Theologische Impulse S
Sakramente sind Kabel, die Menschen mit Gott vernetzen. Sie sorgen für den richtigen „Anschluss“, weil Gott verspricht, ein sichtbares Geschehen (in der uns vertrauten Welt der Dinge) mit einem unsichtbaren Geschehen (in der uns unvertrauten Welt Gottes) zu verknüpfen. Als Sakramente können nur Handlungen gelten, die Christus selbst angeordnet und in denen er ein sichtbares Element mit der Verheißung des Heils verbunden hat. Sakramente sind zwar, was sie sind, auch ohne den Glauben. Aber nur im Glauben kann man sie heilvoll empfangen.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Die Sakramente sind von Gott eingesetzte Handlungen, welche unter äußerlichen Zeichen himmlische Güter mitteilen, sowohl zur Darreichung, als auch zur Besiegelung der Gnade.“ (Adolf Hoenecke)
„Die Sakramente sind heilige, von Gott verordnete Handlungen, darin uns etwas gewisses, so Gott in der Einsetzung namhaft gemacht hat, gereicht und zugestellt wird, auf dass dadurch, als durch Siegel, Gottes Wort von Verheißung seiner Gnade und Barmherzigkeit versiegelt, sie uns zugeeignet, wir deren versichert und anderer geistlichen Gaben teilhaftig gemacht werden.“ (Nikolaus Hunnius)
„Die Heilsgnade wird dem Menschen mitgeteilt, nicht allein durch das Wort, sondern auch durch die Sakramente, und wie dort das Wort, so ist hier ein äußeres und sichtbares Element, welches in hl. Handlung an den Menschen gebracht wird, der Träger des hl. Geistes. Sakrament ist darnach eine heilige von Gott angeordnete Handlung, in welcher mittelst eines äußeren und sichtbaren Zeichens die Heilsgnade dem Menschen zugeteilt oder der Mensch, wenn er sie schon besitzt, derselben vergewissert wird.“ (Heinrich Schmid)
Wären wir reine Geister, ohne Leiber wie die Engel, dann würde Gott sich nur in rein geistigen Gaben uns mitgeteilt haben; weil wir aber aus Leib und Seele zusammengesetzt sind, hat es ihm gefallen, uns die Gnade, welche ganz geistig ist, durch sichtbare und körperliche Zeichen mitzuteilen, um sie unserer Schwachheit und Naturbeschaffenheit angemessen zu machen.
(Chrysostomus, gest. 407)
1.
Man sollte den Teufel weder unterschätzen noch überschätzen – denn beides wäre ihm willkommen. Wo man ihn nicht ernst nimmt, weil man ihn für ein Fabelwesen hält, da hat er leichtes Spiel. Wo man ihn aber zu ernst nehmen wollte, da täte man ihm zu große Ehre an, die der ewige Verlierer nicht verdient. Halten wir uns besser in der Mitte. Und halten wir uns vor allem nahe bei Christus. Denn eine Gefahr ist er nur, wo wir uns von Christus entfernen. Satan will versuchen, verklagen und verderben. Christus aber ist des Teufels Teufel.
2.
„Sondern erlöse uns von dem Bösen...“ Es ist leicht, dieser Bitte zuzustimmen, wenn man nur an das Böse denkt, das man bei anderen sieht oder von ihnen erleidet. Doch was ist mit dem Bösen, das wir in uns selbst tragen? Oft verweigern wir den Sinneswandel, ohne den sich die Bitte nicht erfüllen kann. Doch sobald der Betende die Bitte von Herzen bejaht, verneint er den Teil seiner selbst, den auch Gott verneint – und schon beginnt sich sein Wunsch zu erfüllen. Denn wer sich vom Bösen distanziert, hat den Guten zu Hilfe gerufen, der mächtiger ist, und die Erlösung ist schon im Schwange.
3.
Der Glaube behauptet sich nicht, indem er sagt „ich habe Macht“, sondern „der Herr ist meine Macht“ (Ps 118,14), so dass er nicht etwa durch Gott reich ist an Irdischem, sondern reich ist an Gott. Der Gläubige will nichts sein, auf dass Gott in ihm alles sei – und wird dadurch geistlich unangreifbar: Christi Gerechtigkeit ist die einzige, deren er sich rühmt, und seine gesamte Schuld hat er an Christus abgegeben. Gottes Wort ist seine Wahrheit, und Christus sein Leben. Weil ihm all das aber nicht „gehört“, kann‘s ihm auch niemand rauben. Wo immer der Feind ihn greifen will, trifft er auf Christus – und der Schlag geht ins Leere.
4.
Wer Hassgefühle nicht unterdrücken kann, sollte ihnen die angemessene Richtung geben und von Herzen den Satan hassen, nicht aber die Menschen, in denen seine Bosheit Gestalt gewinnt. Wer den Puppenspieler treffen will, darf nicht auf die Puppen zielen. Denn gerade das entspräche seinem teuflischen Plan: Sobald ein Bruder im anderen den Teufel sieht, wird er versuchen den Teufel im Bruder zu erschlagen, den Bruder dabei töten, den Teufel aber verfehlen. Darum gilt es sorgsam zu unterscheiden: Nicht gegen „Fleisch und Blut“ haben wir zu kämpfen (Eph 6,11-12), sondern gegen den Grundbösen, der sich der Menschen bedient. Und ihn treffen wir nicht, indem wir seine Marionetten zerschlagen.
5.
Es ist üblich geworden, die im Neuen Testament beschriebenen Dämonen als natürliche Erscheinungen zu erklären – oder sie für einen überwundenen Aberglauben zu halten. Aber sind sie aus unserer Erfahrungswelt wirklich verschwunden? Paul Tillich sagt: „Der Anspruch eines Endlichen, unendlich und von göttlicher Größe zu sein, ist das Charakteristikum des Dämonischen.“ Und so gesehen ist Dämonie etwas sehr Alltägliches. Es geht immer um Vorläufiges, das sich als letztgültig ausgibt. Etwas, das nicht Gott ist, übernimmt Gottes Rolle. Entsprechend fehlgesteuerte Menschen ruinieren sich selbst. Und schon freuen sich die gefallenen Engel, einen weiteren Menschen fallen zu sehen.
Satan als gefallener Engel / Engelsturz
Okkultismus
Sich schämen zu können, ist keine Schwäche, sondern ein Merkmal, das den Menschen vor allen Tieren auszeichnet. Es ist das Bewusstsein, nicht bloß Unrecht zu tun, sondern unrecht zu sein. Doch wer dies Peinliche vor Gott eingesteht, findet Erbarmen bei dem, der in einem Akt rührender Fürsorge schon Adam und Eva mit Kleidern versorgte. Gottes Gnade kann unsere seelische Blöße bedecken, wie ein Mantel unsere Nacktheit verhüllt. Und wo wir unsere Verkehrtheit selbst verwerfen, da verwirft Gott uns nicht, sondern gibt uns Würde zurück. Er vermag die Person anzunehmen, auch wenn ihre Fehler unannehmbar bleiben.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Konfuzius sprach: „...Geht ein Staat den rechten Weg und herrscht darin Ordnung, so ist es beschämend, wenn man arm und von geringem Ansehen ist. Geht es hingegen in einem Staat nicht rechtens zu, dann ist es eine Schande, reich und angesehen zu sein.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle schämt sich, wenn seine Worte seine Taten übertreffen.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Vielleicht ist die Kunst, die mit Geistesstärke Wunder tun will, wie sie nur, zu seinem Zwecke, der alte Meister vermag, am Ende die beschämteste unter allen menschlichen Künsten. Vielleicht war solche Überhebung gar nicht Kunst. Karl Kraus
Wir müssten uns oft unserer größten Taten schämen, wenn die Beweggründe dazu ans Licht kämen. La Rochefoucauld
Scham ist eine große Tugend. Freidank
Wen die Scham bekleidet, dessen Fehler sehen die Menschen nicht. Ali
Welch ein Unterschied liegt darin, wie man‘s macht und wie sich‘s macht! Marie von Ebner-Eschenbach
Das ist ein Jagen auf dieser Erden
nach Rang und Würden und gleißendem Schein.
Im hitzigen Fieber, etwas zu werden,
versäumen die Toren, etwas zu sein. Oskar Blumenthal
Ein Schein von Tiefe entsteht oft dadurch, dass ein Flachkopf zugleich ein Wirrkopf ist. Karl Kraus
Man kann jedermann so durch Unruhen, Ängste, Überhäufung von Arbeit und Gedanken abmatten und schwach machen, dass er einer Sache, die den Schein des Komplizierten hat, nicht mehr widersteht, sondern ihr nachgibt, – das wissen die Diplomaten und die Weiber. Friedrich Nietzsche
Sei, was Du scheinen willst! Sokrates
Gerades Scheitern steht höher als ein krummer Sieg. Sophokles
Ich bin nicht gescheitert. Ich habe nur 10.000 Möglichkeiten ausprobiert, die nicht funktioniert haben. Thomas A. Edison
Den Charakter eines Menschen erkennt man an den Scherzen, die er nicht übel nimmt. Christian Morgenstern
Es ist mit Gottes Wort nicht zu scherzen. Kannst du es nicht verstehen, so ziehe den Hut vor ihm ab. Martin Luther
Gott hat uns gegeben zu spielen mit Äpfeln und Birnen und Nüssen und mit unsern Weibern; aber mit sich und seiner Majestät lässt er nicht scherzen. Martin Luther
1.
Gottes Allmacht ist eine lückenlose, alles Geschehen bestimmende Wirksamkeit, durch die Gott die Geschicke der Welt nach seinem Willen lenkt. Der Mensch wird dadurch keineswegs zur willenlosen Marionette: Ein jeder tut durchaus, was er will. Nur werden die Folgen unserer Handlungsfreiheit Gott niemals überraschen. Unsere Entschlüsse sind, längst bevor wir sie fassen, in Gottes Plan vorgesehen und tragen selbst dann zu seiner Erfüllung bei, wenn wir das Gegenteil beabsichtigen.
2.
Ein Mensch befindet sich auf der Zeitleiste immer nur an einem Punkt. Doch wie ein Adler aus großer Höhe überschaut Gott den gesamten Weg, den der irdische Wanderer nur abschnittsweise zu sehen bekommt. Für Gott ist jeder Moment gleich präsent, weil er den gesamten Zeitenlauf vor aller Zeit selbst gefügt und geordnet hat. Und so resultiert unser „Morgen“ nicht aus dem „Gestern“, sondern beides aus Gottes Vorsehung. Unsere Zukunft ist stets das, was uns von Gott her „zu-kommt“. Denn die wahre Herkunft der Zukunft ist Gott selbst. Er ist nicht in der Zeit beschlossen. Aber alle Zeit in ihm. Und das ist überaus tröstlich.
3.
Irrgarten und Labyrinth
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Bildad war ein Freund des weisen König Salomo. Oft saßen sie im Garten beieinander und unterhielten sich. Eines Tages aber ging der Engel des Todes am Garten vorüber und richtete seine Blicke auf Bildad. Da fragte Bildad den Salomo: „Wer ist dieser Mann?“ Salomo antwortete: „Du kennst ihn nicht? Das ist der Engel des Todes.“ „O weh,“ – rief Bildad – „er hat mich so angeschaut, ich glaube, er hat es auf mich abgesehen. Lieber Salomo, du hast wunderbare Kräfte, befiehl doch dem Wind, dass er mich davonträgt und im fernen Indien niedersetzt!“ Salomo tat, was Bildad sich gewünscht hatte – und der Wind trug Bildad davon. Wenig später kam der Engel des Todes wieder an Salomos Garten vorbei. Salomo sprach ihn an und fragte, warum er seinen Besucher vorhin so merkwürdig angeschaut habe. Der Engel aber sprach: „Dass ich Bildad so lange ansah, das geschah aus Verwunderung, weil mir befohlen worden war, seine Seele aus Indien zu holen, während er doch hier bei dir in Kanaan war.“ (nach einer arabischen Erzählung)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal! Aus dem babylonischen Talmud
Allerwärts klagt der Mensch Natur und Schicksal an, und sein Schicksal ist doch in der Regel nur Nachklang seines Charakters, seiner Leidenschaften, Fehler und Schwächen. Demokrit
Das Schicksal wird dich sachte, sachte schlucken – du bist der Käse für die Maus, die Zeit! Nasir-i Chusrau
Die Ironie des Schicksals, die zerreißend in das Spinnengewebe der Sterblichen greift und das Gefühl ihrer Sicherheit furchtbar verneint, wird im Empfänglichen Religion. Ernst Freiherr von Feuchtersleben
Die meisten Leute machen sich selbst bloß durch übertriebene Forderungen an das Schicksal unzufrieden. Wilhelm Freiherr von Humboldt
Die Menschen werfen alle ihre Dummheiten auf einen Haufen, konstruieren ein Ungeheuer und nennen es Schicksal. Thomas Hobbes
Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals. G. Chr. Lichtenberg
Gewiss ist es fast noch wichtiger, wie der Mensch das Schicksal nimmt, als wie es ist. Wilhelm Freiherr von Humboldt
Glückliche Menschen bessern sich kaum. Sie glauben sich immer im Recht, weil das Schicksal ihr schlechtes Verhalten zu rechtfertigen scheint. Rochefoucauld
Kein Mensch weiß, was in ihm schlummert und zutage kommt, wenn sein Schicksal anfängt, ihm über den Kopf zu wachsen. Marie von Ebner-Eschenbach
Keinem erscheint das Schicksal so blind als dem, den es nie beschenkt. Rochefoucauld
Sie molk in ein Sieb und klagte über das Schicksal. Paschto
Was die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche. Arthur Schopenhauer
Wer Weib und Kinder besitzt, hat dem Schicksal Geiseln gegeben. Francis Bacon
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft. Es kommt auf das Material an. Marie von Ebner-Eschenbach
Zeng-zi sprach: „Ein Mensch, dem man ein Waisenkind genauso anvertrauen kann wie das Schicksal eines Staates und der selbst bei großen äußeren Zwängen seinen Grundsätzen treu bleibt - ist der ein Edler? Er ist ein Edler.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Die Taufe begründet zwischen dem Christen und Jesus Christus eine enge Schicksalsgemeinschaft, die durch den Begriff der „Nachfolge“ charakterisiert wird: Die heutigen „Nachfolger“ und „Jünger“ Jesu teilen mit ihrem Herrn nicht mehr die staubigen Straßen Galiläas. Aber wie Christi Weg ins Leid führte, so bekommt auch der Christ sein Kreuz zu tragen. Und wie Christi Weg durchs Leid hindurch zum Triumph führte, so gewinnt auch der Christ Anteil an der Auferstehung.
Gott hat nicht aufgehört zu strafen. Und seine Strafen bringen Leid. Doch ist deswegen nicht alles Leid als Strafe anzusehen. Denn Gott kennt Strafen zur Seligkeit und Strafen zur Verdammnis. Er kennt gnädige Heimsuchungen zur Besserung und ungnädige zum Verderben. Die ersten treffen nur Christen, und die zweiten treffen nur Nicht-Christen. Denn für diese trägt Christus ihre Schuld. Und für jene ist sie noch eine offene Rechnung. Die einen treibt von Gott kommendes Leid immer weiter zu ihm hin. Die anderen treibt es immer weiter von ihm fort.
Der Schlaf gehört bei dem Menschen zu der gottgeordneten Einrichtung seines natürlichen Lebens (…). Er genießt ihn als eine göttliche Wohltat, und der Christ freut sich besonders, dass dieser in mancher Beziehung demütigende Zustand, wo dem Menschen die Macht, sich zu schützen und zu bewahren, ganz abgeht, durch das Exempel Jesu, Matth. 8,24, geheiligt ist. Er dient den Frommen schon im Alten Bund dazu, ihr Vertrauen auf den lebendigen Gott zu üben, Ps. 3,6. 4,9, da sie sich in der Hut ihres Gottes sicherer wissen, als wenn sie sich selbst schützen könnten. Diese gute Gabe kann vom Trägen missbraucht werden, Spr. 6,10. 24,33. 19,15. 20,13, welcher Missbrauch sich dann rächt. Aber gegenüber dem unruhigen Rennen und Jagen, das sich keinen Schlaf gönnt, und alles ohne Gott mit eigener Kraft ausrichten zu können meint, heißt es Ps. 127,2: Seinen Freunden, denen Gottes Segen und Gemeinschaft das Erste ist, gibt er es schlafend.
