das Edelste, das Höchste und das Beste das Liebste sein, so muß das geschehen.
Das siebente Capitel.
Von zweien geistlichen Augen, mit denen der Mensch sieht in die Ewigkeit und in die Zeit, und wie eins von dem andern gehindert wird.
Man soll merken, daß man lieset und spricht, die Seele Christi hätte zwei Augen, ein rechtes und ein linkes Auge. Im Anfang, da sie geschaffen ward, da kehrte sie das rechte Auge in die Ewigkeit und in die Gottheit, und stund da in vollkommenem Gebrauchen und in Beschauung göttlichen Wesens und ewiger Vollkommenheit unbeweglich und blieb da unbewegt und ungehindert von allen den Zufällen und Arbeiten, Leiden, Marter und Pein, die in dem äußeren Menschen je geschahen. Aber mit dem linken Auge sah sie in die Kreaturen und erkannte da alle Dinge und nahm da Unterschied in den Kreaturen, was da besser oder böser, edler oder unedler wäre, und danach ward der äußere Mensch Christi gerichtet. Also stund der innere Mensch Christi nach dem rechten Auge der Seele in vollkommenem Gebrauchen göttlicher Natur, in vollkommener Wonne, Freude und in ewigem Frieden. Aber der äußere Mensch und das linke Auge der Seele Christi stund mit ihm in vollkommenem Leiden, in aller Trübsal, Jammer und Arbeit, und dies geschah also, daß das inwendige und das rechte Auge unbewegt, ungehindert und unberührt blieb von aller der Arbeit, Leiden, Schmerzen und Marter, das in dem äußeren Menschen je geschah. Man spricht, da Christus an der Säule gegeißelt ward und da ER an dem Kreuze hing nach dem äußeren Menschen, da stund die Seele oder der innere Mensch nach dem rechten Auge in also vollkommenem Gebrauchen göttlicher Freude und Wonne, als ER hatte nach Seiner Himmelfahrt oder als ER jetzund hat. So ward auch der äußere Mensch oder die Seele nach dem linken Auge in ihren Werken an allem dem, was ihr zugehört zu der Auswendigkeit, nie gehindert, betrübt oder bekümmert von dem inwendigen Auge: keines achtete auf das andere. Nun hat die geschaffene Seele des Menschen auch zwei Augen. Das eine ist die Möglichkeit zu sehen in die Ewigkeit, das andere zu sehen in die Zeit und in die Kreatur, darin Unterschied zu erkennen, wie früher gesprochen ist, und dem Leib Leben und Notdurft zu geben und den zu richten und zu regieren nach dem Allerbesten. Aber diese zwei Augen der Seele des Menschen mögen nicht zugleich mit einander ihr Werk üben, sondern soll die Seele mit dem rechten Auge in die Ewigkeit sehen, so muß sich das linke Auge aller seiner Werke entziehen und entschlagen und muß sich halten gleich, als ob es tot sei. Soll dann das linke Auge sein Werk üben nach der Auswendigkeit, das ist die Zeit und die Kreatur handeln, so muß auch das rechte Auge gehindert werden an seinen Werken, das ist an seiner Beschauung. Darum wer Eines haben will, der muß das Andere fahren lassen, denn es mag Niemand zweien Herren dienen.
Das achte Capitel.
Wie die Seele des Menschen, dieweil sie noch im dem Leibe ist, einen Vorschmack ewiger Seligkeit empfangen mag.
Man fragt, ob es möglich sei, daß die Seele, dieweil sie in dem Leibe ist, möge dazu kommen, daß sie thue einen Blick in die Ewigkeit und da empfange einen Vorschmack des ewigen Lebens und ewiger Seligkeit? Man spricht gemeiniglich nein darzu und das ist wahr in dem Sinn: alldieweil die Seele ein Aufsehen hat auf den Leib und auf die Dinge, die dem Leibe dienen und zugehören, und auf die Zeit und auf die Kreatur und sich damit verbildet, bekümmert und vermannigfaltigt, also lange das geschieht, so mag jenes nicht sein. Denn soll die Seele dahin kommen, so muß sie ganz lauter, ledig und blos sein von allen Bildern und muß auch gänzlich abgeschieden sein von allen Kreaturen und zu allererst von sich selber. Und dies meinen viele Menschen, es könnte nicht geschehen und sei unmöglich in dieser Zeit. Aber Sanct Dionysius der will, es sei möglich; das vernimmt man aus seinen Worten, die er schreibt zu Timotheo, da er also spricht: zu dem Anschauen göttlicher Heimlichkeit sollst du aufgeben lassen Sinne und Sinnlichkeit und Alles, was Sinne begreifen mögen und Vernunft vernünftig wirken kann, und alles das, was die Vernunft begreifen und erkennen kann, geschaffen und ungeschaffen, und stehe allein auf einem Ausgang deiner selbst und in einem Nichtwissen alles dieses Vorgesprochenen und komm’ in die Einigung dessen, das da ist über alles Wesen und Erkenntnis. Hielte er nun dieses nicht für möglich in der Zeit, warum lehrte er’s oder redete es zu einem Menschen in dieser Zeit? Auch soll man wissen, daß ein Meister spricht über Sanct Dionysius Wort, daß es möglich sei und daß es auch einem Menschen so oft geschehe, daß er daran also gewöhnet wird, daß er dahin luget so oft er will. Wenn dann diesem ein Ding zuerst fast schwer ist und fremd und ihn ganz unmöglich dünkt, thut er dann allen seinen Fleiß und Ernst dazu und beharrt darin, so wird ihm darnach gar leicht und ring, das ihm vorher unmöglich däuchte, denn es taugt kein Anfang, er habe denn ein gutes Ende. Und dieser edlen Blicke ist keiner, der sei besser, würdiger, höher und Gott lieber all Alles das, das alle Kreaturen leisten können als Kreatur. Sobald dann der Mensch wieder einkehrt mit seinem Gemüte und mit ganzem Willen und seinen Geist kehrt in Gottes Geist über die Zeit, so wird das Alles wiedergebracht in einem Augenblick, das früher verloren war. Und möchte das der Mensch zu tausendmalen an dem Tage thun, so würde da allzeit eine neue wahre Vereinigung; und in diesem lieblichen und göttlichen Werke ist die wahrste und lauterste Vereinigung, die in dieser Zeit immer sein kann. Denn wer hiezu kommt, der frägt nicht weiter, denn er hat gefunden das Himmelreich und das ewige Leben auf Erden.
Das neunte Capitel.
Wie dem Menschen nützlicher und besser sei, daß er eben wahrnehme, was Gott mit ihm wirken wolle oder wozu ihn Gott nützen will, denn daß er wüßte, was Gott mit allen Kreaturen je gewirket hat oder immer wirken will, und wie Seligkeit allein liegt an Gott und an keinen Werken und auch nicht an den Kreaturen.
Man soll merken und wissen in ganzer Wahrheit, daß alle Tugend und Güte und auch das ewige Gut, das Gott selber ist, den Menschen nimmer tugendsam, gut oder selig machen, dieweil er auswendig der Seele ist, das ist, dieweil er mit seinen Sinnen und Vernunft auswendig umgeht und nicht in sich kehrt und lernt erkennen sein eigenes Leben, wer und was er sei. In gleicher Weise ist es auch um die Sünde und Bosheit. Denn alle Sünde und Bosheit machen uns nimmer bös, dieweil sie auswendig sind, das ist: dieweil sie von uns nicht vollbracht werden und so lange wir nicht darein willigen. Darum, wiewohl es nützlich und gut ist, daß man fraget und erfährt und auch erkannt wird, was gute und heilige Menschen gethan oder gelitten haben und auch was Gott in ihnen und durch sie gewirkt habe und gewollt, so wäre es doch tausendmal besser, daß der Mensch in sich erführe, lernte und erkennte, wie und was sein eigenes Leben wäre und auch was Gott in ihm wäre und in ihm wirkte und was ER von ihm haben wollte und wozu Gott ihn nützen wollte oder nicht. Denn wer sich selbst eigentlich wohl erkennt in der Wahrheit, das ist über alle Kunst, denn es ist die höchste Kunst; wenn du dich selbst wohl erkennst, so bist du vor Gott besser und löblicher, als wenn du dich nicht erkenntest, und erkenntest den Lauf der Himmel und aller Planeten und Sterne und auch aller Kräuter Kraft und alle Complexion und Neigung aller Menschen und die Natur aller Tiere und hättest auch darin alle die Kunst aller Derer, die im Himmel und auf Erden sind. Denn man spricht, es sei eine Stimme vom Himmel gekommen „Mensch, erkenne dich selbst.“ Darum ist es noch wahr, daß man spricht: es ward ein Ausgang nie so gut, ein Inbleiben wäre besser. Auch ist zu wissen, daß ewige Seligkeit an Einem allein liegt und an nichts anderem. Und soll anders der Mensch oder die Seele je selig sein oder werden, so will und muß das Eine allein in der Seele sein. Nun möchte man fragen: was ist aber dieses Eine? Ich spreche: es ist gut oder gut geworden, und doch weder dies Gut noch das, das man nennen, erkennen oder zeigen kann, sondern es ist Alles und über Alles. Auch darf das nicht in die Seele kommen, denn es ist bereits darin, es ist aber unerkannt. Wenn man spricht, man soll dazu kommen oder es soll in die Seele kommen, das ist so viel: man soll es suchen, empfinden und schmecken. Und weil es nun Ein ist, so ist auch besser Einigkeit und Einfachheit, denn Mannigfaltigkeit. Denn Seligkeit liegt nicht an Viel oder Vielheit, sondern an Ein und Einigkeit. Auch liegt Seligkeit, kürzlich zu sprechen, an keiner Kreatur oder an Kreaturen Werk, sondern es liegt allein an Gott und an Seinen Werken. Darum sollte ich allein auf Gott und Sein Werk achten und alle Kreatur mit ihren Werken lassen, und zu allererst mich selber; auch alle die Werke und Wunder, die Gott je gewirkt hat oder immer mehr wirken kann in oder durch alle Kreaturen oder auch Gott selber mit aller Seiner Güte, sofern es außerhalb mir ist und geschieht, so macht es mich nimmer selig, sondern nur so viel es in mir ist und in mir geschieht, geliebt, erkannt, geschmeckt und empfunden wird.
Das zehnte Capitel.
Wie die vollkommenen Menschen anders nichts begehren, als daß sie dem ewigen Gute möchten sein als dem Menschen seine Hand ist, und wie sie verloren haben Furcht der Hölle und Begehrung des Himmelreichs.