(H. Zeller, Biblisches Wörterbuch)
Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen. Immanuel Kant
Der Schlaf ist der heilige Versuch der Natur, die Tageswunden zum Verheilen zu bringen. Den Schlaf vorzeitig unterbrechen, heißt heilige Verbände abreißen. Peter Altenberg
Der Schlaf sei das Abbild des Todes, sagt Ihr; und ich sage, dass er vielmehr das Abbild des Lebens ist. Blaise Pascal
Ein Bischof kam zu Papst Johannes XXIII. und klagte ihm, die große Verantwortung, die er zu tragen habe, lasse ihn kaum mehr zu Schlaf kommen. Johannes XXIII. zeigte großes Verständnis für den geplagten Bischof und sprach: „In den ersten Wochen meines Pontifikats ging es mir ebenso. Eines Nachts aber erschien mein Schutzengel und sagte: 'Nimm Dich nicht so wichtig, Giovanni!' Seitdem schlafe ich prächtig.“
Schlaf ist ein Hineinkriechen des Menschen in sich selbst. Hebbel
Unser Geist ist nur alsdann wachend anzusehen, wenn er sich Gottes bewusst, ihn denkt und empfindet, und die Allgegenwart Gottes in und um sich erkennt, wie die Seele eines Wachenden ihre Herrschaft über den Leib und der Leib die Eindrücke eines geistigen Willens ausdrückt. Ein Mensch, der in Gott lebt, wird sich daher zu einem natürlichen Menschen verhalten, wie ein wachender – zu einem schnarchenden im tiefen Schlaf – zu einem Träumenden – zu einem Mondsüchtigen. Johann Georg Hamann
Welch ein Segen ist jene Gabe, die Gabe des Schlafes! Gott lässt es nicht zu, dass wir auf lange Zeit ohne Unterbrechung unglücklich sind; er gibt uns die Prüfungen Stück für Stück; er nimmt uns dann und wann aus dieser Welt und gibt uns einen Ferientag wie Schulkindern in einem unbekannten und geheimnisvollen Land. John Henry Newman
Das menschliche Herz weidet sich gern an den eigenen Vorzügen oder an den Schlechtigkeiten der anderen. Francis Bacon
Das Schlechte am Guten und das Gute am Schlechten ist, dass beides einmal zu Ende geht. Anatole France
Das schlechteste Rad am Wagen macht den meisten Lärm. Bauernweisheit
Den Schlechten missfallen heißt gelobt werden. Seneca
Der Marquis d’Argens, der Freund Friedrichs des Großen, und der Präsident d’Eguilles waren Brüder, und beide schlechte Christen. Sie hatten einen sehr frommen Bruder, über den sie sich gern lustig machten. Als sie eines Tages wieder bei diesem Thema waren und sich einigten, dass die Sinnesart des Bruders nur ein Zeichen von Einfalt sein könne, sagte der Marquis nach einigem Nachdenken zu dem Präsidenten: „Nun machen wir uns hier über ihn lustig, aber ich muss dir gestehen, wenn ich einem von euch beiden einen Wertgegenstand zum Aufheben geben wollte – dich würde ich nicht wählen!“ Euthymius Haas
Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann. Karl Kraus
Die glücklichen Leute bessern sich kaum; sie glauben stets recht zu haben, wenn das Schicksal ihr schlechtes Betragen unterstützt. La Rochefoucauld
Die Welt ist eine Bühne, aber die Rollen sind schlecht verteilt. Wilde
Ein schlechter General ist besser als zwei gute. Napoleon Bonaparte
Es ist viel dringender erforderlich, die Seele als den Körper zu heilen, denn Tod ist besser als ein schlechtes Leben. Epiktet
Es sind nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind. Immanuel Kant
Gut gehängt ist besser als schlecht verheiratet. William Shakespeare
Haben und nichts geben ist in manchen Fällen schlechter als stehlen. Marie von Ebner-Eschenbach
Ich glaube von jedem Menschen das Schlechteste, selbst von mir, und ich hab' mich noch selten getäuscht. Johann Nepomuk Nestroy
Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben. Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. Voltaire
Im Allgemeinen verdienen es die Menschen nicht, dass man ihnen gefällig ist; doch hieße es ebenso schlecht sein wie sie, wenn man sie so behandelte, wie sie es verdienten. Pierre Carlet de Marivaux
Ja, teurer Freund, du hast sehr recht:
Die Welt ist ganz erbärmlich schlecht,
ein jeder Mensch ein Bösewicht.
Nur du und ich natürlich nicht. Paul Baehr
Niemand weiß soviel Schlechtes von uns wie wir selbst. Und trotzdem denkt niemand so gut von uns wie wir selbst. Franz Edler von Pernwald Schönthan
Nun könnt ihr sagen: Schlechte Menschen haben es sehr gut, sie kriegen ihren Willen mehr als andere Leute. Salomon sagt: Der böse Mensch soll nicht sagen: Was schadet es mir, dass ich Übles täte, wenn es mir doch nicht weh täte? Oder: Wer täte mir deshalb Übles? Eben das, dass du Übles tust, das ist ganz und gar dein Schaden und tut dir weh genug. Seid dessen gewiss bei der ewigen Wahrheit, dass es ein ebenso großer Zorn Gottes ist; er könnte dem Sünder nichts Schlimmeres antun, weder mit der Hölle noch mit irgend etwas, als er ihm damit antut, dass er es ihm gestattet oder über ihn verhängt (=ihm zulässt), dass er sündig ist und dass er sich nicht dadurch über ihn erbarmt, dass er keinen so großen Jammer (=Unheil) über ihn zuließe, nicht sündigen zu können. Und gäbe ihm Gott das Weh der ganzen Welt, so könnte ihn Gott dennoch nicht mehr schlagen, als er damit geschlagen ist, dass er sündigt. Meister Eckhart
Schlechte Menschen erkennt man an ihren guten Ausreden. Marie von Ebner-Eschenbach
Unbedacht redende Leute behaupten, glücklich seien alle, die lebten, wie es sie gelüste. Das ist freilich falsch. Denn Schlechtes zu begehren, ist selbst schon größtes Unglück. Cicero
Wenn jemand schlecht über Dich redet, dann lebe so, dass niemand es glaubt. Unbekannt
„Was nennet Christus die Schlüssel des Himmelreichs? Das Wort, die Predigt, die Lehre oder das Amt, darin und dadurch aus Gottes Befehl und durch göttliche Kraft den Unbußfertigen und Ungläubigen die Sünde gebunden und behalten, den Bußfertigen aber und den Gläubigen um Christus willen gelöset und vergeben werden, Matth. 16. Joh. 20.“ (Martin Chemnitz)
Glatte Worte und schmeichelnde Mienen vereinen sich selten mit einem anständigen Charakter. Konfuzius
Konfuzius sprach: „Zuo Qiu-ming waren schöne Worte, eine einschmeichelnde Miene und Liebedienerei peinlich. Mir ist das auch peinlich. Zuo Qiu-ming lehnte es ab, seine Abneigung gegenüber einem Menschen zu verbergen und so zu tun, als sei er sein Freund. Bei mir ist es ebenso.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Reich ist, wer weder schmeicheln noch borgen muss. Sprichwort
Wenn wir auch der Schmeichelei keinen Glauben schenken, der Schmeichler gewinnt uns doch. Einige Dankbarkeit empfinden wir immer für den, der sich die Mühe gibt, uns angenehm zu belügen. Marie von Ebner-Eschenbach
Wenn Gott uns leiden lässt, kann das viele Gründe haben. Es kann mir selber nützen oder einem anderen. Es kann zum Vorbild dienen oder zur Abschreckung. Es kann nötig sein, um mir Fehler auszutreiben, oder um andere zur Barmherzigkeit herauszufordern. Es kann Prüfung sein für mich oder öffentliches Zeichen für andere. Es kann der Fluch der bösen Tat sein, der mich gerechterweise einholt, oder Gottes herzliche Umarmung, die mich am Weglaufen hindert. Es ist schwer anzunehmen – aber man sollte sein Leid nicht für grundlos, sinnlos oder nutzlos halten.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Alle Menschen müssen Gott folgen, ob sie wollen oder nicht wollen. Folgen sie ihm willig, so ist es ihnen lustvoll; folgen sie ihm aber widerwillig, so ist es für sie peinvoll und trägt nur Schmerzen ein. Meister Eckhart
Das ist meine allerschlimmste Erfahrung: Der Schmerz macht die meisten Menschen nicht groß, sondern klein. Christian Morgenstern
Dass die Schmerzen miteinander abwechseln, macht das Leben erträglich. Christian Friedrich Hebbel
Das Elend des Menschen liegt darin, dass er in der Gesellschaft Trost suchen muss gegen die Leiden, die ihm die Natur zufügt, und in der Natur Trost gegen die Leiden der Gesellschaft. Wie viele haben weder hier noch dort eine Erleichterung ihrer Schmerzen gefunden! Nicolas Chamfort
Es ist schmerzlich, einem Menschen seine Grenze anzusehen. Christian Morgenstern
Haben und Sein sind die Hülfszeitwörter in der Sprachlehre sowohl eines glücklichen als eines elenden Lebens, denn aus Habsucht und Selbstsucht, den Tränendrüsen der leidenden Menschheit, quellen die Tränen der Freude sowohl als die der Schmerzen. Ludwig Börne
Ich meine, es müsste einmal ein sehr großer Schmerz über die Menschen kommen, wenn sie erkennen, dass sie sich nicht geliebt haben, wie sie sich hätten lieben können. Christian Morgenstern
Kommt dir ein Schmerz, so halte still und frage, was er von dir will! Emanuel Geibel
Obwohl der Mensch ständig seine Leidenschaften zu befriedigen sucht, seufzt er doch immer über ihre Tyrannei. Weder kann er ihre Gewalt ertragen, noch jene, die er sich antun müsste, um sich von ihrem Joch zu befreien. Er verabscheut sie ebenso wie die Heilmittel gegen sie. Er kann sich weder mit dem Schmerz der Krankheit noch mit der Anstrengung der Heilung abfinden. Mit einem Wort: er ist ein jämmerliches Geschöpf. Rochefoucauld
Schmerzlicher als der Verlust durch den Tod ist der Verlust durch das Leben. Heinrich Heine
Die Menschen schämen sich nicht, etwas Schmutziges zu denken, aber wohl, wenn sie sich vorstellen, dass man ihnen diese schmutzigen Gedanken zutraue. Friedrich Nietzsche
Gottes Wort, das geschriebene wie das verkündete, ist mit einem Spiegel zu vergleichen. In geistlicher Hinsicht ist das Auge deiner Seele die Vernunft; das Gewissen ist deine geistige Sehkraft. Und so wie du weißt, dass wenn sich ein Schmutzfleck auf deinem Gesicht befindet, das Auge den Fleck nicht sehen kann und ohne einen Spiegel oder den Hinweis von einer anderen Person nicht weiß, wo er ist, genau so verhält es sich auch in geistiger Hinsicht. Ohne die Lektüre oder die Verkündigung von Gottes Wort ist es nach menschlichem Ermessen unmöglich, dass die durch ihre gewohnheitsmäßige Sünde geblendete Seele den Schmutzfleck in ihrem Gewissen erkennen kann. Und wenn jemand danach in einen wirklichen oder übertragenen Spiegel blickt oder durch den Hinweis von anderen weiß, wo sich der Schmutzfleck an seinem Gesicht befindet (im konkreten wie im übertragenen Sinn), dann erst und nicht früher läuft er zum Brunnen, um sich zu waschen. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der ihn verursacht. Kurt Tucholsky
Schmutzigsein ist eine soziale Taktlosigkeit. Carl Ludwig Schleich
„Was wir lieben, das lieben wir entweder wegen seiner Macht, oder seiner Weisheit, oder seiner Schönheit: was ist aber mächtiger als Gott, was weiser als Gott, was schöner als Gott? Alle Macht weltlicher Könige ist von ihm und unter ihm; alle Weisheit der Menschen ist im Vergleiche zu der göttlichen, Torheit; alle Schönheit der Geschöpfe ist im Vergleiche zu der göttlichen, Missgestalt. Wenn ein sehr mächtiger König durch Abgesandte um die Hand einer Jungfrau von geringer Herkunft und Lage würbe, würde nicht diese Jungfrau töricht handeln, wenn sie den mächtigsten König nichts achten und den armen Abgesandten und Dienern des Königs anhangen wollte? So hat Gott durch alle Schönheit der Geschöpfe uns zu sich rufen, zu seiner Liebe uns erwecken wollen; warum also hängt unsere Seele, die Christus als Bräutigam begehrt, den Geschöpfen an, die gleichwie Abgesandte von ihm sind um dieser geistlichen Vermählung willen? Die Geschöpfe rufen selbst: Warum bleibt ihr an uns hängen? Warum stellt ihr auf uns das Ziel eures Verlangens? Wir können eure Sehnsucht nicht stillen, machet euch hin zu dem, der unser beider Schöpfer ist!“ (Johann Gerhard)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Alle Schönheit dieser Welt, kann mein Herz niemals gewinnen. Sondern nur – ich weiß nicht was, was sich wohl noch einmal findet. Ward ein Mensch in seinem Willen, einmal nur von Gott berührt, nimmer kann ihn etwas stillen, als der Gott, den er gespürt. Johannes vom Kreuz
Aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. Goethe
Begehre nie ein Glück zu groß und nie ein Weib zu schön,
Sonst könnte dir’s in seinem Zorn der Himmel zugestehn. Inschrift auf Burg Cochem
Das Glück ist eine leichtfertige Person, die sich stark schminkt und von ferne schön ist. Nestroy
Das ist der Weisheit Quintessenz, die viele zu freien hindert: Die Schönheit dauert einen Lenz, die Dummheit überwintert. Rudolf Presber
Das schönste Gefühl auf dieser Erde: nicht mehr nötig zu sein. Nicht mehr gebraucht zu werden. Macht damit, was ihr wollt. Wilhelm Raabe
Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren. Goethe
Dein Körper ist so reizend,
dein Geist so hässlich! Schade!
Du bist ein schöner Apfel,
dein Geist ist seine Made. Ephraim Moses Kuh
Der gefällt nicht, der fürchtet, nicht zu gefallen; denn die Ungezwungenheit, die alle übrigen Schönheiten des Umgangs erst ihren Wert und oft ihr Dasein gibt, verschwindet mit der Furcht. Jean Paul
Der Mensch ist nun einmal zur Freude geboren! Kann er sich nicht über seine eigene Schönheit freuen, so freut er sich gewiss über die Hässlichkeit der anderen. Franz Edler von Pernwald Schönthan
Es gibt Frauen, die nicht schön sind, sondern nur so aussehen. Karl Kraus
Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet. Christian Morgenstern
Was tut die Blume wohl mit Gott? Sie lässt sich Gott gefallen. In der Blume, als Blume träumt er seinen schönsten Traum, da widerstrebt ihm nichts. Christian Morgenstern
Wie ein Gesicht schön wird, dadurch, dass es Seele, so die Welt dadurch, dass sie einen Gott durchscheinen lässt. Friedrich Heinrich Jacobi
1.
Urknall-Theorie und Schöpfungsglaube stehen nicht in Konkurrenz zueinander, weil einmal nach dem „wie“ der Weltenstehung gefragt wird, und einmal nach dem „warum“. Man darf hier Anfang und Grund nicht verwechseln, denn wer zurecht sagt, ein Theaterstück habe begonnen, als sich der Vorhang hob, wird doch nicht behaupten, das Theaterstück sei aufgeführt worden, weil sich der Vorhang hob. Die Frage, warum überhaupt etwas ist, wo doch auch nichts sein könnte, wird durch den Urknall nicht geklärt. Er ist ein Teil dieses Rätsels – und nicht die Lösung.
Die Bibel hat nicht die Absicht, in der Art eines naturwissenschaftlichen Schulbuchs über die Entstehung der Erde zu informieren, und sie legt darum auch keinen Wert auf eine einheitliche Chronologie der Schöpfungswerke. Die Bibel protokolliert nicht „wie“, sondern bejubelt „dass“ Gott die Welt schuf. Ihre Pointe ist, dass der Mensch sich hier und heute in derselben mächtigen Hand Gottes weiß, aus der von Anbeginn an alles hervorgegangen ist. Entscheidend ist Gottes Anspruch, der aus seiner Urheberschaft resultiert. Und sollte sich der Schöpfer mehr Zeit genommen haben als 7 mal 24 Stunden, so stört das den Glauben sehr wenig.
Gottes Schöpfungswerk vollzieht sich als ein fortschreitender Prozess, der die unkontrollierten Chaoskräfte des Anfangs nach und nach bändigt, kanalisiert und in dem Leben förderliche Strukturen überführt. Denn in einer regellosen Welt käme der Mensch nicht zurecht. Gott schafft weder Strukturen aus Beton, in denen alle Bewegung erstickt, noch schafft er blinden Drang, der alles, was entsteht, gleich wieder niederreißt. Der Schöpfer formt vielmehr das Formlose und verteidigt seine Schöpfung gegen die immer wieder einbrechenden Chaosmächte durch Ordnungsprozesse natürlicher, sozialer und individueller Art.
4.
Gott ist das Sein in allem Seienden, denn die Dinge dieser Welt, die uns so ungemein wirklich vorkommen, sind es nur, insoweit sie an Gottes Wirklichkeit teilhaben. Wir alle sind nur in dieser abgeleiteten Weise „wirklich“ und sind es nur, weil Gott als Grund und Quelle des Seins uns Sein verleiht. Gott verhält sich zu uns, wie der Filmprojektor zu den flackernden Bildern, die er an die Wand wirft. Er ist die Realität, die uns zu flüchtigem Leben erweckt. Darum ist nichts da, ohne dass Gott darin ist, und nichts bleibt, wenn nicht Gott darin bleibt.
5.
Die Natur weiß nichts von ihrer Herrlichkeit und hat keine Sprache, um ihren Schöpfer dafür zu preisen. Der Mensch aber ist mit Bewusstsein, Sprache und Verstand auf Gott hin geschaffen. Und weil nur er die Möglichkeit hat, Gott angemessen zu danken, ist er auch dafür verantwortlich, dass es geschieht. Allein der Mensch als Ebenbild Gottes ist dem Schöpfer nah genug, um in eine bewusste Beziehung zu ihm zu treten. Und diese Gottesbeziehung macht darum den eigentlichen Sinn des menschlichen Lebens aus.
6.
Kritiker des Glaubens unterstellen gern, Geschehnisse müssten entweder von Gott gewirkt sein (und hätten dann keine „natürlichen Ursachen“), oder sie hätten „natürliche Ursachen“ (und seien dann nicht von Gott gewirkt). Doch der Hinweis auf „natürliche Ursachen“ könnte Gottes Handeln nur ausschließen, wenn feststünde, dass Gott sie nicht als Instrumente mittelbaren Wirkens nutzt. Und dem steht das biblische Zeugnis entgegen: Gott kann ebenso gut innerhalb wie außerhalb der Naturordnung wirken. Die Folgerung, wo ein irdischer Kausalzusammenhang vorläge, sei (darum!) der Himmel nicht im Spiel, erweist sich damit als falsch.
7.
Der Glaube hat zu den Dingen der Welt eine besondere Beziehung, denn wo man etwas aus Gottes Hand empfängt, berührt der Umgang mit der Gabe immer auch die Beziehung zum Geber. Diese Beziehung leidet, wenn Gottes Gaben gegen seine Intention verwendet werden. Darum sind „weltliche“ Beziehungen dergestalt in die Gottesbeziehung zu integrieren, dass auch im Umgang mit den Dingen immer Gott das eigentliche Gegenüber bleibt. Alles muss am Altar „abgegeben“ und vom Altar her „zurückempfangen“ werden, damit der Gläubige nichts ohne Gott, sondern alles mit ihm und durch ihn „besitzt“.
8.
Der Glaube achtet den Willen des Schöpfers, indem er seine Geschöpfe schont, sie achtet und sich weigert, Lebendiges den menschlichen Verwertungsinteressen zu unterwerfen. Auch wenn die Natur ein denkbar schlechtes Vorbild gibt, sollten wir uns der Logik des „Fressen und gefressen werden“ so weit wie möglich entziehen und nach Möglichkeit Verhältnisse schaffen, in denen keiner auf Kosten anderer lebt. Gott will nicht, dass wir Hammer sind. Und er will auch nicht, dass wir Amboss sind. Sondern er will, dass seine Geschöpfe einander Helfer sind.
9.
Den Himmel zu ersehnen bedeutet keineswegs, in fromme Luftschlösser zu fliehen, aufs „Jenseits“ zu vertrösten und der alten Erde die Treue aufzukündigen. Denn der Himmel ist nichts anderes als die durch Gottes Gegenwart gesundete Erde. Er ist keine Alternative zur Schöpfung, sondern die herrliche Zukunft, die sie haben wird: Wenn Gott sein Werk gegen den Widerstand des Bösen vollenden will und es in seiner Allmacht auch vollenden kann, so folgt zwingend, dass er es vollenden wird.
10.
Wenn Menschen sich in ihrem Land, ihrer Sprache und Kultur verwurzelt fühlen, ist das nicht zuerst als Problem zu sehen, sondern als gute Gabe des Schöpfers, der seine Geschöpfe nicht „ortlos“ in der Welt herumirren lässt. Nur muss, wer solche Beheimatung für sich in Anspruch nimmt, sie auch den anderen gönnen. Und wo das „Wir-Gefühl“ zur Ideologie wird, kann ein Christ nicht mehr mitgehen. Denn die Unterscheidung des Fremden und die Abwertung des Fremden sind sehr verschiedene Dinge, die man keinesfalls verknüpfen oder vermengen darf.
11.
Wenn Gott unermesslich und grenzenlos ist, wie kann es dann neben ihm noch Raum für Geschöpfe geben? Das ist nur denkbar, wenn der Schöpfer sich zurücknimmt und ihnen ein Mindestmaß an Selbstständigkeit ermöglicht. Gott nutzt also seine Freiheit, um sich selbst zu beschränken, und gibt uns damit den Raum, den wir zur Entfaltung brauchen. Doch können wir uns seine Selbstbeschränkung zu Gunsten anderer auch zum Vorbild nehmen, um durch bewusstes Sich-Zurücknehmen das gottgewollte Dasein unserer Mitmenschen zu ehren.
12.
Gottes schöne Erde ist so reich an Gütern, dass jeder satt werden könnte. Doch ist ein rücksichtsloser Streit entbrannt, weil jeder rafft und hortet, so viel er kann. Die Cleveren machen sich die Taschen voll, die weniger Geschickten kommen unter die Räder. Doch gibt es zum großen Verteilungskampf einen christlichen Gegenentwurf, weil ein Christ im Streben nach den Gaben nie den Geber vergisst. So sehr er der Güter bedarf, wird er sie doch nie anders als im Sinne des Spenders gebrauchen. Der hat sie nicht geschaffen, um einzelne reich, sondern um alle satt zu machen. Und dementsprechend gilt es zu handeln. Denn Gott selbst ist des Christen Glück und Ziel – die Güter der Erde sind es nicht.
13.
Oft wird das „natürliche“ Verhalten wie selbstverständlich als normal, gut und ethisch berechtigt angesehen. Doch muss einer Idealisierung der Natur widersprochen werden. Aus der Beschreibung eines „natürlichen“ Sachverhalts folgt weder, dass die Dinge so bleiben sollen, noch, dass sie geändert werden müssen. Und der gefallenen Schöpfung ist auch nicht mehr zu entnehmen, wie Gott sie ursprünglich gemeint hat. In ihr erscheint vieles „normal“, was keineswegs „gut“ ist. Und für ethische Klarheit sorgt dann nur Gottes Wort.
14.
Unser Hunger nach Schönem, Gutem und Wahrem wird in dieser Welt nie dauerhaft gestillt. Doch ist das kein „Produktionsfehler“ der Schöpfung, sondern hat seinen Grund darin, dass der Mensch Gottes schöne Gaben in Waffen verwandelt und gegen den Geber richtet. Er nutzt das, was ihn mit Gott verbinden sollte, um Gott damit auf Distanz zu halten. Und so hat Gott beschlossen, dass ihm der böse Gebrauch des gut Gemeinten übel bekommen soll. Alles Schöne, Gute und Wahre (wenn er‘s ohne Gott an sich reißen und genießen möchte) wird dem Menschen bitter schmecken. Doch soll ihn dies Ärgernis zu Christus hintreiben, der das hat und ihm auf neue Weise geben kann, was er von der Welt vergeblich fordert.
Lieder zum Thema: Die Schöpfung
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Die Schöpfung ist die äußerliche Handlung der ganzen Dreieinigkeit, in welcher Gott alle geschaffene Dinge, sichtbare und unsichtbare, in dem Zeitraume von sechs Tagen, nach seinem völlig freien und guten Willen aus Nichts gemacht hat.“ (Leonhard Hutter)
„Was glaubst du, wenn du sprichst: Ich glaube an Gott Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erde? Dass der ewige Vater unseres Herrn Jesu Christi, der Himmel und Erde samt allem, was darinnen ist, aus nichts erschaffen hat und dieselben durch seinen ewigen Rat und seine Vorsehung erhält und regiert, um seines Sohnes Jesu Christi willen mein Gott und mein Vater sei, auf den ich so vertraue, dass ich nicht zweifle: Er wird mich mit allem, was ich an Leib und Seele brauche, versorgen, und alles Übel, das er mir in diesem Jammertal zuschickt, so wenden, dass es gut für mich ist, weil er es als ein allmächtiger Gott tun kann und als ein treuer Vater auch tun will.“ (Heidelberger Katechismus)
„Allmächtiger, ewiger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, ich danke dir, ich preise dich, ich rühme dich, dass deine Hände mich gearbeitet haben und mich ganz gemacht, was ich um und um bin! Wie Leimen hast du mich in meiner Mutter Leibe gebildet, wie Milch hast du mich gemolken, und hast mich wie Käse gerinnen lassen; mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet, und mit Knochen und Nerven hast du mich zusammengefügt; Leben und Wohltat hast du an mir getan, und dein Aufsehen hat meinen Odem bewahret. Diese deine große Barmherzigkeit gegen mich will ich ewiglich lobpreisen, deine Güte will ich unaufhörlich mit Gesängen rühmen; du hast mich in meiner Mutter Leibe beschützt. Ich will dich preisen, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke, und das erkennet meine Seele wohl. Es war dir mein Gebeine nicht verholen, das du im Verborgenen gemacht hast, da du mich mit mancherlei Gliedmaßen geziert hast unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war, und es waren alle Tage auf dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, und deren noch keiner da war. Aber wie köstlich sind vor mir, Gott, deine Gedanken; wie ist ihrer so eine große Summe! Sollte ich sie zählen, so würde ich ihrer mehr finden, denn des Sandes am Meer. Du hast mir deine Barmherzigkeit erzeigt, ehe ich dieselbe einsah; du bist mir mit deinen Wohltaten zuvorgekommen, ehe ich sie begehrte; deine Güte hat mich umfasst, ehe ich für dieselbe dankte. Du bist es, der mich nicht nur wunderbar in der Mutter gebildet, sondern mich auch aus meiner Mutter Leibe gezogen hat; du bist meine Hoffnung von meiner Mutter Brüsten an. Auf dich bin ich geworfen aus Mutterleibe; du bist mein Gott von meiner Mutter Leibe an. So oft ich daran denke, dass viele, ehe sie zum Tageslicht und zur Lebensluft hervorkamen, im Mutterleibe zu Grunde gingen, so oft bewundere und preise ich deine Erbarmung, die mich aus diesem Kerker lebendig und unverletzt auf den Schauplatz dieser Welt geführt hat. Wie viele Jahre sind vorübergegangen, in denen ich nichts war! Dir aber hat es gefallen, mir dieses Wohnhaus an meinem Körper aufzubauen, und mich aus jener Tiefe und Finsternis des Mutterleibes herauszuziehen. Du hast mir eine vernünftige Seele gegeben, du hast gewollt, dass ich ein Mensch, nicht ein Stein oder eine Schlange, sei. Für diese deine Barmherzigkeit sei dir, mein Gott, Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.“ (Johann Gerhard)
Gleichwie die vom Menschen gebildeten Laute Zeichen seines Gedankens sind, so sind auch die von Gott gebildeten Geschöpfe Zeichen seiner Weisheit. Darum heißt es im Buche des weisen Sirach, dass Gott seine Weisheit über alle seine Werke ausgegossen habe.
(Thomas von Aquin)
Die Macht des Schöpfers ist die Ursache des Fortbestandes aller Kreaturen; würde diese die Geschöpfe nicht lenken, so müssten sie und die ganze Natur zugleich zu Grunde gehen. Ein Haus bleibt stehen, auch wenn der Baumeister sich entfernt; nicht so die Welt; sie kann keinen Augenblick fortbestehen, wenn Gott sie nicht erhält.
(Augustinus, gest. 430)
„Ich danke dir, allmächtiger und barmherziger Gott, dass du mich von den ersten Tagen meines Lebens an wunderbar erhalten hast! Nackend bin ich in diese Welt gekommen; du hast mich nach deiner Güte gekleidet. Hungrig bin ich in diese Welt eingetreten; du hast mich bisher reichlich geweidet. In dir lebe, webe und bin ich; ohne dich falle ich in Nichts zurück und sterbe. In dir biege und bewege ich meine Glieder; ohne dich kann ich kein Leben und Bewegung haben. Dein ist die Sonne, die mir das Licht gibt, das ich täglich mit meinen Augen erblicke; dein ist die Luft, die ich beständig atme; dein ist der Tag, dein die Nacht, die mir wechselweise zur Arbeit und zur Ruhe dienen; dein ist die Erde, deren Früchte mich durch deine große Güte nähren; dein sind alle Kreaturen im Himmel, in der Luft, auf Erden und im Meer, zu meinem Nutzen und Dienst bestimmt; dein ist das Silber, dein das Gold; was ich zur Erhaltung dieses Lebens brauche, das habe ich alles aufs Reichlichste aus deinen Händen empfangen. Wie freigebig bist du gegen das menschliche Geschlecht, o Gott! Alles hast du einst zum Nutzen der Menschen geschaffen; alles erhältst du heute noch um der Menschen willen. Alles, was du an den Kreaturen tust, das tust du mir, weil du sie alle um meinetwillen wunderbar bildest, ausrüstest und erhältst. Einige Kreaturen dienen mir zur Aufwartung, einige zur Ernährung, einige zur Bekleidung, einige zur Heilung, einige zur Züchtigung; alle aber zur Lehre und Unterweisung. Wer könnte jene mannigfaltigen Arten von essbaren Dingen aufzählen, die du geschaffen hast, und heute noch uns zur Speise aus der Erde hervorbringst? Wer könnte jene verschiedenen Gattungen von Kräutern herzählen, die du jährlich, uns zur Heilung aus der Erde hervorrufst? Wer könnte alle verschiedenen Arten von Tieren mit Worten fassen, die zum Nutzen des Menschen geschaffen sind und ihm dienen? Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit, der du der Schöpfer und Erhalter aller Dinge bist! Ohne dich, du wahre Sonne, würde ich wie ein Schatten verschwinden; ohne dich, du wahres Leben, würde ich augenblicklich dahinsterben; ohne dich, du wahres Wesen, würde ich plötzlich in Nichts zerfallen. Dir allein verdanke ich, dass ich bin, dass ich lebe und mich bewege. Dir allein will ich daher leben und anhangen in Ewigkeit! Amen.“ (Johann Gerhard)
„Siehe, o Herr, ich bin, weil du mich geschaffen hast, und dass du mich schaffen und unter deine Kreaturen zählen wolltest, hattest du vorher bestimmt von Ewigkeit, noch ehe du den Himmel ausspanntest und die Tiefen legtest; noch ehe die Erde gemacht, die Berge gegründet und die Quellen geöffnet waren. Und wie komme ich dazu, gütigster Herr, höchster Gott, gnädigster Vater, wie habe ich solches verdient? Ich war nicht und du schufst mich, ich war nichts und du riefst mich aus dem nichts ins Dasein. Du hättest mich zu einem Wassertropfen, einer Feuerflamme, einem Vogel oder Fisch, zu einer Schlange oder irgendeinem wilden Tier, zu einem Stein oder Holz machen können. Aber nein, deine Güte hat mich über alle Dinge gesetzt, hat mir nicht bloß Leben und Gefühl, sondern auch Verstand gegeben; sie hat mich zur würdigsten Kreatur erhoben und nur um ein Geringes unter die Engel gestellt.“
Soliloquia (Augustini)
„Alle Kreatur ruft dir zu: empfange und bezahle; empfange die Wohltat, bezahle die Schuld! Der Himmel spricht: Ich schaffe dir das Tageslicht, dass du wachen, die Finsternis der Nacht, dass du schlafen und ruhen magst; ich bringe zu deiner Erholung die Annehmlichkeit des Frühlings, die Hitze des Sommers, die Fülle des Herbstes, die Kälte des Winters; ich mache die Nächte bald lang, bald kurz, damit der Wechsel dich vor Überdruss bewahre und die Ordnung dir zur Lust gereiche. Die Luft spricht: Ich teile dir den Lebensodem mit und stelle alle Arten von Vögeln zu deinem Dienst. Das Wasser sagt: Ich gebe dir zu trinken, reinige deine Flecken, befruchte das Trockne und Dürre und schenke dir eine Menge von verschiedenen Fischen. Die Erde spricht: Ich trage dich, ich nähre dich, kräftige dich mit Brot, erfreue dich mit Wein, labe dich durch mancherlei Früchte, fülle deinen Tisch mit mancherlei Tieren. Die ganze Welt sagt: Siehe, wie hat dich der geliebt, der mich dir zum Dienst gestellt hat; denn ich bin um deinetwillen geschaffen, damit auch du dem dienen mögest, der mich um deinet- und seinetwillen geschaffen hat. Empfindest du nun die Größe solcher Wohltat, so bezahle den gebührenden Dank!“
Raymund (+1436)
„Ehe wir nicht begreifen, dass auch nichts sein könnte, begreifen wir nicht, dass etwas ist. Ehe wir die Finsternis im Hintergrund nicht gewahren, können wir die einzigartige Schöpfung des Lichtes nicht würdigen. Kaum dass wir jene Finsternis wahrgenommen haben, erstrahlt das Licht und ist ein plötzliches, blendendes, göttliches Leuchten. Solange wir uns das Nichts nicht vor Augen gestellt haben, unterschätzen wir den Sieg Gottes und vermögen keine der Errungenschaften seines uralten Kampfes zu verstehen. Es gehört zu der Million aberwitziger Wortspiele, hinter denen sich die Wahrheit versteckt, dass wir von nichts etwas wissen, ehe wir nicht vom Nichts wissen.“
(Chesterton)
Ich wundere mich, wie es dem weisen Baumeister der Welt hat einfallen können, uns von seiner Arbeit bei dem großen Werk der Schöpfung gleichsam Rechenschaft abzulegen, da kein kluger Mensch sich leicht die Mühe nimmt, Kinder und Narren über den Mechanismus seiner Handlungen klug zu machen. Nichts als Liebe gegen uns Säuglinge der Schöpfung hat ihn zu dieser Schwachheit bewegen können. Wie würde es ein großer Geist anfangen, der einem Kinde, das noch in die Schule ginge, oder einer einfältigen Magd von seinen Systemen und Projekten ein Licht geben wollte? Dass es Gott möglich gewesen, uns zwei Worte über den Ursprung der Dinge vernehmen zu lassen, ist unbegreiflich; und die wirkliche Offenbarung darüber ein ebenso schönes Argument seiner Weisheit, als ihre scheinende Unmöglichkeit ein Beweis unseres Blödsinns.