Nun soll man merken. Wo erleuchtete Menschen sind mit dem wahren Lichte, die erkennen, daß Alles, das sie begehren oder erwählen mögen, nichts ist gegen dem, das von allen Kreaturen, als Kreatur, je begehrt oder erwählt oder erkannt ward. Darum so lassen sie alle Begehrung und Erwählung und befehlen und lassen sich und alle Dinge dem ewigen Gute. Dennoch bleibt in ihnen eine Begehrung, ihnen selbst zu einer Förderung und Annäherung zu dem ewigen Gut, das ist: zu einer näheren Erkenntnis und hitziger Liebe und klarer Behaglichkeit und ganzem Gehorsam und Unterthänigkeit, also daß ein jeglicher erleuchteter Mensch sprechen mag: „ich wäre gern dem ewigen Gute, als dem Menschen seine eigene Hand ist,“ und fürchten allezeit, daß sie dem nicht genug seien, und begehren auch aller Menschen Seligkeit. Und dieser Begehrung stehen sie ganz ledig und nehmen sich ihrer nicht an, denn die Menschen erkennen wohl, daß diese Begehrung nicht des Menschen ist, sondern der ewigen Güte, denn Alles, das gut ist, dessen soll sich Niemand annehmen mit Eigenschaft, denn es gehört allein der ewigen Güte zu. Es stehen auch diese Menschen in einer Freiheit, also daß sie verloren haben Furcht der Pein oder Hölle und Hoffnung des Lohnes oder des Himmelreichs, vielmehr sie leben in lauterer Unterthänigkeit und Gehorsam der ewigen Güte, in ganzer Freiheit inbrünstiger Liebe. Das ist in Christo gewesen in Vollkommenheit und auch in Seinen Nachfolgern, in dem einen mehr und in dem andern minder. Es ist aber auch wohl zu erbarmen, daß uns das ewige Gut allzeit auf das Edelste weiset und reizet, und wir das nicht wollen. Was ist besser und edler, denn wahre Armut? und wenn uns das vorgehalten wird, so wollen wir dessen nicht und suchen allzeit uns und das unsere. Wir wollen allzeit haben, daß uns das Süße um den Schnabel gestrichen werde, so daß wir in uns großen Geschmack, Lust und Süßigkeit empfinden. Wenn uns das wird, so ist uns wohl und wir meinen, unsere Sache sei ganz in der Ordnung. Aber es ist noch gar weit zu einem vollkommenen Leben. Denn wenn uns Gott zu einem höheren will ziehen, das ist: in ein Darben und Entäußern des Unsern in Geist und Natur, und entzieht uns Seinen Trost und Süßigkeit, so ist uns wind und weh und können uns nirgend darein schicken und vergessen Gottes und lassen von unserer Übung und wähnen, wir seien ganz verloren. Das ist ein gar großes Gebrechen und ein böses Zeichen. Denn ein wahrer Liebhaber der hat Gott oder das ewige Gut gleich lieb in Haben und Darben, in Süßem als in Saurem, in Lieb und in Leid und desgleichen, denn er sucht allein die Ehre Gottes und des Seinen nichts, weder in Geist noch in Natur. Und darum so steht er allzeit gleich unbewegt in allen Dingen. Hierin merke sich ein jeglicher Mensch, wie er stehe gegen Gott seinen Schöpfer und HErren.
Das elfte Capitel.
Wie der gerechte Mensch in dieser Zeit in die Hölle wird gesetzt und kann darin nicht getröstet werden, und wie er aus der Hölle wird genommen und wird in das Himmelreich versetzt und kann darin nicht betrübt werden.
Christi Seele mußte in die Hölle, ehe denn sie zum Himmel kam. Also muß auch des Menschen Seele. Aber wie das geschehe, das merket. Wenn sich der Mensch selber in Wahrheit erkennt und merkt, wer und was er ist, und findet sich selber so gar schnöde, bös und unwürdig alles des Trostes und Gutes, das ihm von Gott und von den Kreaturen je geschehen ist oder kann, so kommt er in eine so tiefe Demut und Verschmähung seiner selbst, daß er sich unwürdig dünkt, daß ihn das Erdreich tragen soll, und meint auch, daß es billig sei, daß alle Kreaturen im Himmel und auf Erden wider ihn aufstehen und rächen an ihm ihren Schöpfer und ihm alles Leid anthun und ihn peinigen; dessen alles dünkt er sich würdig. Auch läßt er sich bedünken, daß er ewiglich verloren und verdammt solle sein und auch ein Fußschemel aller bösen Geister in der Hölle, und daß es recht und billig sei und daß dies Alles zu wenig sei gegen seinen Sünden, die er so gar oft und manigfaltig vollbracht hat wider Gott seinen Schöpfer. Und darum so will und mag er auch keinen Trost oder Erlösung begehren, weder von Gott noch von allen Kreaturen, die im Himmel und auf Erden sind, sondern er will ungetröstet und unerlöset sein und ihm ist nicht leid seine Verdammnis und Leiden, denn es ist billig und recht und ist nicht wider Gott, sondern es ist der Wille Gottes. Darum so ist es ihm lieb und ist ihm wohl damit. Ihm ist allein leid seine Schuld und Bosheit, denn die ist Unrecht und wider Gott und damit ist ihm weh und übel zu Mute. Dies ist und heißt wahre Reue um die Sünde. Und wer also in dieser Zeit in die Hölle kommt, der kommt nach dieser Zeit in das Himmelreich und gewinnt dessen einen Vorgeschmack, der übertrifft alle Lust und Freude, die in dieser Zeit von zeitlichen Dingen je ward oder immer werden kann. Und dieweil der Mensch also in der Hölle ist, so kann ihn Niemand trösten, weder Gott noch die Kreatur, wie geschrieben steht „in der Hölle ist keine Erlösung.