J. G. Hamann
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Der Mensch ist sichtlich geschaffen, um zu denken. Dies ist seine ganze Würde und sein ganzes Verdienst; und seine ganze Pflicht ist es, richtig zu denken. Nun verlangt aber die Ordnung der Gedanken, dass man mit sich selbst, seinem Schöpfer und seinem Endzweck beginnt. Woran aber denkt die Welt? Daran niemals, sondern an Tanz, Lautenspiel, Gesang, Verseschmieden, Ringelstechen usw. und daran, sich zu schlagen, sich zum König zu machen, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet, König zu sein, und was, Mensch zu sein. Blaise Pascal
Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen. Arthur Schopenhauer
Ehe wir nicht begreifen, dass auch nichts sein könnte, begreifen wir nicht, dass etwas ist. Ehe wir die Finsternis im Hintergrund nicht gewahren, können wir die einzigartige Schöpfung des Lichtes nicht würdigen. Kaum dass wir jene Finsternis wahrgenommen haben, erstrahlt das Licht und ist ein plötzliches, blendendes, göttliches Leuchten. Solange wir uns das Nichts nicht vor Augen gestellt haben, unterschätzen wir den Sieg Gottes und vermögen keine der Errungenschaften seines uralten Kampfes zu verstehen. Es gehört zu der Million aberwitziger Wortspiele, hinter denen sich die Wahrheit versteckt, dass wir von nichts etwas wissen, ehe wir nicht vom Nichts wissen. G. K. Chesterton
Warum Gott den Menschen zuletzt erschaffen hat? Damit er ihm bei der Schöpfung nicht dreinreden konnte. Gorch Fock
Wer Gott um Gaben bitt', der ist gar übel dran: Er betet das Geschöpf und nicht den Schöpfer an. Angelus Silesius
Die Heilige Schrift ist ein Fluss, in dem ein Elefant schwimmen muss und ein Lamm gehen kann. Martin Luther
Die Heilige Schrift ist ein wunderbares Kräutlein. Je mehr du es reibst, desto mehr duftet es. Martin Luther
Die Heilige Schrift lesen, heißt von Christus Rat holen. Franziskus von Assisi
Die Schrift ist ein Kräutlein, je mehr du es reibst, desto mehr duftet es. Martin Luther
Es ist nichts Helleres denn die Sonne, das ist die Schrift. Ist aber eine Wolke davorgetreten, so ist doch nichts anderes dahinter denn dieselbe helle Sonne. Ist ein dunkler Spruch in der Schrift, so zweifelt nur nicht, es ist gewisslich dieselbe Wahrheit dahinter, die am andern Ort klar ist, und wer das Dunkle nicht verstehen kann, der bleibt bei dem Lichten. Martin Luther
Wer den Sinn der Schrift geben will und ihn nicht der Schrift entnimmt, ist ein Feind der Schrift. Pascal
Wer nicht die Heilige Schrift hat, muss sich mit seinen Gedanken begnügen. Wer keinen Kalk hat, mauert mit Dreck. Martin Luther
1.
Was mit Gottes Wort nicht übereinstimmt, ist weder zu predigen noch zu glauben. Denn die Kirche als Gemeinschaft der von Christus in die Nachfolge Berufenen wird allein durch sein Wort geschaffen, erneuert und „in der Spur“ gehalten. Kirche will von Gott nichts lehren, als nur das, was er selbst durch sein Wort hat wissen lassen – in trüberen Quellen fischt sie nicht. Und wo dieses „Schriftprinzip“ in Geltung steht, schützt es sowohl die Verkündigung der Kirche als auch den Glauben des Einzelnen vor Fehlentwicklungen aller Art. Wo es hingegen mehr Anspruch als Wirklichkeit ist, folgen zwangsläufig geistliche Krisen.
2.
Die Bibel ist das einzige Medium, das uns zuverlässig mit Gottes geschichtlicher Offenbarung in Jesus Christus verbindet. Sie ist darum der verbindliche „Originalton“, an dem sich alle späteren Interpretationen des Evangeliums und alle Gestalten kirchlichen Lebens messen lassen müssen. Dass Menschenhände das eine Wort Gottes niedergelegt haben, ändert daran nichts: Gott bleibt der „Autor“ hinter den biblischen Autoren, denn sie waren Instrumente seines Geistes.
3.
Blinde Blindenführer
„Der Grund der Schuld ist nicht die Übertretung, sondern der Gegensatz der beiden Willen, des göttlichen und des menschlichen.“
(G. van der Leeuw)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Begangene Fehler können nicht besser entschuldigt werden als mit dem Geständnis, dass man sie als solche erkenne. Calderon
Gott hat mit Sicherheit alle erdenklichen Vollkommenheiten, aber, wenn ich so sagen darf, er hat zugleich eine große Schwäche: Er ist blind! Und es gibt eine Wissenschaft, die er nicht kennt: Das ist das Rechnen. Würde er genau sehen, und könnte er rechnen, glauben Sie, dass er uns angesichts all unserer Schuld nicht ins Nichts zurückfallen ließe? Aber nein, seine Liebe zu uns macht ihn blind. Thérèse von Lisieux
Lerne fühlen, dass du durch die Schuld, die auf dir liegt, kein anderes Recht erworben hast, als zur Verantwortung gezogen zu werden. Thomas von Kempen
Die Welt schuldet uns nichts – sie war vor uns da. Mark Twain
Mit der Dankbarkeit ist es wie mit der Ehrlichkeit der Kaufleute. Sie hält die Wirtschaft in Schwung, und wir zahlen nicht etwa, weil wir unsere Schulden begleichen wollen, sondern um leichter neue Geldgeber zu finden. Rochefoucauld
Was nützt es dir, lange zu leben, wenn dein Eifer, besser zu werden, von so kurzer Dauer und so geringer Wirkung ist? Ach, ein langes Leben macht den Menschen nicht immer besser, macht seine Schuld oft nur größer. Hätten wir doch hier auf Erden auch nur einen Tag recht gut gelebt! ... Wenn es für dich so schrecklich ist, jetzt zu sterben, so ist es vielleicht noch gefährlicher, länger zu leben. Thomas von Kempen
1.
Man kann nicht von Gottes Vergebung leben und anderen Vergebung verweigern. Doch besteht sie nicht darin, über die Verletzung von Normen hinwegzusehen oder Schuld zu relativieren. Echte Vergebung bestätigt die geltenden Normen, weil die Verfehlung beim Namen genannt, bereut – und erst dann verziehen wird. Nur so entspricht es Gottes Vergebung, weil auch seine Gnade nie Gnade ohne Gericht ist, sondern immer Gnade im Gericht. Auch er wirft niemandem Vergebung hinter, der sie gar nicht für nötig hält, und vergibt nicht, wo das nicht erbeten wird.
2.
Vergebung besteht nicht darin, dass man erfahrenes Unrecht relativiert, kleinredet, vergisst, toleriert, billigt oder entschuldigt, sondern darin, dass man den Täter an Gott überweist, der ebenso gerecht wie barmherzig ist, der schärfer sieht und besser urteilt als wir. Der Vergebende verzichtet auf den Schuldvorwurf und gibt damit die Person frei, an deren Verhängnis er ein berechtigtes Interesse haben könnte. Er besteht nicht auf Vergeltung und schickt dem Schuldigen auch keine Flüche hinterher, sondern wünscht ihm, dass er sowohl zu seiner Tat als auch zu ihren Folgen eine heilsame Distanz gewinnt.
3.
Wer als Sünder geboren wird, hat keine andere Wahl, als zu sündigen. Doch kann uns das nicht entschuldigen, weil wir keineswegs widerwillig, sondern willig sündigen. Wir handeln „selbstbestimmt“, insofern wir Anderes und Besseres tun könnten, wenn wir nur wollten. Was uns am Gut-Sein hindert, ist also nicht, dass wir nicht Gut-Sein „könnten“ (obwohl wir es wollen), sondern am Gut-Sein hindert uns nur, dass wir es nicht wollen (obwohl wir wissen, dass wir es wollen sollten). Der Mensch sündigt demnach aus freien Stücken. Und mehr braucht man nicht, um für die Folgen verantwortlich zu sein.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Martin Luther schreibt am 21. August 1544 an Georg Spalatin, der sich einen Fehler schwer zu Herzen nimmt:
„Es ist übrig genug, dass ihr euch hierin vergriffen habt; so lasst doch die Sünde nicht an euch bleibend, sondern vorübergehend sein und lasst ab von der Traurigkeit, die eine noch viel größere Sünde ist. Hört den seligen Trost, den der Herr euch vorhält durch den Propheten, da er spricht, Ezech. 33,11.: „So wahr ich lebe, ich habe keinen Gefallen an des Sünders Tod, sondern dass er sich bekehre und lebe.“ Meint ihr denn, des Herrn Hand sei allein bei euch zu kurz geworden? Jes. 59,1. Oder hat er allein an euch aufgehört, gnädig und barmherzig zu sein? Ps. 77,10. Oder seid ihr der erste, der es durch seine Sünde so übel ausgerichtet hat, dass wir nunmehr keinen Hohenpriester haben, der da könnte Mitleid haben mit unserer Schwachheit? Oder dünkt es euch wunderbar oder neu, dass ein Mensch, so im Fleische lebt und mit so vieler Teufel unzähligen feurigen Pfeilen umgeben ist, zuweilen verwundet oder zu Boden gefällt wird? Ihr scheint mir, mein lieber Spalatin, im Streit wider Sünde, bös Gewissen, Gesetz und Schrecken des Todes noch wenig erfahren zu sein; oder der Satan hat euch aus den Augen und Gedächtnis gerückt allen Trost, so ihr je in der Schrift gelesen habt, dadurch ihr außerhalb der Anfechtung, gerüstet auf’s allerbeste, euch habt zu erinnern gewusst, was Christi Amt und Wohltaten seien; ja, er hat euch auch alle eure schönen christlichen Predigten von Gottes Gnade und Barmherzigkeit, in Christo uns erzeigt, damit ihr andere gelehrt, ermahnt und getröstet habt mit fröhlichem Geist und großem freudigem Mut, aus dem Herzen gerissen. Oder ihr seid sicherlich bisher nur ein schwacher Sünder gewesen, der sich nur ganz geringer und kleiner Fehler und Schwachheiten bewusst war. Derhalben ist meine treue Bitte und Vermahnung, ihr wollet euch gesellen und halten zu uns, die wir rechte, große und hartgesottene Sünder sind, damit ihr uns Christum ja nicht klein noch gering macht, als der allein von erdichteten, schlechten, kindischen Sünden könnte helfen. Nein, nein, das wäre nicht gut für uns, sondern er ist der Heiland und Erlöser von rechten, großen, schweren, verdammten Übertretungen und Missetaten, ja, von den allergrößten und ärgsten, und in Summa, von allen Sünden miteinander. Auf diese Weise tröstete mich einst D. Staupitz, da ich auch einmal eben in diesem Spital und gleicher Anfechtung krank lag, wie ihr jetzt. Ei, ihr wollt, sagte er, ein gemalter Sünder sein, und derhalben Christum nur für einen gemalten Heiland haben. Ihr müsst euch recht gewöhnen zu glauben, dass Christus ein wahrer Heiland sei, und ihr dagegen ein wahrer Sünder seid. Denn Gott scherzt nicht, geht auch nicht mit erdichteten Dingen um; sondern es ist ihm ein rechter, großer Ernst gewesen, da er seinen einigen Sohn in die Welt gesandt hat und für uns alle dahingegeben etc., Röm. 8,32. Joh. 3,16. Diese und dergleichen Gedanken (aus den Trostsprüchen der Schrift geschöpft) hat euch der leidige Satan aus dem Gedächtnis entzogen, dass ihr euch derselben jetzt in eurer großen Angst und Schwermut nicht erinnern könnt. Darum reicht doch um Gottes willen eure Ohren her und höret, Bruder, doch, wie ich, euer Bruder, fröhlich singe, der ich außerhalb eurer Traurigkeit und Schwermut stehe und stark bin, und zwar darum stark, auf dass ihr, der ihr schwach seid und vom Teufel gejagt und erschreckt, euch auf mich stützen und aufrichten möget, bis dass auch ihr, wieder aufgerichtet, dem Teufel könnet Trotz bieten und getrost singen: „Man stößt mich, dass ich fallen soll, aber der Herr hilft mir“, Ps. 118,13. Gedenkt doch jetzt, ich sei Petrus, der euch die Hand reiche und zu euch spräche: „Im Namen Jesu stehe auf und wandele“, Apost. 3,6. Ach, mein lieber Spalatin, hört doch und glaubt den Worten, die Christus durch mich zu euch redet; denn ich irre ja nicht, das weiß ich, viel weniger rede ich etwas teuflisch, sondern Christus redet durch mich (weil ich euch sein Wort vorhalte), und gebietet euch, dass ihr eurem Bruder in gemeinsamem Glauben gehorchen und glauben sollt. Er selbst absolviert euch von dieser und allen Sünden, so werden wir denn teilhaftig eurer Sünden und helfen sie euch tragen. Darum seht zu, dass ihr auch mit uns teilnehmt an unserem Trost, der wahrhaftig, gewiss und beständig ist…“
Es ist kein Mensch einer himmlischen Tröstung wert, der sich nicht zuvor in der Schule der heiligen Zerknirschung fleißig geübt hat. Thomas von Kempen
Mit dem Tode umzugehen ist die Schule des Glaubens. Martin Luther
SCHUTZMANTELMADONNA
„Befindet aber jemand die Freudigkeit des Glaubens nicht, sondern ist schwachgläubig und trostlos, der verzage darum nicht, sondern tröste sich der verheißenen Gnade in Christo, denn dieselbe bleibt allezeit, fest, gewiss und ewig. Und ob wir gleich aus Schwachheit fallen und straucheln, so fällt doch Gottes Gnade nicht hin, wenn wir nur durch wahre Buße wieder aufstehen. Christus bleibt auch immer Christus und ein Seligmacher; er werde mit schwachem oder starkem Glauben ergriffen. Es hat auch der schwache Glaube so viel an Christo, als der starke, denn ein jeder, er sei schwach oder starkgläubig, hat Christum ganz zu eigen. Die verheißene Gnade ist allen Christen gemein, und ist ewig, darauf muss der Glaube ruhen, er sei schwach oder stark. Gott wird dir zu seiner Zeit den erquickenden, freudenreichen Trost wohl widerfahren lassen, ob ers gleich in deinem Herzen eine Zeitlang verbirgt, Ps. 37,24. und Ps. 77,8-11.“ (Johann Arndt)
„Ich will die Hinkende erretten.“ Zeph. 3,19. Es gibt viele dieser Lahmen, beides, männliche und weibliche. Ihr könnt „der Hinkenden“ zwanzigmal in einer Stunde begegnen. Sie sind auf der rechten Straße und wünschen sehr, sorgsam darauf zu gehen, aber sie sind lahm und ihr Gang ist ein kümmerlicher. Auf der Himmelsstraße sind viele Krüppel. Es mag sein, dass sie in ihrem Herzen sprechen: Was wird aus uns werden? Die Sünde wird uns überrumpeln, Satan wird uns niederwerfen. „Hinkend“ ist unser Name und unsre Natur; der Herr kann nie gute Krieger aus uns machen, nicht einmal schnelle Boten, um seine Aufträge auszurichten. Wohl, wohl! Er will uns erretten, und das ist nichts Geringes. Er sagt: „Ich will die Hinkende erretten“. Indem er uns errettet, wird er sich selbst sehr verherrlichen. Jedermann wird fragen: Wie kam diese Lahme dazu, den Lauf zu laufen und die Krone zu gewinnen? Und dann wird alles Lob der allmächtigen Gnade gegeben werden. Herr, ob ich gleich hinke im Glauben, im Gebet, im Loben, im Dienst und in der Geduld, errette mich, ich bitte dich! Du allein kannst solchen Krüppel retten, wie ich es bin. Herr, laß mich nicht umkommen, weil ich unter den Hintersten bin, sondern führe durch deine Gnade den langsamsten deiner Pilger heim, – sogar mich. Siehe, er hat gesagt, es soll so sein, und darum geh’ ich weiter wie Jakob, obsiegend im Gebet, wenn auch das Gelenk meiner Hüfte verrenkt wird.“ (Charles H. Spurgeon)
Ein Fünklein ist auch Feuer. Versuchs nur, leg Kohlen zu, blas drein, ob‘s nicht Feuer geben werde. Ein schwacher Glaube ist auch ein Glaube. Der Glaube ist nicht allzeit eine brennende Fackel, sondern oft nur ein glimmendes Kerzlein. Das Kerzlein leuchtet so wohl als die Fackel, obgleich nicht so hell. Der Glaube ist das Auge, damit wir Jesum ansehen. Ein blödes Auge ist auch ein Auge, ein weinendes Auge ist auch ein Auge. Du sitzest in Tränen und klagst, ach wie ist mir so herzlich bange, dass ich nicht glauben kann; ach dass ich doch glauben könnte! Mein teuerstes Herz, auch der glaubt, der sein vermeintes Nichtglauben herzlich beweint, denn solche Tränen zeugen vom Verlangen nach dem Glauben. Gern wollen glauben, heißt vor Gott geglaubt. Gott wirkt in uns sowohl das Wollen als Vollbringen, darum kann er jenes so wenig als dieses verschmähen. Der Glaube ist die Hand, damit wir Jesum ergreifen. Eine bebende Hand ist auch eine Hand. Ach! Der glaubt, dem das Herz im Leibe bebt, wenn er zugreifen und Jesum fassen soll. Du sprichst oft: O, wie kann ich mich der Wunden Jesu getrösten, und ich erzittere, wenn ich an meine große Sünde gedenke, ich bin des Trostes nicht wert! Das heißt doch geglaubt und Jesum mit bebender Hand ergriffen. Der Glaube ist die Zunge, damit wir schmecken, wie freundlich der Herr ist. Eine am Geschmack geschwächte Zunge ist auch eine Zunge. Auch dann glauben wir, wenn wir kein Tröpflein Trostes schmecken. Denn unser Glaube gründet sich nicht auf unser Fühlen, sondern auf Gottes Verheißen. Der Glaube ist der Fuß, so uns zu Jesu trägt. Ein kranker Fuß ist auch ein Fuß; wer langsam kommt, kommt auch. Ein Christ muss in seinem Glauben nicht sehen auf wie, sondern was. Was hält dein Glaube? Jesum. Wie hält er ihn? Schwächlich. Liegt nichts dran, wenn er nur Jesum hält. Gott hat die Seligkeit gelegt nicht in deinen Griff, sondern in den Ergriffenen, welcher ist Christus. Es ist eine doppelte Hand, die mir zum Himmel hilft. Meine Glaubenshand ergreift Jesum und hält sich an sein Verdienst. Jesu Gnadenhand ergreift mich und kommt meiner Schwachheit zu Hilfe. Mein Ergreifen und Halten ist leichter wieder losgemacht, sein Ergreifen und Halten ist desto fester. Also bin ich auf einmal zugleich schwach in mir, stark in meinem Jesu.
(Heinrich Müller)
Der Mensch wird nicht erst durch seine Geburt zum Menschen. Er ist es schon lange zuvor. Denn in der Entwicklung einer befruchteten Eizelle gibt es keinen qualitativen Sprung, der es erlaubte, „vormenschliches“ von „menschlichem“ Leben abzugrenzen. Ist das ungeborene Kind aber Mensch von Anfang an – und damit ein von Gott gewolltes Ebenbild des Höchsten –, so kommen ihm dieselbe Menschenwürde und dasselbe Lebensrecht zu wie einem geborenen Kind. Auch vom Ungeborenen gilt also: „Du sollst nicht töten“.
Manchmal wird behauptet, es käme beim Glauben vor allem auf die Hingabe an, während der geglaubte Inhalt nicht so wichtig sei. Aber kann man sich von Herzen hingeben, ohne zu wissen an wen? Kann man rückhaltlos vertrauen, ohne zu wissen auf was? Das ist unmöglich, denn so wenig wie ein Verliebter kann der Gläubige seine Ergriffenheit trennen von dem, was ihn ergriffen hat. Wir fürchten, vertrauen und lieben Gott, weil er ist, wie er ist. Wäre er aber anders (oder hätten wir keine Ahnung wie er ist), wäre das unmöglich, denn der Glauben ist lediglich ein Reflex, der widerspiegelt, wie Gott uns in seiner Offenbarung gegenübertritt.
„O, falls man, wozu man christlich gewiss berechtigt ist, indem man den jetzigen Zustand der Welt und das ganze Leben betrachtet, christlich sagen müsste: es ist krank – und falls ich ein Arzt wäre: wenn dann Jemand fragte: „was meinst Du, dass geschehen muss?“ ich würde antworten: „das Erste, die unbedingte Bedingung, damit Etwas geschehen kann, also das Erste, was geschehen muss, ist: schaffe Schweigen, bringe Schweigen zuwege, das Wort Gottes kann nicht gehört werden, und soll es, durch lärmende Mittel bedient, lärmend ausgerufen werden, um im Spektakel mit gehört zu werden, so wird es nicht Gottes Wort, schaffe Schweigen! O, Alles lärmt; und wie man von einem hitzigen Getränke sagt, dass es das Blut aufregt, so ist in unsern Zeiten jedes, selbst das unbedeutendste Unternehmen, jede, selbst die nichtssagendste Mitteilung, nur darauf berechnet, die Sinne zu erschüttern oder die Masse aufzuregen, die Menge, das Publikum, den Lärm! Und der Mensch, dieser kluge Kopf, er ist wie schlaflos geworden, um neue, neue Mittel zu erfinden, den Lärm zu vergrößern, und mit möglichst großer Hast und nach möglichst großem Maßstabe das Lärmende und das Nichtssagende zu verbreiten. Ja, die Umkehrung ist wohl bald erreicht: die Mitteilung ist wohl bald zum niedrigsten Grade der Bedeutung heruntergebracht, und gleichzeitig haben die Mittel der Mitteilung wohl ungefähr einen höchsten Grad in Hinsicht eilender und Alles überschwemmender Verbreitung erreicht; denn was eilt man wohl so sehr unter die Leute zu bringen, und was hat andrerseits mehr Verbreitung, als: Geschwätz! O, schaffe Schweigen!“ (Sören Kierkegaard)
„Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muss sie allein sein und muss selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll.“ (Meister Eckhart)
„Allzu vieler und öfterer weltlicher Gesellschaften musst du dich äußern und entziehen. Denn gleichwie dem menschlichen Leibe nicht besser ist, als wenn er in seinem Hause ist, also ist der Seele nicht besser, als wenn sie in ihrem eigenen Hause ist, das ist, in Gott ruhet, daraus sie geflossen ist, da muss sie wieder einfließen, wenn ihr wohl sein soll. Eine Kreatur ruhet nicht besser, als in dem, daraus sie geworden ist, ein Fisch im Wasser, ein Vogel in der Luft, und ein Baum im Erdreich. Also die Seele in Gott …“ (Johann Arndt)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Der heutige Zustand der Welt, das ganze Leben ist krank. Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte, was rätst du? - ich würde antworten: Schaffe Schweigen! Bringe die Menschen zum Schweigen. Gottes Wort kann so nicht gehört werden. Und wenn es unter der Anwendung lärmender Mittel geräuschvoll hinausgerufen wird, dass es selbst im Lärm gehört werde, so ist es nicht mehr Gottes Wort. Darum schaffe Schweigen! Sören Kierkegaard
Ein Schwätzer wünschte, von Sokrates Rhetorik zu lernen. Der Philosoph verlangte von ihm doppelt soviel Honorar wie von anderen. Natürlich wollte der Schwätzer den Grund dafür wissen und Sokrates antwortete: „Weil ich dir sowohl Sprechen als auch Schweigen beibringen muss!“
Es ist besser zu schweigen und als Idiot verdächtigt zu werden, als zu reden und dadurch den Beweis anzutreten. Abraham Lincoln
Man kann nämlich auf zweierlei Weise schweigen, man kann bumsstille schweigen, aber so ist das Schweigen verdächtig, oder man kann von allem möglichen andern reden, so gibt es ja keinen, der darauf fallen kann, dass man schweige. Sören Kierkegaard
Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muss sie allein sein und muss selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll. Meister Eckhart
Wenn die Menschen nur von dem sprächen, was sie verstehen, dann würde gar bald ein großes Schweigen auf der Erde herrschen. Aus China
Wenn ich schweige, erfahre ich die Unzulänglichkeiten der anderen und verberge meine eigene. Zeno der Ältere
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten! Oscar Wilde
Wie höflich ist die Bibel. Wenn du schweigst, so redet sie und wenn du redest, schweigt sie. Hermann Oeser
Der Glaube lebt von Gottes Nähe. Doch manchmal scheint es, als sei er abwesend und fern. Diese Erfahrung ist bedrohlich. Und trotzdem gilt es, ihr standzuhalten. Man darf Gott dann nicht durch irgendetwas anderes ersetzen. Und man sollte auch nicht so tun, als käme man ohne ihn aus. Man halte einfach Gottes Platz frei und ertrage die Leere, die er uns zumutet. Denn Gott verbirgt sich, aber er verlässt uns nicht. Er bleibt der barmherzige Vater, der versprochen hat, zurückzukommen. Die Bereitschaft aber, auf ihn zu warten – das ist Glaube.
1.
Das menschliche Leben ist in weiten Teilen ein vergebliches Jagen nach vergänglichen Gütern von zweifelhaftem Wert. Doch für die Enttäuschung, die daraus resultiert, ist nicht die „Welt“ verantwortlich, sondern der Mensch, der in der Welt sucht, was nur bei Gott zu finden ist. Unseren Hunger nach Vollkommenheit, Verlässlichkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Glück kann und soll die Welt nicht stillen. Das aber zu erkennen, sich von der Welt frei zu machen für Gott, und dann den Frieden nirgendwo anders zu suchen als in ihm – das ist Glaube.
2.
Wenn ein Mensch an der Welt und an sich selbst verzweifelt, muss man ihm das nicht ausreden und ihm Pillen verschreiben, sondern kann ihm zur klaren Sicht der Dinge gratulieren. Nur sollte er Gott dabei ausnehmen, an dem zu verzweifeln kein Anlass besteht. Und hält er an ihm fest, hat sich die Gesamtbilanz seines Lebens nicht verschlechtert. Gottes Gnade ist am Ende alles, was er hat. Aber sie ist auch alles, was er braucht. Darum – wohl dem, der auf die rechte Weise verzweifelt ist! Denn niemand ist der Gnade näher, als der, dem sich aller falsche Trost entzogen hat.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Wenn die Menschen unter das Getümmel ihrer Geschäfte und Zerstreuungen gewohnt wären, bisweilen ernsthafte Augenblicke der lehrreichen Betrachtungen zu mengen, dazu sie das tägliche Beispiel der Eitelkeit unserer Absichten in dem Schicksale ihrer Mitbürger auffordert: so würden ihre Freuden vielleicht weniger rauschend sein, aber die Stelle derselben würde eine ruhige Heiterkeit der Seele einnehmen, der keine Zufälle mehr unerwartet sind, und selbst die sanfte Schwermut, dieses zärtliche Gefühl, davon ein edles Herz aufschwillt, wenn es in einsamer Stille die Nichtswürdigkeit desjenigen erwägt, was bei uns gemeiniglich für groß und wichtig gilt, würde mehr wahre Glückseligkeit enthalten als die ungestüme Belustigung des Leichtsinnigen und das laute Lachen des Toren. Immanuel Kant
Jeftahs Tochter
1.
Die Seele entzieht sich der direkten Beobachtung. Und doch unterscheiden wir das Innerste eines Menschen von der Hülle, die bei seinem Tod zurückbleibt. Wir unterscheiden die greifbare Erscheinung von dem, was darin erscheint. Und so können wir auch die Seele vom sterblichen Leib unterscheiden, wie die Idee eines Buches von Papier und Druckerschwärze. Das Druckerzeugnis ist nur die Manifestation einer geistigen Wirklichkeit, die (wie sie dem Druckerzeugnis vorausging) auch unabhängig von ihm im Geist des Autors existieren kann. Der Autor eines Menschen ist aber der Schöpfer, der nie etwas vergisst.
2.
Die menschliche Seele verdankt ihre Unsterblichkeit nicht einem eigenen Beharrungsvermögen, durch das sie „unzerstörbar“ wäre, sondern verdankt sie allein der Treue und Beharrlichkeit Gottes, der die Toten nicht vergisst und aus der Beziehung zu ihm nicht entlässt. Es irren darum auch jene, die meinen, mit ihrem Tod sei „alles aus“. Gott hat nicht vor, sie aus ihrer Verantwortung ins Dunkel des Nicht-Seins entwischen zu lassen. Mancher wird sich wünschen, er könnte sich die Bettdecke des Todes über beide Ohren ziehen. Aber es wird keinem gelingen.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Wie habe ich meine Seele zu lieben? Dass ich trachte mit meinem Verstand Gott, als die höchste Weisheit, mehr und mehr zu erkennen, mit meinem Willen ihn, als das höchste Gut, zu ergreifen, und alle meine Begierde allerdings auf denselben zu richten, mit meinem Gedächtnis dasjenige, was Gottes ist, zu fassen, und also solche Kräfte der Seele ihm zu heiligen, dass sie nachmal auch andere Dinge, wie es ihm gefällig ist, verstehen, ergreifen und fassen mögen: sodann in meiner Seele selbst seine Wohnung zu sein, mit ihm mehr und mehr vereiniget zu werden: Denn darinnen stehet der Seelen höchste Seligkeit.“ (Philipp J. Spener)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Der gesündeste Zustand eines Christen besteht darin, dass er allezeit leer ist im eigenen Ich und beständig von dem Herrn abhängig, dass er allezeit arm ist in der eigenen Seele und reich in Jesus. C. H. Spurgeon
Was Jesus ist, nicht was wir tun, gibt unserer Seele Ruhe. C. H. Spurgeon
Als Abraham vom Todesengel gerufen wurde, weigerte er sich, ihm zu folgen, weil er nicht glauben konnte, dass Gott jemanden töten würde, der ihn so sehr geliebt hatte. Aber er vernahm das Wort: „Hast du je einen Liebenden gesehen, der sich weigert, zu seinem Geliebten zu gehen?“ Als er das hörte, übergab er seine Seele freudig dem Engel. nach A. Schimmel
Da die Großen der Erde weder körperliche Gesundheit noch Seelenruhe geben können, kauft man bei ihnen immer zu teuer. Rochefoucauld
Dass Gott mit Gnade in der Seele ist, das bringt mehr Licht mit sich, als alle Vernünftigkeit herbeischaffen könnte. Meister Eckhart
Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare. Morgenstern
Der Tod, den die Menschen fürchten, ist die Trennung der Seele vom Körper. Den Tod aber, den die Menschen nicht fürchten, ist die Trennung von Gott. Augustin
Des dummen Wanderns ist's auf Erden schon genug: Bewahre mich, mein Gott, vor Seelenwanderung! Friedrich Haug
Deutlicher konnte der Philosoph Schopenhauer seine Zweifel kaum ausdrücken als durch die Verse, die man in seinem Nachlass fand: „Gott – wenn du bist – errette aus dem Grabe / Meine Seele – wenn ich eine habe!“
Die Blattlaus vernichtet die Pflanzen, der Rost Metall und die Lüge die Seele. Anton Tschechow
Die große Frage, die niemals beantwortet worden ist und die ich trotz dreißig Jahre langer Erforschung der Frauenseele auch nicht beantworten konnte, lautet: Was wünscht sich eine Frau? Sigmund Freud
Die Religion ist das Krankenhaus der Seelen, welche die Welt verwundet hat. Jean Antoine Petit-Senn
Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut. Augustin
Erfahrung, nicht lesen und hören ist die Sache. Es ist nicht einerlei, ob eine Idee durch das Auge oder das Ohr in die Seele kommt. G. Chr. Lichtenberg
Es ist viel dringender erforderlich, die Seele als den Körper zu heilen, denn Tod ist besser als ein schlechtes Leben. Epiktet
Großer Gott, lass meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird! Selma Lagerlöf
Ich ward einmal gefragt, woher das käme, dass es guten Leuten so wohl mit Gott wäre, dass sie Gott so ernsthaft dienten? Da antwortete ich und sprach, es käme daher, dass sie Gott „geschmeckt“ hätten, und es wäre ein Wunder, wenn der Seele, die Gott nur einmal geschmeckt und gekostet hätte, je hinfort etwas anderes schmecken könnte. Ein Heiliger sagt, der Seele, die Gott geschmeckt hat, werde alles, was Gott nicht ist, zu einem stinkenden widerlichen Pestgeschmack. Meister Eckhart
In die einsame, stille, freie Gottheit trage deinen unnützen, hässlichen Seelengrund, der überwachsen ist mit Unkraut, ledig alles Guten, und voll der wilden Tiere. Gott entgegen trage deine Finsternis, die allen Lichtes entbehrt, und lass ihn dich erleuchten. Johannes Tauler
Kann derjenige wohl redlich, kann er wohl tugendhaft heißen, welcher sich gern seinen Lieblingslastern ergeben würde, wenn ihn nur keine künftige Strafe schreckte, und wird man nicht vielmehr sagen müssen, dass er zwar die Ausübung der Bosheit scheute, die lasterhafte Gesinnung aber in seiner Seele nähre, dass er den Vorteil der tugendähnlichen Handlungen liebe, die Tugend selber aber hasse? Immanuel Kant
Konfuzius sprach: „Sieh, welche Mittel ein Mensch verwendet, um seine Ziele zu erreichen; betrachte die Beweggründe, die sein Handeln bestimmen; prüfe, worin seine Seele Ruhe findet und was ihn bewegt. Wie kann ein Mensch da noch sein Wesen verbergen? Wie kann ein Mensch da noch sein Wesen verbergen?“ „Gespräche“ des Konfuzius
Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muss sie allein sein und muss selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll. Meister Eckhart
Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre! Matthias Claudius
Tugend ist die Gesundheit der Seele. Ariston von Chios
Unser Geist ist nur alsdann wachend anzusehen, wenn er sich Gottes bewusst, ihn denkt und empfindet, und die Allgegenwart Gottes in und um sich erkennt, wie die Seele eines Wachenden ihre Herrschaft über den Leib und der Leib die Eindrücke eines geistigen Willens ausdrückt. Ein Mensch, der in Gott lebt, wird sich daher zu einem natürlichen Menschen verhalten, wie ein wachender – zu einem schnarchenden im tiefen Schlaf – zu einem Träumenden – zu einem Mondsüchtigen. Johann Georg Hamann
Unser Übel liegt in der Seele; die aber kann sich selbst nicht vermeiden. Charles de Montesquieu
Von allen Leidenschaften kennen wir die Trägheit am wenigsten, und doch ist sie die heftigste und bösartigste, obwohl ihr Einfluss unmerklich und der von ihr angerichtete Schaden sehr verborgen ist. Wenn wir ihre Wirksamkeit aufmerksam untersuchen, so werden wir erkennen, dass sie sich bei jeder Gelegenheit zur Herrin über unsere Gefühle, unser Vorteilsstreben und unsere Freuden zu machen versteht. Sie gleicht jenem winzigen Märchenfisch, der die größten Schiffe angehalten haben soll, und gleicht der Windstille, die großen Unternehmungen gefährlicher sein kann als Sandbänke und Wirbelstürme. Die Ruhe der Trägheit ist eine heimliche Verzauberung der Seele, die plötzlich das eifrigste Streben und den festesten Entschluss aufgibt. Um schließlich eine wahre Vorstellung von dieser Leidenschaft zu geben, muss man sagen, dass sie eine Art Glückseligkeit der Seele ist, diese über alle Verluste tröstet und ihr alle Güter ersetzt. Rochefoucauld
Was für Mühe muss es Gott und seinem Geist geben, um den Schutt bloß aus dem Wege zu räumen, worunter der Satan unsre Seelen vergräbt, wenn wir mit ihm an selbigen zu bauen gedenken. Johann Georg Hamann
Wer die wahre, die unvergängliche Ehre sucht, der kümmert sich nicht viel um die vergängliche. Und wer noch vergängliche Ehre sucht oder sie noch nicht von ganzem Herzen verschmäht, der beweist eben dadurch, dass ihm die unvergängliche Ehre noch nicht über alles lieb und teuer geworden ist. Große Seelenruhe hat der, der sich weder die Lobsprüche noch die Schmähworte der Menschen nah ans Herz gehen lässt. Thomas von Kempen
Wie ein Gesicht schön wird, dadurch, dass es Seele, so die Welt dadurch, dass sie einen Gott durchscheinen lässt. Friedrich Heinrich Jacobi
1.