“ Davon sprach ein Mensch „verderben, sterben, ich lebe ohne Trost: außen und innen bin ich verdammt, Niemand bitte, daß ich erlöset werde.“ Nun läßt Gott den Menschen nicht in dieser Hölle, sondern ER nimmt ihn zu Sich, also daß der Mensch nichts begehrt oder achtet denn allein des ewigen Gutes und erkennet, daß das ewige Gut so gar edel und übergut ist, daß seine Wonne, Trost und Freude, Friede, Ruhe und Genüge Niemand durchgründen noch aussprechen kann. Und wenn dann der Mensch nicht anders achtet, sucht noch begehrt, denn das ewige Gut allein und sich selber, noch des Seinen nichts sucht, sondern allein die Ehre Gottes, so wird Freude, Friede, Wonne, Ruhe und Trost und was dergleichen ist Alles dem Menschen zu Teil, und so ist dann der Mensch im Himmelreich. Diese Hölle und dieses Himmelreich sind zwei gute sichere Wege dem Menschen in dieser Zeit, und wohl ihm, der sie recht und wohl findet: denn diese Hölle vergeht und das Himmelreich besteht. Auch soll der Mensch merken, wenn er in dieser Hölle ist, so kann ihn nichts trösten und er kann nicht glauben, daß er immer erlöset oder getröstet werde. Aber wenn er in dem Himmelreich ist, so kann ihn nichts betrüben, er glaubt auch, daß ihn Niemand je beleidigen oder betrüben könne, wiewohl es möglich ist, daß er nach der Hölle mag getröstet und erlöset werden und nach diesem Himmelreich betrübt und ungetröstet. Auch kommt dem Menschen oft diese Hölle und dies Himmelreich, daß er nicht weiß, woher es kommt, und der Mensch kann aus sich selber nichts thun noch lassen, es komme oder fahre hinweg. Er kann sich selber deren keines geben oder nehmen, machen oder vertreiben, sondern wie geschrieben steht: „Der Geist geistet wo er will und du hörest Seine Stimme (das meint man in der Gegenwärtigkeit) aber du weißt nicht, woher ER kommt oder wohin ER geht.“ Und wenn der Mensch in dieser zweier Einem ist, so ist ihm gar recht und er kann in der Hölle so sicher sein als in dem Himmelreich; und alldieweil der Mensch in dieser Zeit ist, so kann er gar oft aus Einem in das Andere fallen, ja unter Tag und Nacht gar oft, und alles ohne sich selber. Wenn aber der Mensch in dieser keinem ist, so geht er mit den Kreaturen um und schwankt hin und her und weiß nicht, wo er daran ist. Darum so soll er dieser beider nimmer vergessen in seinem Herzen.
Das zwölfte Capitel.
Was rechter, wahrer innerlicher Friede sei, den Christus Seinen Jüngern zum Abschied gelassen hat.
Es sprechen viel Leute, sie haben nicht Frieden oder Ruhe, sie haben so viel Widerwärtigkeit und Anfechtung, Drucks und Leidens, daß sie nicht wissen, wie sie daraus kommen sollen. Der nun dies in Wahrheit will ansehen und merken, der erkennt wohl, daß wahrer Friede und Ruhe nicht liegt an äußerlichen Dingen. Denn wäre dem also, so hätte der Teufel auch Friede, wenn es ihm ginge nach seinem Willen und Wohlgefallen, das doch durchaus nicht ist. Denn der HErr spricht durch den Propheten „die Bösen und Ungetreuen haben keinen Frieden.“ Und darum sollen wir merken und genau wahrnehmen des Friedens, den Christus Seinen lieben Jüngern zum Abschied ließ, da ER sprach „Meinen Frieden lasse Ich euch, Meinen Frieden gebe Ich euch.“ In diesem Worte mag man wohl merken, daß Christus den leiblichen und äußerlichen Frieden nicht gemeint hat, denn die lieben Jünger und alle Liebhaber und Nachfolger Christi haben von Anbeginn große Trübsal, Verfolgung und Marter gelitten, wie Christus selber sprach „in dieser Zeit werdet ihr Bedrängnis haben.“ Aber Christus meint den wahren, innerlichen Frieden des Herzens, der hier anfängt und währt dort ewiglich. Darum spricht ER „nicht als ihn die Welt giebt“, denn die Welt ist falsch und betrügt in ihren Gaben: sie verheißt viel und hält wenig. Es lebt auch Niemand auf Erden, der immerfort Ruhe und Frieden habe, ohne Trübsal und Widerwärtigkeit, dem es allzeit gehe nach seinem Willen: es muß je hier gelitten sein, man kehre es wie man wolle. Und so man einer Anfechtung ledig wird, so kommen sehr leicht zwei andere an deren Statt. Darum so ergieb dich williglich darein und suche allein den wahren Frieden des Herzens, den dir Niemand nehmen mag, damit du alle Anfechtung überwindest. Darum meinte ER den innerlichen Frieden, der da durchbräche durch alle Anfechtung und Widerwärtigkeit, Druckes, Leidens, Elendes oder Schwachheit oder was desgleichen mehr ist, daß man darin fröhlich und geduldig wäre, wie die lieben Jünger und Nachfolger Christi gewesen sind. Wer nun mit Liebe allen seinen Fleiß und Ernst dazu thäte, der würde gar bald erkennen den wahren, ewigen Frieden, der Gott selber ist, nach Möglichkeit der Kreatur, also daß ihm süß würde das ihm vorher sauer war, und daß sein Herz unbewegt stünde allzeit in allen Dingen und daß er nach diesem Leben käme zu dem ewigen Frieden.