Seelsorge ist die Fortsetzung dessen, was Jesus seinen Jüngern tat, als er ihnen den Willen und die Liebe Gottes so nahe brachte, dass sie aus der Entfremdung vom Vater zu neuer Gemeinschaft fanden. Außerhalb dieser Gemeinschaft gibt es kein gelingendes Leben. Darum geht die Absicht der Seelsorge über das mitmenschliche „Für-einander-da-sein“ hinaus. Ihre wichtigste Hilfe zum Leben besteht in der Hilfe zu jenem Glauben, der seinerseits dann menschliches Leben gelingen lässt.
2.
Der Blick auf unser Versagen, auf Schuld und unerfüllte Wünsche, macht das Sterben schwer. Darum gelingt getrostes Sterben nur, wo wir den Blick auf Christus richten. Er ist bereit, unsere Defizite auszugleichen, wenn wir uns seiner Gnade überlassen. Und Christus zu ergreifen, ist auch ein schwacher Glaube stark genug. Fürchtet aber jemand Gottes Strenge, soll er umso entschlossener zu Christus hin flüchten und ihn bitten, im Gericht sein Fürsprecher zu sein: So einer wird durch den Tod keineswegs vernichtet, sondern durch den Tod hindurch vollendet.
1.
Der Segen bringt den Gesegneten durch das Wort unter die heilende und heiligende Macht Gottes, von der im Segen die Rede ist. Der Segen besteht zunächst im „Mit-Sein“ Gottes. Dieses hat aber unmittelbare Folgen, denn es unterstellt den Gesegneten der Macht Gottes, die ihn zugleich schützt und fordert, ihm Leben zuspricht und dieses Leben auch beansprucht, so dass im Segen immer die Begabung und Verpflichtung des Gesegneten inbegriffen ist. Solcher Segen ist kein unverbindliches „Wünschen“, sondern er wird mit Gewissheit „erteilt“. Er redet nicht vom Heil, ohne auch zu geben, wovon er redet.
2.
Bileams Eselin
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Dieser Segen aber ist nicht ein leerer Schall von Worten oder ein Glückwunsch, damit Einer dem Andern etwas Gutes pflegt zu wünschen. Als, wenn ich sage: Gott gebe dir feine und gehorsame Kinder; das sind nur solche Worte, damit man Einem etwas Gutes wünscht, damit ich einem Andern nichts gebe, sondern allein etwas wünsche; und ist ein solcher Segen, der ungewiss ist und noch vom Erfolg abhängt. Dieser Segen aber des Patriarchen Isaak zeigt auch ein gegenwärtiges Gut und ist für immer gewiss. Es ist kein Wunsch, sondern er gibt ihm damit das Gut, und sagt damit zu ihm also: Siehe, nimm die Gaben hin, die ich dir mit Worten verspreche. Denn das ist ein Anderes, wenn ich sage: Ich wollte dir wünschen, dass du einen starken und gesunden Leib möchtest haben, dass du einen guten Verstand hättest; da das Wort „haben“ eben nicht folgt. Es ist aber ein Anderes, wenn ich dir einen Sack mit Geld darbiete, und sage: Siehe, nimm hin, da hast du tausend Gulden, die will ich dir schenken; oder da Christus sagt zu dem Gichtbrüchigen Matth. 9,6.: „Stehe auf, heb dein Bette auf und gehe heim“ etc. Nach gemeinem Segen, damit Einer dem Andern Gutes wünscht, hätte er gesagt: Ach wollte Gott, dass du möchtest gesund und stark sein; damit würde aber die Krankheit nicht abgeschafft, und würde darauf nicht folgen, dass der Kranke wieder zu Kräften käme. Darum ist das nur ein Wortsegen. In der heiligen Schrift aber sind tatsächliche Segen: nicht allein Segenswünsche, sondern wirkliche Segen, die das wirklich schenken und mit sich bringen, was die Worte sagen. Wie wir denn im Neuen Testament auch solche Segen haben durch das Priestertum Christi, welches unser Segen ist, wenn ich sage: Nimm hin die Absolution deiner Sünde. Wenn ich aber also sagte: Wollte Gott, dass dir deine Sünden vergeben wären; ach, dass du fromm und in Gottes Gnade wärest; oder: Ich wünsche dir von Gott Gnade und Barmherzigkeit, das ewige Reich und Erlösung von deinen Sünden: das möchte man einen Segen der Liebe heißen. Aber der Segen der Verheißung und des Glaubens und der gegenwärtigen Gaben lautet also: Ich absolviere dich von deinen Sünden im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes, das ist: Ich versöhne deine Seele mit Gott, nehme von dir den Zorn und Ungnade Gottes und setze dich in Gottes Gnade, ich gebe dir das Erbe des ewigen Lebens und das Himmelreich. Diese Dinge alle haben die Kraft und Gewalt, dass sie dir gegenwärtig und wahrhaftig gegeben werden, wenn du glaubst. Denn es sind nicht unsere Werke, sondern sind Gottes Werke durch unser Amt und Dienst. Derhalben sind es nicht solche Segen, die nur etwas wünschen, sondern die es auch mittheilen.“ (Martin Luther)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Dieselbe Hand Gottes, die uns niederbeugt, wartet darauf, uns zu erheben, sobald wir den Segen tragen können. C. H. Spurgeon
Eben das ist das Unglück, dass die Leute durch das Glück glücklich werden wollen und nicht durch ein Leben, bei dem der Segen Gottes ist. Jeremias Gotthelf
Zum Segen des Glücks bekennen sich nur die Unglücklichen; die Glücklichen führen alle ihre Erfolge auf Klugheit und Tüchtigkeit zurück. Jonathan Swift
Alle Menschen hoffen und erstreben etwas, das sie erjagen wollen, um darin Glück und Frieden zu finden. Doch – ob sie’s wissen oder nicht: Eigentlich ist es immer Gott, den sie suchen. Denn was könnte in der Welt an Gutem enthalten sein, wenn nicht das, was der Schöpfer von seiner eigenen Herrlichkeit hineingelegt hat? Wenn ein Mensch also sucht, was ihm Erfüllung schenkt, sucht er eigentlich Gott – und schade ist es, wenn er sich mit dem irdischen Abglanz und Widerschein göttlicher Herrlichkeit zufrieden gibt, ohne ihren Ursprung zu suchen!
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Warum schweifst du bei vielem herum und suchst erschaffene Güter? Liebe das eine, in dem sie alle enthalten sind. Erfreut dich die Schönheit? Die Gerechten werden glänzen schön wie die Sonne. Erfreut dich die Freiheit? Sie werden Gottes Engeln ähnlich sein. Erfreut dich lange und glückliche Lebensdauer? Dort ist ewige Gesundheit. Erfreut dich Sättigung und Fülle? Dort werden sie satt von der Herrlichkeit und trunken vom Überfluss des Hauses Gottes. Erfreut dich Gesang? Dort frohlocken die Engel. Erfreut dich freundschaftlicher Umgang? Dort ist die Gemeinschaft der Seligen und die schönste Harmonie der Gemüter. Verlangst du Ehren und Reichtümer? Herrlichkeit und Überfluss ist im Hause Gottes. Endlich erfreut dich Sicherheit und Ruhe? Dort ist unvergängliche Dauer der Zeiten.
(Anselmus, gest. 1109)
„Es ist gut, Sehnsucht zu haben, und je inniger sie ist, desto besser. Der Herr will das Sehnen der Seele sättigen, wie groß und alles andre überwiegend es auch sei. Lasst uns viel Sehnsucht haben, denn Gott will viel geben. Wir sind nie in einem rechten Seelenzustand, wenn wir mit uns selber zufrieden und frei von Sehnsucht sind. Das Verlangen nach mehr Gnade und das unaussprechliche Seufzen sind die Schmerzen des Wachstums, und wir sollten wünschen, sie immer mehr zu fühlen. Heiliger Geist, mache uns seufzen und schreien nach besseren Dingen und noch mehr von den besten Dingen!“ (Charles H. Spurgeon)
„Das ganze Leben eines Christen ist ein heiliges Heimweh.“ (Augustinus)
„Mein Gut, o Herr, ist dein Gut; darum bin ich verarmt, wenn du von mir scheidest. Du bist meine Kraft, meiner Augen Licht, du bist mein Selbst, mein Alles, der Gott meines Herzens und mein Teil in Ewigkeit. Ach, wie dürres Erdreich dürstet mich nach dir. O du, der du reich bist an vollen Quellen, tränke mich und erfülle das leere Gefäß meines Geistes wiederum mit deinem Überfluss. Warum hältst du doch deinen Strom so zurück? Wehe mir, schnell floss er in unserm Tal vorüber! Schnell schwand er dahin, aber ein ewiges Verlangen zieht mich ihm nach. Kann es dir denn eine Freude sein, o Herr, meine arme Seele, die dich liebt und sucht, so lange warten und schmachten zu lassen? O, sollte dich deine Größe fernhalten, so neige dich dein Erbarmen herab, willst du dich dem Geliebten nicht hingeben, so hilf doch dem Betrübten. Betrübt bin ich und sehr gebeugt, mein Herz seufzt und schreit, dass es dich nicht findet. O Herr, wo ist die Menge deiner Liebe und deines herzlichen Erbarmens? Komm und tröste meine Seele, die sich im Kummer verzehrt.“
Gilbert (12. Jh.)
„Weint, meine Augen, über den bitteren Abschied, den mein himmlischer Vater von mir genommen hat. Sein Zorn liegt schwer auf mir, seine Gnade ist gewichen, Schmerz, Furcht und Bedrängnis haben sich um mich gelagert. Ich sitze in Finsternis und sehe das Licht des Himmels nicht mehr; hart ist mein Herz und voll von Unmut. Trocken bin ich, denn keine geistliche Speise will mir schmecken: nicht Lesen, nicht Singen, nicht Beten. Mir selber eine Last und Beschwerde, bin ich zur Arbeit träg, und die Einsamkeit ist mir peinlich. Ich esse, trinke und spreche, um nur die Zeit zu verbringen. Ach, welch trauriger Wechsel! wo bin ich hingeraten? Vom Himmel in die Hölle, vom Leben des Geistes ins Leben des Fleisches, von der Wahrheit in die Eitelkeit. O Gott, mein Vater, höre mein Geschrei, siehe an meine Not! Komm wieder, o Herr, komm wieder mit deiner Gnade!“
Gerson (+1429)
„Ich danke meinem Gott, der gewollt hat, dass ich zeitlebens ein Mensch der Sehnsucht sein sollte. Ich preise dich, meinen Erretter, dass du mir auf der Erde kein Vaterland und keine Wohnung gegeben hast. Du hast mich vor der Torheit bewahrt, das Zufällige für das Wesentliche, den Weg für das Ziel, das Streben für die Ruhe, die Herberge für die Wohnung und die Wanderschaft für das Vaterland zu halten.“
(J. A. Comenius)
Gott hat unsern Seelen einen Hunger nach Erkenntnis, ein Verlangen zu wissen, eine Unruhe, wenn wir uns an einem dunkeln Orte befinden – er hat unsern Seelen einen Durst der Begierden gegeben, die lechzen, die schreien nach einem Gute, das wir so wenig zu nennen wissen als der Hirsch das frische Wasser, das wir aber erkennen und in uns schlucken, sobald wir es antreffen. So wie wir für unsern zeitlichen Hunger und Durst einen reichen Vorrat der Natur finden, die für jeden Geschmack gesorgt hat, so hat Gott gleichfalls Wahrheit und Gnade zur Nahrung und Stärkung unserer Seele zubereitet. Das gönnt uns der Satan nicht; er hat unzählige Erfindungen gemacht, Moden und Vorurteile aufgebracht, um sein gestohlenes Wasser als ein süßes Linderungsmittel aller menschlichen Begierden und sein heimliches Brot als ein angenehmes Mittel gegen den Hunger zu empfehlen. Wir sehen, wie unser Seelenfeind unseren Begierden, die uns Gott gegeben, und die also aus seiner Hand und mit seiner Kost allein gesättigt werden können, kümmerliche, abgeschmackte, ja giftige Hilfsmittel als Nahrung vorsetzt.
J. G. Hamann
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Jeder Mensch kommt mit einer sehr großen Sehnsucht nach Herrschaft, Reichtum und Vergnügen sowie einem starken Hang zum Nichtstun auf die Welt. Voltaire
Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen leg ich meinen Tag in deine Hand. Sei mein Heute, sei mein gläubig Morgen, sei mein Gestern, das ich überwand. Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, bin in deinem Mosaik ein Stein. Wollst mich an die rechte Stelle legen, deinen Händen bette ich mich ein. Edith Stein
Sehnsucht zum Licht ist des Lebens Gebot. Henrik Ibsen
Der demütige Mensch und Gott sind Eins und nicht Zwei. Was Gott wirkt, das wirkt auch er, und was Gott will, das will auch er, und was Gott ist, das ist auch er: ein Leben und ein Sein. Meister Eckhart
Das Kreuz eines Christen besteht in dem Leid, das er bewusst in Kauf nimmt, weil es für die vollen Gemeinschaft mit Gott und zum Abbau seines „alten Menschen“ erforderlich ist. Gott schickt uns solches Kreuz zu Hilfe, denn alles, was uns von Adam her angeboren ist, muss in und an Christus sterben. Es ist gut gemeint! Und so können wir alles als „Kreuz“ ansehen, was geeignet ist, unsere Vermessenheit zu dämpfen, unseren Stolz zu brechen und unser Rühmen zu unterbinden. Das Kreuz verhilft uns (unter dem Anschein des Gegenteils) zum Leben. Doch – das Leid um des Leides willen zu suchen, ist keine fromme, sondern eine echt kranke Idee!
Gott ist das Sein in allem Seienden, denn die Dinge dieser Welt, die uns so ungemein wirklich vorkommen, sind es nur, insoweit sie an Gottes Wirklichkeit teilhaben. Wir alle sind nur in dieser abgeleiteten Weise „wirklich“ und sind es nur, weil Gott als Grund und Quelle des Seins uns Sein verleiht. Gott verhält sich zu uns, wie der Filmprojektor zu den flackernden Bildern, die er an die Wand wirft. Er ist die Realität, die uns zu flüchtigem Leben erweckt. Darum ist nichts da, ohne dass Gott darin ist, und nichts bleibt, wenn nicht Gott darin bleibt.
Goethes „Faust“ im Wahn
Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben. Oscar Wilde
Demut an sich ist nichts anderes als eine schonungslose Erkenntnis und Erfahrung des eigenen Selbst in seiner Beschaffenheit. Denn wer wirklich erkennt und erfährt, wie er ist, müsste gewiss auch wirklich demütig sein. Zwei Gründe gibt es für diese Demut: der eine ist die schmutzige Erbärmlichkeit und Hinfälligkeit des Menschen, ein Zustand, in den er durch die Sünde gefallen ist und den er immer irgendwie an sich erfahren muss, solange er in diesem Leben weilt, und wäre er noch so heilig. Der andere Grund ist die überströmende Liebe und Erhabenheit des göttlichen Seins, bei dessen Betrachtung die ganze Natur erbebt, die Gelehrten sich als Narren entlarven und alle Engel und Heiligen geblendet werden; so sehr, dass ihnen ich weiß nicht was widerführe, wenn Er nicht kraft Seiner göttlichen Weisheit ihnen davon nur soviel zu erschauen gäbe, als dem Maße ihrer Befähigung durch ihre Natur und die Gnade entspricht. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Die gute Nachricht des Neue Testaments besteht darin, dass Christus ein Problem löst, das Menschen mit Gott haben. Doch neuerdings wird der Akzent sehr verschoben und mancher predigt, als bestünde Erlösung nicht darin, dass Christus uns mit Gott, sondern dass er uns mit uns selbst versöhnt. Jesus ging aber nicht ans Kreuz, damit wir uns selbst gnädig sind. Und er lehrte auch seine Jünger nicht, sich selbst zu lieben, sondern sich selbst zu hassen (Lk 14,26), denn niemand kann den guten Gott lieben, ohne das Böse in sich selbst zu verdammen.
Der Glaube behauptet sich nicht, indem er sagt „ich habe Macht“, sondern „der Herr ist meine Macht“ (Ps 118,14), so dass er nicht etwa durch Gott reich ist an Irdischem, sondern reich ist an Gott. Der Gläubige will nichts sein, auf dass Gott in ihm alles sei – und wird dadurch geistlich unangreifbar: Christi Gerechtigkeit ist die einzige, deren er sich rühmt, und seine gesamte Schuld hat er an Christus abgegeben. Gottes Wort ist seine Wahrheit, und Christus sein Leben. Weil ihm all das aber nicht „gehört“, kann‘s ihm auch niemand rauben. Wo immer der Feind ihn greifen will, trifft er auf Christus – und der Schlag geht ins Leere.
Des Vaters Selbstbeherrschung ist der beste Unterricht für seine Kinder. Demokrit
1.
Die Abhängigkeit von anderen birgt das Risiko, enttäuscht zu werden. Darum strebt der Mensch nach Unabhängigkeit: Er versucht, die Rahmenbedingungen seines Lebens der eigenen Kontrolle zu unterwerfen. Doch gelingt es nie, alle Fremdbestimmung abzuschütteln. Und es muss auch nicht gelingen. Denn nur Gott ist wirklich „autonom“. Und der Glaube kann uns lehren, die Abhängigkeit von ihm nicht als Unglück, sondern als Glück zu betrachten: Wirklich „frei“ ist nämlich nur der, der nicht in sich selbst, sondern in Gott ruht.
2.
Man hört oft, nur selbstbestimmtes Leben sei menschenwürdig. Doch ist das ein Irrtum. Denn einerseits gibt es viel fremdbestimmtes Leben, das in Würde gelebt wird. Und andererseits kann man gerade durch Selbstbestimmung seine Würde verlieren. Richtiger ist es darum, den Zusammenhang von „Wert“ und „Würde“ zu sehen, denn „würdigen“ bedeutet, jedes Ding mit der seinem Wert entsprechenden „Wertschätzung“ zu behandeln. Zu würdigenden Wert hat der Mensch aber nicht durch seine vermeintliche Autonomie, sondern durch seinen Schöpfer, der ihn dazu beruft, Gottes geliebtes Kind zu sein.
Der Unglaube an Christum macht unsere Herzen kalt, verwirrt alle Begriffe unserer Vernunft, unterdessen wir, ich weiß nicht was für ein gutes Herz in unserem Busen und eine vernünftige Denkungsart in unseren Handlungen träumen. Worin besteht denn dies alles? Bloß in der Übereinstimmung mit anderen Menschen, die auch so denken, so reden, so urteilen, so handeln wie wir und in deren Gesellschaft wir schreien: Hier ist des Herrn Tempel! Hier ist Christus! Warum? Ich vergebe, ich liebe, ich beleidige nicht. – Ist alles gelogen; Gott gelogen, der da sagt: alle Menschen sind Lügner; Christo gelogen, der da sagt: ich bin kein Arzt für Gesunde.
J. G. Hamann
Wenn einer, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär, so irrt sich der. Wilhelm Busch
Wenn wir unsere Pflicht auch oft nur aus Angst und Trägheit tun, wollen wir dies doch als Charakterstärke anerkannt sehen. Rochefoucauld
Wir machen Tugenden aus Fehlern, die wir nicht ablegen wollen. Rochefoucauld
Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt. Marie von Ebner-Eschenbach
Wenn die Laster uns verlassen, schmeicheln wir uns mit dem Glauben, dass wir sie verlassen. Rochefoucauld
Über Jahrzehnte gelang es dem französischen König Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, sein Territorium zu vergrößern, bis er im Spanischem Erbfolgekrieg einer Koalition aus fast allen europäischen Mächten gegenüberstand. Nach der vernichtenden Niederlage seiner Truppen in der Schlacht von Ramillies, die zum Rückzug der Franzosen aus den Niederlanden führte, sagte der König: „Ja, hat denn Gott alles vergessen, was ich für ihn getan habe?“
Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu. Ödön von Horváth
Viele Menschen ziehen ihre Schlüsse über das Leben wie Schulknaben: sie betrügen ihre Lehrer, indem sie die Antworten aus einem Buch abschreiben, ohne die Addition selbst ausgerechnet zu haben. Sören Kierkegaard
Wenn die Menschen auf ihr Alter tugendhaft werden, opfern sie Gott nur die Überbleibsel vom Teufel. Alexander Pope
Wenn dir ein Mensch begegnet, der sich viel dünkt und groß und breit dasteht, wende dich um und habe Mitleid mit ihm. Wir sind nicht groß, aber unser Glück ist, dass wir an etwas Größeres und Besseres glauben können! Matthias Claudius
Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins. Marie von Ebner-Eschenbach
Man unterscheide Menschen, die im Frühling den Winterrock ablegen, und Menschen, die die Ablegung des Winterrocks als unfehlbares Mittel zur Herbeiführung des Frühlings ansehen. Die ersten werden eher den Schnupfen kriegen. Karl Kraus
1.
Wie man vor einem Spiegel stehend entweder auf den Spiegel selbst oder auf das in ihm erscheinende Spiegelbild der eigenen Person schauen kann, so kann man beim Lesen der Bibel seine Aufmerksamkeit auf das Buch als solches richten, oder auf das, was man im Spiegel der Bibel über sich selbst und Gott erfährt. Beides ist erlaubt, das Zweite aber wichtiger. Denn Gott gab uns die Bibel nicht, damit wir ihre Entstehung studieren und damit den Rahmen des Spiegels von hinten betrachten, sondern damit wir vorne reinschauen und uns selbst erkennen!
2.
Meine eigene Wirklichkeit erfahre ich durch meine Wirkung auf andere. Wer ich bin, entnehme ich dem, was ich für sie bin. Doch das eigentlich maßgebliche Gegenüber des Menschen ist Gott. Nur sein Urteil kann uns selig machen oder verdammen. Er ist der wahre Bezugspunkt unserer Existenz. Und so ist für die Definition des Menschen gar nicht maßgeblich, was ihn vom Tier unterscheidet, sondern was ihn mit Gott verbindet: Es ist das verborgene Wesen des Menschen, dass er – von Anfang an auf Gott bezogen – sich nicht anders als in und durch Christus auf Gott hin vollendet.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Den Menschen zu erkennen ist so mühsam, wie einen Tintenfisch fangen. Denn wie dieser sich in seinem schwarzen Safte verbirgt, damit man ihn nicht greifen kann, so entwickelt der Mensch, sobald er merkt, dass man an ihn will, plötzlich so dichten heuchlerischen Wolkendunst, dass auch das schärfste Auge ihn nicht fassen kann. (Beweis sind: 1. Kor. 2,11, Jer. 17,9 f.) ... Aus diesen Zeugnissen erhellt: der Mensch kann nicht vom Menschen erkannt werden. Seine Frechheit im Lügen, seine Bereitwilligkeit, zu leugnen und zu verleugnen ist so groß, dass er, wenn Du glaubst, ihn irgendwo gefasst zu haben, längst durch eine Hintertür entschlüpft ist. Sagst Du: Der Prophet bezeugt öffentlich, dass das Menschenherz böse sei Jer. 17,9, so gleitet er Dir sofort aus den Händen durch die Erklärung, „böse“ stehe hier für „geneigt zum Bösen“, und betreffe nicht alle Menschen. Dabei hat er im Auge, wenn ihm die Ablösung einiger von der totalen Verderbtheit gelingt, dass er dann auch zu diesen Glücklichen gerechnet werde, oder er zielt auf den Ruhm und die Unschuld eines stets ehrbaren Herzens. Da man also zu den Verborgenheiten des menschlichen Herzens keinen Zugang finden kann, müssen wir jedenfalls verzweifeln, es zu erkennen. Sei’s drum! Möge jeder sich selbst erkennen, von einem anderen wird er doch nicht erkannt, obwohl er solchen Vorrat an Eigenliebe besitzt, dass nur wenige, ja, gar keine durch diesen Berg hindurch zur Selbsterkenntnis durchstoßen können. So wird man die Geheimnisse des Menschenherzens nur unter der Leitung Gottes, des himmlischen Baumeisters des Menschen, erkennen können. Der hat den Menschen geschaffen und kennt nun alle Tiefen seiner Schliche und ihren Ursprung ... Bei Gott also, dem Schöpfer des Menschen, muss man die Erkenntnis des Menschen suchen, so gut wie die Gotteserkenntnis. Nur aus verschiedenen Ursachen. Die Erkenntnis Gottes ist unserem Verstande versagt, weil sie zu glänzend und licht ist für seine Schwäche; die Erkenntnis des Menschen aber wegen seiner Frechheit und Bereitwilligkeit im Lügen und Erdichten.“ (Ulrich Zwingli)
Seltsam und doch nötig. Schwer und doch nützlich. Die Notwendigkeit sollt‘s gemein, der Nutz leicht machen. Wie heißt‘s? Kenne dich selbst. Was ist seltsamer, als sich selbst kennen? Ich hab noch wenig gesehen, auch unter den Allerfrömmsten, die sich selbst nicht sollten geliebt haben. Sind sie vor andern von Gott begabt, oder tun sie für andre ein gutes Werk, hilf Gott! Wie gefallen sie sich selbst, wie verwundern sie sich über sich selbst, wie viel halten sie von sich selbst, wie spiegeln sie sich in ihren Gaben und Werken, wie der Pfau in seinen Federn! Wenn’s nicht hieße eigen Lob stinkt, würden sie sich kaum des Selbstlobs enthalten; haben‘s unterdeß gern, dass sie ein andrer lobt; verachtet man ihre Person, verkleinert man ihre Gaben oder Werke, klagen sie darüber, als über groß Leid, meinen, die Welt sei ihrer nicht wert, weil sie nicht erkennt, was sie an ihnen für einen Schatz habe; sie seien‘s allein, die Gott im Schoß sitzen, an alle andern kehr er sich nicht, um ihres Gebetes tue er Ländern und Städten wohl, mit ihnen müsse die Kirche untergehen, und alle Frömmigkeit sterben. Wolltest du wohl glauben, dass solche sich selbst kennen? Ach nein. Wer sich kennt, wird sich nicht lieben. Wer liebt, was nichts ist? Er wird von sich selbst nichts halten, weil er in seinem Grunde nichts Gutes findet. Was er Gutes hat und tut, wird er nicht sich selbst, sondern Gott als dem Geber und obersten Werkmeister zueignen. Niemand brüstet sich in fremden Kleidern, und die Axt rühmt sich nicht, dass sie das Haus gebaut habe. Er lobt sich selbst nicht, hat‘s auch nicht gern, dass ihn ein andrer lobt, weil er nichts an sich findet, was lobenswert sei (...); er hält sich für den Allergeringsten, und jedermann höher und heiliger als sich selbst. Aber sag mir, wo findest du einen solchen? Das „lieb dich selbst“ ist das Allergemeinste, das „kenn dich selbst“ das Allerseltsamste und doch das Allernötigste. Ohne Selbsterkenntnis wird niemand selig; denn wo keine Selbsterkenntnis ist, da ist kein Glaube. Wer sich selbst nicht erkennt, traut nicht auf Gott, sondern auf sich; sucht nicht in Christo seine Gerechtigkeit, sondern in sich selbst und seinen Werken: sieht den Himmel an, nicht als ein Erb- sondern als ein Werbgut, will ihn nicht geschenkt, sondern verdient haben. Wie kann ein solcher selig werden?
(Heinrich Müller)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Wer von sich gut denkt, kennt sich nicht, und wer von Gott schlecht denkt, kennt Gott nicht. Abu Said
Zu unserer Besserung bedürfen wir eines Spiegels. Arthur Schopenhauer
Wir sind lecke Gefäße und müssen ständig unter der Quelle bleiben, um immer gefüllt zu sein. Dwight L. Moody
Wie kann man sich selbst kennenlernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche, deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist. Goethe
Zwei Dinge sind sehr schwer fest zu erhalten: das Misstrauen dir selbst gegenüber, wenn alles gut zu gehen scheint, und das Vertrauen auf Gott, wenn alles übel zu gehen scheint. Johann Michael Sailer
Was für Mühe muss es Gott und seinem Geist geben, um den Schutt bloß aus dem Wege zu räumen, worunter der Satan unsre Seelen vergräbt, wenn wir mit ihm an selbigen zu bauen gedenken. Johann Georg Hamann
Von Philipp Neri (1515-1595), der bereits 27 Jahre nach seinem Tode heiliggesprochen wurde, berichtet man, dass er sehr oft ein kleines Gebet wiederholt habe: „Herr, traue dem Philipp nicht!“
Wie du betest, so bist du. Philipp Neri
Wenn du die Geschichte eines großen Verbrechers liest, so danke immer, ehe du ihn verdammst, dem gütigen Himmel, der dich mit deinem ehrlichen Gesicht nicht an den Anfang einer solchen Reihe von Umständen gestellt hat. G. Chr. Lichtenberg
Versuche niemals, jemanden zu machen, wie du bist. Du weißt es – und Gott weiß es, dass einer von deiner Sorte genug ist. Aushang an einer Kirche in Rhöndorf
Sich selbst kennen, heißt darauf merken, dass wir nicht von uns selbst sind, und die Wahrheit nicht in und an uns selbst haben, sondern dass wir sie woanders her empfangen müssen, dass wir sie zu Lehen tragen. Friedrich Heinrich Jacobi
Wer in sich recht ernstlich hinabsteigt, wird sich immer nur als Hälfte finden; er fasse nachher ein Mädchen oder eine Welt, um sich zum Ganzen zu konstituieren, das ist einerlei. Goethe
Sei, wo du willst, und wende dich, wohin du immer willst: Wenn du dich nicht zu Gott hinwendest, so bist du überall ein elender Mensch. Thomas von Kempen
Man sollte von Zeit zu Zeit von sich zurücktreten wie ein Maler von seinem Bilde. Christian Morgenstern
All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfasst im Grunde zweierlei: die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis. Johannes Calvin
Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittere Arznei. Arthur Schopenhauer
Ich fürchte, mich zu kennen, und kann mich doch nicht ignorieren. Voltaire
Wenn wie es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unseren Kleidern. Heinrich Heine
Unser Übel liegt in der Seele; die aber kann sich selbst nicht vermeiden. Charles de Montesquieu
Mein Herz kommt mir heut vor wie ein Pfefferkuchenherz, das lange im Nassen gelegen hat. Christian Morgenstern
Die Welt ist voll von Gabeln, die sich über die Messer lustig machen. Rochefoucauld
Jeder muss sich selbst austrinken wie einen Kelch. Christian Morgenstern
Wenn es Menschen gibt, deren Lächerlichkeit nie sichtbar geworden ist, dann hat man zu wenig danach gesucht. Rochefoucauld
Man kann das Ich nicht anders gewinnen, als indem man es hergibt. Sören Kierkegaard
Ich glaube von jedem Menschen das Schlechteste, selbst von mir, und ich hab' mich noch selten getäuscht. Johann Nepomuk Nestroy
Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild: Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht Sein Stündchen auf der Bühn und dann nicht mehr vernommen wird. Ein Märchen ist’s, erzählt Von einem Dummkopf, voller Klang und Wut, Das nichts bedeutet. Shakespeare
Ich habe gelernt, dass nicht das, was ich tue, falsch ist, sondern das, was infolge meines Handelns aus mir wird. Oscar Wilde
Ich habe nur Einen wahren und wirklichen Feind auf Erden und das bin ich selbst. Christian Morgenstern
Was wunderst du dich, dass deine Reisen dir nichts nützen, da du dich selbst mit herumschleppst? Sokrates
Lerne fühlen, dass du durch die Schuld, die auf dir liegt, kein anderes Recht erworben hast, als zur Verantwortung gezogen zu werden. Thomas von Kempen
Konfuzius sprach: „Sieh, welche Mittel ein Mensch verwendet, um seine Ziele zu erreichen; betrachte die Beweggründe, die sein Handeln bestimmen; prüfe, worin seine Seele Ruhe findet und was ihn bewegt. Wie kann ein Mensch da noch sein Wesen verbergen? Wie kann ein Mensch da noch sein Wesen verbergen?“ „Gespräche“ des Konfuzius
Lass es dir doch einmal recht gewiss und klar werden, dass das Sterben dein eigentliches Leben sein sollte; denn je mehr einer sich selbst stirbt, desto mehr fängt er an, seinem Gott zu leben. Thomas von Kempen
Mit wem es in Wahrheit recht steht, dem ist es an allen Stätten und unter allen Menschen recht. Mit wem es aber unrecht steht, für den ist es an allen Stätten und unter allen Leuten unrecht. Mit wem es recht steht, der hat Gott in Wahrheit bei sich. Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebenso wie in der Kirche oder in der Einsamkeit oder in der Klosterzelle. Meister Eckhart
Rabbi Bunam sagte einst zu seinen Schülern: „Jeder muss zwei Taschen haben und in jeder der Taschen einen wichtigen Spruch, um je nach Situation danach zu greifen. In der einen Tasche befindet sich der Spruch: Auch ich bin Erde und Asche! und in der anderen der Spruch: Auch für mich hat Gott Himmel und Erde gemacht!”