Das dreizehnte Capitel.
Wie der Mensch den Bildern zuweilen zu früh Urlaub giebt.
Es spricht der Tauler, es seien etliche Menschen in der Zeit, die den Bildern zu früh Urlaub geben, eh’ daß sie Wahrheit und Unterschied davon nehmen. Darum so können sie die rechte Wahrheit gar kaum oder vielleicht gar nicht begreifen. Denn solche Menschen die wollen Niemand folgen und bestehen aus ihrem eigenen Sinne und wollen fliegen eh’ sie Federn gewinnen. Sie wollen in Einem Zuge gen Himmel fahren, das doch Christus nicht that; denn nach Seiner Auferstehung blieb ER wohl vierzig Tage bei Seinen lieben Jüngern. Es mag Niemand in Einem Tage vollkommen werden. Der Mensch soll sich zuerst seiner selbst ganz verleugnen und alle Dinge williglich durch Gott lassen und soll seinen eigenen Willen und alle natürliche Neigung aufgeben und sich gänzlich läutern und reinigen von allen Untugenden und Sünden. Darnach soll man demütiglich auf sich nehmen das Kreuz und soll Christus nachfolgen. Man soll auch Vorbild und Unterschied, Weise, Rat und Lehre nehmen und empfangen von den andächtigen und vollkommenen Dienern Gottes und nicht folgen seinem eigenen Kopfe. So mag es Bestand haben und zu einem guten Ende kommen. Und wenn der Mensch also durchbricht und überspringt alle zeitlichen Dinge und Kreaturen, so mag er darnach in einem beschaulichen Leben vollkommen werden. Denn wer Eines will haben, der muß das Andere fahren lassen, da bleibt nichts Anderes übrig.
Das vierzehnte Capitel.
Von dreien Graden, die den Menschen führen und bringen zu rechter Vollkommenheit.
Nun soll man wissen, daß Niemand kann erleuchtet werden, er sei denn zuvor gereinigt oder geläutert und geledigt. Auch kann Niemand mit Gott vereinigt werden, er sei denn zuvor erleuchtet. Und darum so giebt es drei Wege. Zum ersten die Reinigung; zum andern Mal die Erleuchtung; zum dritten Mal die Vereinigung. Die Reinigung gehört dem anfangenden oder büßenden Menschen zu und geschieht auch auf dreifache Weise: mit Reue und Leid um die Sünde, mit ganzer Beichte, mit vollkommener Buße. Die Erleuchtung gehört den zunehmenden Menschen zu und geschieht auch in dreifacher Weise, das ist: in Verschmähung der Sünde, in Ausübung der Tugend und guter Werke und in willigem Leiden aller Anfechtung und Widerwärtigkeit. Die Vereinigung betrifft die vollkommenen Menschen und geschieht auch in dreierlei Weise, das ist: in Reinigkeit und Lauterkeit des Herzens, in göttlicher Liebe und in Betrachtung Gottes, des Schöpfers aller Dinge.
Das fünfzehnte Capitel.
Wie alle Menschen in Adam sind gestorben und in Christo wieder lebendig worden, und von wahrem Gehorsam und Ungehorsam.
Alles was in Adam unterging und starb, das stund in Christo wieder auf und ward lebendig, und alles, was in Adam aufstund und lebendig ward, das ging in Christo unter und starb. Was ist aber das? – Ich spreche: wahrer Gehorsam und Ungehorsam. Was ist aber wahrer Gehorsam? Ich spreche: der Mensch sollte also gar frei ohne sich selbst stehen und sein, das ist ohne Selbstheit, Ichheit, Mir, Mein, Mich und desgleichen, also daß er sich und des Seinen so wenig suchte und meinte in allen Dingen, als ob es nicht wäre; und sollte auch also wenig von sich selber halten, als ob er nicht wäre und als ob ein Anderer alle seine Werke hätte gethan. Er sollte auch nichts halten von allen Kreaturen. Was ist denn das, das da ist und davon etwas zu halten ist? Ich spreche: allein Eins, das man Gott nennet. Sieh, das ist wahrer Gehorsam in der Wahrheit. Und also ist es in der seligen Ewigkeit. Da wird nicht gesucht noch gemeint oder geliebt denn das Eine; so wird auch sonst von nichts etwas gehalten denn allein von dem Einen. Hiebei mag man merken, was Ungehorsam sei, das ist: daß der Mensch von sich selber etwas hält, und meint, er sei und wisse und vermöge etwas, und sich selber und das Seine sucht in allen Dingen und sich selber meint und lieb hat und desgleichen. Zum wahren Gehorsam ist der Mensch geschaffen und ist denselben von Rechtswegen Gott schuldig. Und dieser Gehorsam ist in Adam untergegangen und gestorben und ist in Christo wieder aufgestanden und hat gelebt. Ja die Menschheit Christi war und stund also gar ohne sich selber und also ledig von allen Kreaturen, als nie kein Mensch, und war nicht anders denn ein Haus und eine Wohnung Gottes. Und alles, was da Gott zugehört und das dieselbe Menschheit war und lebte und eine Wohnung war der Gottheit, dessen nahm sie sich alles nicht an. Sie nahm sich auch derselben Gottheit nicht an, deren Wohnung sie doch war, noch alles dessen, was dieselbe Gottheit in ihr wollte, that oder ließ, noch alles dessen, das in derselben Menschheit je geschah oder gelitten ward; sondern in der Menschheit Christi war weder Annehmen noch Gesuch oder Begierde, wie der Gottheit genug geschehe, und desselben nahm sie sich nicht an. Von diesem Sinn kann man hier nicht mehr schreiben oder sprechen, denn er ist unaussprechlich und er ward noch nie von Grund ausgesprochen und wird es auch nimmer, denn er will sich weder sprechen noch schreiben lassen außer allein von dem, der es ist und weiß: das ist Gott selber, der alle Dinge gar wohl vermag.
Das sechzehnte Capitel.
Was da sei der alte Mensch und was der neue Mensch.
Auch soll man merken, wenn man spricht von dem alten Menschen und von dem neuen Menschen, was das sei. Der alte Mensch das ist Adam und Ungehorsam, Selbstheit und Ichheit und desgleichen. Aber der neue Mensch ist Christus und der wahre Gehorsam, ein Entäußern und Verleugnen seiner selbst, aller zeitlichen Dinge und allein die Ehre Gottes suchen in allen Dingen. Und wenn man spricht von Sterben, Verderben und desgleichen, so meint man, daß der alte Mensch sollte zu nichte werden und des Seinen nichts suchen weder in Geist noch in Natur. Denn wo das geschieht in einem wahren, göttlichen Licht, da wird der neue Mensch wiedergeboren. Man spricht auch, der Mensch sollte an sich selber sterben, das ist, der menschlichen Lust, Trost, Freude, Begehrlichkeit, Ichheit, Selbstheit und was desgleichen ist in dem Menschen, daran er haftet oder auf dem er noch ruht in Genügsamkeit oder etwas darauf hält, es sei der Mensch selber oder andere Kreaturen, was das auch sei, das muß Alles weg und sterben, soll anders dem Menschen recht geschehen in der Wahrheit. Dazu ermahnt uns Sankt Paulus und spricht: „leget von euch den alten Menschen mit allen seinen Werken und ziehet an einen neuen Menschen, der nach Gott geschaffen und gebildet ist.“ Wer nun in seiner Selbstheit und nach dem alten Menschen lebt, der heißt und ist Adams Kind. Ja, er mag also fleißig darin leben, daß er ist des bösen Geistes Kind und Bruder. Wer aber in demütigem Gehorsam lebt und in dem neuen Menschen, der ist Christi Bruder und Gottes Kind. Sieh, wo der alte Mensch stirbt und der neue geboren wird, da geschieht die zweite Geburt, davon Christus sprach: „ihr werdet denn zum zweiten Mal geboren, so kommt ihr nicht in das Reich Gottes.“ Auch spricht Sankt Paulus „gleichwie alle Menschen in Adam ersterben, also werden sie in Christo wieder lebendig.“ Das heißt also viel: alle, die Adam nachfolgen in Hoffart, in Wollust des Leibes und in Ungehorsam, die sind alle an der Seele tot und werden nimmer lebendig denn in Christo. Das ist darum, dieweil der Mensch Adam ist oder sein Kind, so ist er ohne Gott. Christus spricht: „wer nicht mit Mir ist, der ist wider Mich.“ Wer nun wider Gott ist, der ist tot vor Gott. Hieraus folgt, daß alle Adamskinder tot sind vor Gott. Wer aber mit Christo in wahrem Gehorsam ist, der ist mit Gott und lebt. Auch ist früher gesprochen: Sünde ist das, daß sich die Kreatur abkehrt von dem Schöpfer. Das ist hier diesem gleich und ist dasselbe. Der, wer im Ungehorsam ist, der ist in Sünden, und die Sünde wird nimmer gebüßt noch gebessert denn mit einem Wiederkehren in Gott. Das geschieht mit demütigem Gehorsam. Denn alldieweil der Mensch im Ungehorsam ist, so werden seine Sünden nimmer gebüßet, er thue was er thue, das hilft ihm Alles zumal nichts. Das soll man gar wohl merken. Denn der Ungehorsam ist selber die Sünde. Aber kommt der Mensch in den Gehorsam, so ist es alles gebessert, gebüßt und vergeben, und anders nicht. Dies ist zu achten. Und möchte der böse Geist zu dem Gehorsam kommen, er würde wieder ein Engel und alle seine Sünde und Bosheit wäre gebessert und gebüßt und wäre gänzlich vergeben. Und möchte ein Engel zum Ungehorsam kommen, er wäre alsbald ein böser Geist, und ob er anders nichts weiter thäte. Wäre es denn möglich, daß ein Mensch sich selbst und alle Dinge aufgäbe und so ganz und lauterlich lebte in wahrem Gehorsam als Christi Menschheit war, der Mensch wäre ganz ohne Sünde und wäre auch Eins mit Christo, und dasselbe von Gnaden, das da Christus war von Natur. Aber man spricht, es möge nicht sein. Darum spricht man auch, es sei Niemand ohne Sünde. Aber wie das sei, also sei es. Doch ist das war: so man dem wahren Gehorsam je näher ist, desto minder Sünde, und so man ihm je ferner ist, desto mehr Sünde. Kurz: ob der Mensch gut, besser oder allerbest sei, böse, böser oder allerbösest, sündig oder selig vor Gott, das liegt alles an diesem Gehorsam und Ungehorsam. Darum ist auch geschrieben: je mehr Selbstheit und Ichheit, desto mehr Sünde und Bosheit. Auch ist geschrieben: so Mein, Ich, Mir, Mich, das ist Ichheit und Selbstheit, so das je mehr in dem Menschen abnimmt, so Gottes Ich, das ist Gott selber, je mehr zunimmt in dem Menschen. Wären nun alle Menschen in dem wahren Gehorsam, so wäre auch kein Leid noch Leiden. Denn wäre ihm also, so wären alle Menschen Eins und Niemand thäte dem Andern Leid noch Leiden an, so lebte und thäte auch Niemand wider Gott. Wovon sollte dann Leid und Leiden kommen? Aber es sind nun leider alle Menschen und die ganze Welt im Ungehorsam. Wäre nun ein Mensch lauterlich und gänzlich in Gehorsam als Christus war, ihm wäre aller Ungehorsam ein großes, bitterliches Leiden. Denn ob alle Menschen wider ihn wären, die möchten ihn alle nicht bewegen oder betrüben, denn der Mensch in diesem Gehorsam wäre Eins mit Gott und Gott wäre auch selber der Mensch. Sieh, nun ist aller Ungehorsam wider Gott und weiter nichts. In der Wahrheit Gott ist nichts zuwider, weder Kreatur noch der Kreaturen Werk und alles das man nennen oder erdenken kann ist alles Gott nicht zuwider oder unangenehm, denn allein Ungehorsam und der ungehorsame Mensch; kurz: Alles was da ist das behagt und gefällt Gott alles wohl außer allein der ungehorsame Mensch: der gefällt Ihm so gar übel und ist Ihm also gar zuwider und klagt also sehr davon, ob es möglich wäre, daß er hundert Tode möchte erleiden, die litte ER alle gern für einen ungehorsamen Menschen, auf daß ER den Ungehorsam in einem Menschen ertötete und Seinen Gehorsam wieder gebären möchte. Sie, wie wohl das ist, daß kein Mensch also gar lauterlich und vollkommen sein kann als Christus war, so ist es doch einem jeglichen Menschen möglich so nahe dazu und dahin zu kommen, daß er göttlich und vergottet heißt und ist. Und so der Mensch diesem je näher kommt und göttlich und vergottet wird, so ihm aller Ungehorsam, Sünde, Bosheit und Ungerechtigkeit je leider ist und weher thut. Ungehorsam und Sünde ist Eins, denn es giebt keine Sünde außer Ungehorsam, und was aus dem Ungehorsam geschieht, das ist Alles Sünde. Darum muß man sich allein hüten vor dem Ungehorsam.
Das siebzehnte Capitel.
Wie man sich des Guten nicht annehmen soll, sondern sich des Bösen schuldig geben, das man gethan hat.
Sieh, nun sagt man, es seien etliche Menschen die wähnen und sprechen, sie seien also gar erstorben und ihrer selbst ausgegangen, daß sie sollen stehen und leben in einem Unleiden und von nichts berührt werden, recht als ob alle Menschen in diesem Gehorsam wären oder als ob keine Kreatur wäre. Und also leben sie allezeit in einem gleichen Gemüt und lassen sich in allen Dingen wohl sein, es sei auch was es sei, dies oder das. Nein wahrlich, dem ist nicht also, sondern es ist wie vorn gesagt wurde. Ihm wäre wohl also, wären alle Menschen im Gehorsam. Da aber dem nicht ist, darum ist auch dies nicht also. Nun möchte man sprechen, es soll doch der Mensch ganz ledig stehen von allen Dingen und soll sich nichts annehmen weder Böses noch Gutes. Ich spreche: des Guten soll sich Niemand annehmen, denn es ist allein Gottes und der Güte Gottes; aber Dank habe der Mensch und ewigen Lohn und Seligkeit, der dazu tauglich und bereit ist, daß er ein Haus und eine Wohnung ist der ewigen Güte und Gottheit, daß sie ihre Gewalt, Willen und Werk in ihm wirken kann ohne alle Hindernisse. Will man sich dann von den Sünden entschuldigen, also daß man sich des Bösen auch nicht will annehmen, und will die Schuld alle dem bösen Geiste zu schieben, und will also der Mensch ganz rein und unschuldig sein (wie auch thaten unsere Voreltern, das ist Adam und Eva, da sie noch waren im Paradies, da schob je Eins dem Andern die Schuld zu), das ist gar unrecht gethan, denn es steht geschrieben „Niemand lebt ohne Sünde.“ Darum so spreche ich: Undank, Schande, Schade, Unglück und ewige Verdammnis habe derselbe Mensch, daß er dazu tauglich und bereit ist und das gestattet, daß der böse Geist und Falschheit, Lüge oder Unwahrheit und alle andern Untugenden ihren Willen und Gewalt, Wort und Werk in ihm haben mögen und daß er ihr Haus und ihre Wohnung ist.
Das achtzehnte Capitel.
Wie das Leben Christi sei das edelste und beste Leben, das je ward und immer werden kann, und wie das sorglose, falsche, freie Leben das allerböseste Leben sei.
In ganzer Wahrheit soll man wissen und glauben, daß kein so edles und gutes und auch Gott so liebes Leben ist, als das Leben Christi, und ist doch aller Natur und Selbstheit das bitterste Leben. Aber das sorglose, freie Leben ist aller Natur, Selbstheit und Ichheit das süßeste und angenehmste Leben. Es ist aber nicht das beste: es mag auch in etlichen Menschen das böseste werden. Aber wiewohl das Leben Christi das bitterste sei, so ist es doch das allerliebste. Das soll man dabei merken. Es ist eine Erkenntnis, davon wird erkannt das wahre, einfältige Gut, und das selbe Gut ist weder dies noch das, sondern es ist das, wovon Sankt Paulus sprach: „wenn das Vollkommene und das Ganze kommt, so wird alle Teilung und Unvollkommenheit zu nicht.“ Damit meint er, daß das Ganze und Vollkommene alle Teilung übertrifft und daß alles Geteilte und Unvollkommene nichts sei gegen das Vollkommene. Also wird auch alle Erkenntnis der Teile zu nicht, wenn das Ganze erkannt wird; und wo das Gut erkannt wird, da muß es auch begehrt und geliebt werden, also daß alle andere Liebe, womit der Mensch sich selber und andere Dinge lieb gehabt hat, ganz zu nicht wird. Und diese Erkenntnis erkennt auch das Beste und das Edelste in allen Dingen und hat es lieb in dem wahren Gut und um anders nicht denn um das wahre Gut. Sieh, wo diese Erkenntnis ist, da wird wahrlich erkannt, daß Christi Leben das beste und edelste Leben ist; und darum ist auch das allerliebste und wird gern gehabt und getragen und wird nicht gefragt oder gesorgt, ob es der Natur oder sonst Jemand wohl oder wehe thue, lieb oder leid, sauer oder süß und desgleichen. Und darum, in welchem Menschen dies vollkommene und wahre Gut erkannt wird, da muß auch das Leben Christi sein und bleiben bis in den leiblichen Tod. Und wer anders wähnet, der ist betrogen, und wer anders sagt, der lügt, und in welchem Menschen das Leben Christi nicht ist, da wird auch das wahre Gut und die ewige Wahrheit nimmermehr erkannt.
Das neunzehnte Capitel.
Wie man zu dem wahren Licht und zu Christi Leben nicht kommen kann mit vielem Fragen oder Lesen oder mit hoher, natürlicher Kunst und Vernunft, sondern mit einem Verleugnen seiner selbst und aller Dinge.
Niemand soll denken, daß man zu diesem wahren Licht und vollkommener Erkenntnis kommen könne oder zu Christi Leben mit vielem Fragen oder von Hörensagen oder mit Lesen und Studieren noch mit hoher Kunst und großer Meisterschaft oder mit natürlicher Vernunft. Ja, alldieweil der Mensch von Einem etwas hält oder etwas in seiner Liebe, Begierde oder Meinung oder Gesuch handelt oder zu Handen hat, das dies oder das ist, es sei der Mensch selber oder die Kreatur, es sei, was es sei, so kommt er hiezu nicht. Dies hat Christus selber gesprochen. ER spricht: „willst du Mir nachfolgen, so verleugne dich selbst und folge Mir nach; und wer nicht sich selbst und alle Dinge verläßt und aufgiebt, der ist Mein nicht würdig und kann auch Mein Jünger nicht sein.“ Damit meint ER: wer nicht alle Dinge verläßt und verliert, der kann Mich, die ewige Wahrheit nimmer erkennen noch zu Meinem Leben kommen. Und wäre dies nicht durch Menschenmund gesprochen, so spricht es doch die Wahrheit in sich selber, denn es ist in der Wahrheit also. Aber dieweil der Mensch die Teile und die Stücke und allermeist sich selber lieb hat und damit umgeht und etwas davon hält, so ist er betrogen und wird sogar blind, daß er von keinem Gutem mehr weiß, außer was ihm für sich selber und zu dem Seinen Allernützest, Bequemst und Allerangenehmst ist: das hält er für das Beste und ist ihm das Allerliebste. Also kommt er nimmer zu der Wahrheit.
Das zwanzigste Capitel.
Weil das Leben Christi aller Natur und Selbstheit das allerbitterste ist, darum will die Natur sich dessen nicht annehmen, und nimmt an sich das sorglose falsche Leben, wie es ihr allerbequemlichst ist.
Weil nun das Leben Christi aller Natur, Selbstheit und Ichheit das bitterste ist (denn zu dem wahren Leben Christi muß alle Selbstheit und Ichheit und Natur verlassen und verloren werden und ganz sterben), darum so grauet einer jeglichen Natur vor dem Leben und dünkt sie bös und ungerecht und eine Torheit zu sein und nimmt an sich ein Leben, daß ihr allerbequemlichst und angenehmst ist, und spricht und meint auch aus Blindheit, es sei das allerbeste. Nun ist kein Leben der Natur so gar bequem und angenehm als das freie, sorglose Leben. Darum hält sie sich an dasselbe und braucht sich ihrer selbst und ihrer Selbstheit und ihres eigenen Friedens und Gemachs und alles des Ihren daselbst. Und dies geschieht allermeist da, wo hohe natürliche Vernunft ist: denn dieselbe steigt also hoch in ihrem eigenen Licht und in sich selbst, daß sie selber meint, daß sie das ewige wahre Licht sei, und giebt sich dafür aus und ist also betrogen an sich selbst und betrügt andere Leute mit sich, die nichts Besseres wissen und auch dazu geneigt sind.