Sage mir, mit wem du umgehst, und ich werde mich schwer hüten, dir zu sagen, wer du bist. Verfasser unbekannt
Der Mensch weiß nie recht, was er will; und wenn er einmal hat, was er gewollt hat: so sieht er, dass es das nicht war. Und so geht all unser Bestreben ins Unendliche. Wir sind nie groß und glücklich, außer wenn wir aus uns selbst verschwinden. Wilhelm Heinse
Was der Mensch in Gottes Auge ist, das ist er, und mehr ist er nicht. Thomas von Kempen
Wenn du willst, dass dir das Tor der Hoffnung aufgetan werde, so schau auf das, was von Ihm zu dir kommt, und wenn du willst, dass dir das Tor der Furcht aufgetan werde, so schau auf das, was von dir zu Ihm geht! Ibn Ata Allah
Wilhelm Busch wurde gefragt, was das Schwerste im Leben sei. Er antwortete: „Sich auf die eigenen Schliche zu kommen!“
Ich glaube, dass die Selbstgerechtigkeit dein Verderben ist, und darum sage ich dir ganz offen und aufrichtig, dass du ebenso gut hoffen kannst, mit einem Luftballon in den Himmel zu fliegen, als durch deine guten Werke hineinzukommen. Ebenso gut könntest du in einem Sieb nach Ostindien fahren, als durch dein gutes Wesen in die Herrlichkeit zu gehen. Du könntest ebenso gut in Spinnweben deinem Fürsten dich vorstellen, als in deiner eigenen Gerechtigkeit dem König des Himmels. Fort mit deinen Lumpen, mit deinen zerfaulten, stinkenden Fetzen. Sie sind nur ein Mistbeet für das Unkraut des Unglaubens und Stolzes. Es ist in Gottes Augen nichts nütze. Warum willst du deinen Kopf so hoch tragen, dass man ihn abschneiden muss? C. H. Spurgeon
SELBStKritik des Glaubens
Wie die Reformation zeigt, bleibt der Glaube nur gesund, wenn er sich regelmäßig daraufhin prüft, ob das, was er vertritt, dem Neuen Testament entspricht und sich der Vernunft erschließt. Was beiden Kriterien nicht genügt, ist nach eingehender Prüfung zu verwerfen. Und was beiden Kriterien genügt, ist umso nachdrücklicher beizubehalten. Was nur der Vernunft einleuchtet, während die Hl. Schrift dazu schweigt, kann als nützlich beibehalten werden, darf aber nicht in den Rang eines Glaubensgegenstandes erhoben werden. Und was geschrieben steht, ohne dass es sich der Vernunft erschlösse, ist dennoch als Gottes Wort zu ehren, denn der Fehler liegt sicher bei unsrer beschränkten Vernunft – und nicht bei Gottes Offenbarung.
Die gute Nachricht des Neue Testaments besteht darin, dass Christus ein Problem löst, das Menschen mit Gott haben. Doch neuerdings wird der Akzent sehr verschoben und mancher predigt, als bestünde Erlösung nicht darin, dass Christus uns mit Gott, sondern dass er uns mit uns selbst versöhnt. Jesus ging aber nicht ans Kreuz, damit wir uns selbst gnädig sind. Und er lehrte auch seine Jünger nicht, sich selbst zu lieben, sondern sich selbst zu hassen (Lk 14,26), denn niemand kann den guten Gott lieben, ohne das Böse in sich selbst zu verdammen.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Woran erkennet man solche unziemliche Selbstliebe? Daran, wann der Mensch, der in allen Dingen die Ehre seines Gottes und Vollbringung des göttlichen Willens sich zum letzten Ziel und äußersten Zweck setzen sollte, an dessen Statt sich selbst, das ist seine eigene Ehre, Nutzen, Lust und Willen sucht, und aus solchem Antrieb alles sein Tun oder einiges verrichtet. Also auch, wo er auf sich selbst, das ist auf seine eigene Kraft, Macht und Weisheit vertraut, ist es eine Anzeige solcher unordentlichen Selbstliebe: oder, wo man sich die Ehre dessen zumisst, was man getan hat.“ (Philipp J. Spener)
„Um den Menschen für die Erbsünde zu strafen, hat Gott ihm erlaubt, sich aus seiner Eigenliebe einen Götzen zu schaffen, der ihn nun zeitlebens bei allen seinen Taten quält.“ (Rochefoucauld)
Du bist dir selbst der Nächste nicht. Denn niemand liebt dich weniger als du. Ich will‘s beweisen. Paulus sagt: Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses Röm. 13,10. Wer Schaden tut, liebt nicht. Je mehr man schadet, je weniger man liebt. Nun sag mir, wer tut dir den größten Schaden? Der Teufel? Kann er auch schaden? Nicht auf ein Härlein. Der Tod? Wie kann die Biene schaden, die keinen Stachel hat? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Kor. 15,55. Die Welt? Was kann sie dir nehmen, der du nichts Eigenes hast? Du selber tust dir den größten Schaden; könntest reich sein, willst dir nicht genügen lassen, auch keine Schätze im Himmel sammeln; könntest hoch und herrlich sein, willst deine Affekten nicht bezwingen, und verachtest die Herrlichkeit, die du hast in Christo; könntest immer fröhlich sein, machst dich selbst traurig, und frisst das Herz weg ohne Ursach; könntest lange leben, wirst durch die Sünde dein Selbstmörder, und tötest dich vor der Zeit; könntest selig werden, bringst dich selbst durch Sicherheit um dein Erbe. Sage noch, dass du selbst dein ärgster Feind nicht seist. Wer liebt dich denn? Niemand mehr als Gott und dein guter Freund. Gott liebt dich und will dich gern selig haben, darum züchtigt er dich, dass du nicht mit der Welt verdammt werdest: Je lieber Kind, je schärfer Rute. Gott liebt dich, drum gibt er nicht allwege, was dein Wille, sondern was dein Heil ist. Welcher Vater gibt dem Kinde ein scharfes Messer? Welcher Arzt gibt dem Kranken, was ihm wohl schmeckt, und doch nicht dient? Gott liebt dich, drum will er dein Arzt und Vater, nicht dein Mörder und Verderber sein. Dein Freund sieht dich sündigen und straft dich; er hat dich lieb, und will deine Seele von der Hölle erretten. Das erkenn und danke. Fragst du nun, wer ist dein Nächster? Höre: Wer war jenes halbtoten Menschen Nächster? Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Wer tut die größte Barmherzigkeit an dir? Nicht du, sondern Gott und ein guter Freund.
(Heinrich Müller)
Wenn es Gott nicht gäbe, wäre auch der Selbstmord erlaubt. Doch für den Christen steht das Verhältnis zum Schöpfer auf dem Spiel, der seiner Seele diesen Leib und dieses Leben gab. Was Gott bejaht, kann er nicht verneinen oder als einen Fehler ansehen, den er eigenmächtig korrigieren dürfte. Denn es kommt darauf an, dass einer nicht „von-Gott-weg“, sondern „auf-Gott-hin“ stirbt. Wichtiger, als ob er lebt oder stirbt, ist die Frage, ob er‘s mit oder ohne Gott tut. Mit Gott ist beides richtig (sogar das Sterben), und ohne ihn ist beides falsch (sogar das Leben).
Ein Vogel lag auf seinem Rücken und hielt seine Beine starr gegen den Himmel ausgestreckt. Ein anderer Vogel flog vorüber und fragte ihn verwundert: „Warum liegst du so da? Und warum hältst du deine Beine so steif nach oben?” Da antwortete der Vogel: „Ich trage den Himmel mit meinen Beinen. Und wenn ich losließe und meine Beine anzöge, so würde der Himmel über uns einstürzen!” Und als er das gesagt hatte, löste sich vom nahen Baum ein winziges Blatt und fiel raschelnd zur Erde nieder. Der Vogel erschrak darüber so sehr, dass er sich geschwind aufrichtete und eilig davonflog. Der Himmel aber blieb an seinem Ort und stürzte nicht ein.
Es gibt viele Hähne, die meinen, dass ihretwegen die Sonne aufgeht. Theodor Fontane
Wenn du den Hahn einsperrst, geht die Sonne doch auf. Aus Indien
Unsere Gedanken werden in der Regel von zahllosen egozentrischen Sorgen und Wünschen beherrscht. Sie kreisen ständig darum, was ich „bin“ und was ich „habe“, was ich „kann“ und was ich „will“. Doch der Glaube relativiert das aufgeblähte „Ich“, so dass der Mensch sich mit der Zeit weniger wichtig nimmt und Gott immer mehr Raum gibt. Er will am Ende nichts anderes mehr sein, als was Gott ihn sein lässt. Und er strebt nur noch danach, sein Denken, Tun und Wollen möglichst vollständig mit Gottes Denken, Tun und Wollen zu verschmelzen.
Das Kreuz eines Christen besteht in dem Leid, das er bewusst in Kauf nimmt, weil es für die vollen Gemeinschaft mit Gott und zum Abbau seines „alten Menschen“ erforderlich ist. Gott schickt uns solches Kreuz zu Hilfe, denn alles, was uns von Adam her angeboren ist, muss in und an Christus sterben. Es ist gut gemeint! Und so können wir alles als „Kreuz“ ansehen, was geeignet ist, unsere Vermessenheit zu dämpfen, unseren Stolz zu brechen und unser Rühmen zu unterbinden. Das Kreuz verhilft uns (unter dem Anschein des Gegenteils) zum Leben. Doch – das Leid um des Leides willen zu suchen, ist keine fromme, sondern eine echt kranke Idee!
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Wenn jene, welche auf dem Meere schiffen, bei dem Wüten des Sturmes ihre Waren nicht achten, mit eigenen Händen die Lasten ins Meer werfen und ihr Leben höher schätzen als ihre Güter und das Schiff erleichtern, damit es nicht versinke, und dabei die kostbarsten Sachen in die Tiefe schleudern; warum verachten wir nicht wegen eines weit kostbareren Lebens das, was die Seele in die Tiefe hinabzieht? Warum vermag die Furcht vor Gott nicht, was doch die Furcht vor dem Meer vermag? Jene achten aus Begierde nach dem hinfälligen Leben den Verlust aller anderen Dinge für gering, wir aber, die wir nach dem ewigen Leben verlangen, sollten um seinetwillen nichts, auch nicht das Wertloseste, verachten, sondern lieber mit der Last zu Grunde gehen, als mit Wegwerfung derselben gerettet werden wollen?
(Nilus, gest. im 4. Jh.)
„Was ist solche Selbstverleugnung? Wo der Mensch durch göttliche Gnade seine Nichtigkeit, und hingegen die göttliche Majestät und Gütigkeit erkannt hat, den Entschluss fasst, sich selbst in keinem Ding mehr zu suchen, und also seine unordentliche Liebe in die rechte Ordnung unter Gott zu bringen, damit er sich hinfürter nicht anders liebe, als unter Gott, und wie derselbe in ihm geliebet werden will.“ (Philipp J. Spener)
„Wenn einer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst“. Wie Petrus in der Verleugnung Christi sagte: ich kenne diesen Menschen nicht, so soll der Nachfolgende nun zu sich selbst sagen. Selbstverleugnung kann niemals aufgehen in einer noch so großen Fülle einzelner Akte der Selbstzermarterung oder asketischen Übungen; es heißt nicht Selbstmord, weil auch hier noch der Eigenwille des Menschen sich durchsetzen kann. Selbstverleugnung heißt nur Christus kennen, nicht mehr sich selbst, nur noch ihn sehen, der vorangeht, und nicht mehr den Weg, der uns zu schwer ist. Selbstverleugnung sagt wiederum nur: Er geht voran, halte dich fest an ihn.“ (Dietrich Bonhoeffer)
„Als Gott alle Dinge schaffen und machen wollte, da hatte er nichts vor sich als das Nichts. Daraus allein schuf er ein Etwas; er schuf alle Dinge aus dem Nichts. Wo Gott in der ihm eigentümlichen Weise wirken soll und will, braucht er nichts als das Nichts. Das Nichts ist geeigneter als alles, was ist, in leidender Weise das Wirken Gottes zu erfahren. Willst du ohne Unterlass stets empfänglich sein für all das, was Gott seinen auserwähltesten Freunden geben kann oder will und in ihnen wirken, an Sein und Leben? Willst du, dass er dich mit seinen Gaben überströme? Dann befleißige dich vor allen Dingen (zu begreifen), dass du in deinem Grunde in Wahrheit nichts seiest.“ (Johannes Tauler)
Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen und hat ihnen die Ehe als die Ordnung angewiesen, in der sie aneinander Freude haben, einander stützen und einander ergänzen sollen. Wo aus der Ehe Kinder hervorgehen, wird den Eltern die Ehre zu Teil, „Mitarbeiter“ in Gottes Schöpfungswerk sein zu dürfen. Beide aber - Ehepartner und Kinder - werden nie unser „Eigentum“, sondern sind uns von Gott anvertraut, damit wir sie in Verantwortung vor ihm wie kostbare Geschenke achten und pflegen.
Das Gewissen ist ein innerer Gerichtshof, der unablässig über unseren moralischen Zustand verhandelt, und in dem wir selbst zugleich Angeklagter, Ankläger und Verteidiger sind. Doch beansprucht das Gewissen nicht die Rolle des Gesetzgebers. Es schafft keine Normen, sondern beobachtet nur, ob unser Verhalten den geltenden Normen genügt. Im besten Falle ist es „gefangen durch Gottes Wort“. Resultiert daraus aber ein „schlechtes“ Gewissen, so helfen dagegen keine Werke, sondern der Friede kehrt erst wieder mit Christus ein. Wenn er im Gewissen redet, muss Mose schweigen – und bei dieser Hausordnung bleibt es dann.
SELBSTWERDUNG ALS SCHÖPFUNGSWERK
Gottes Schöpfungswerk vollzieht sich als ein fortschreitender Prozess, der die unkontrollierten Chaoskräfte des Anfangs nach und nach bändigt, kanalisiert und in dem Leben förderliche Strukturen überführt. Denn in einer regellosen Welt käme der Mensch nicht zurecht. Gott schafft weder Strukturen aus Beton, in denen alle Bewegung erstickt, noch schafft er blinden Drang, der alles, was entsteht, gleich wieder niederreißt. Der Schöpfer formt vielmehr das Formlose und verteidigt seine Schöpfung gegen die immer wieder einbrechenden Chaosmächte durch Ordnungsprozesse natürlicher, sozialer und individueller Art.
1.
Der Mensch neigt dazu, sich entweder stolz zu überschätzen und zu überheben oder - von solchen Höhenflügen abgestürzt - in Verzweiflung zu versinken und die Selbstachtung zu verlieren. Gott aber will uns vor beidem bewahren und gibt uns darum als „Begrenzung nach oben“ sein Gesetz (es zwingt uns zu nüchterner Selbsterkenntnis und schützt so vor aller Aufgeblasenheit) und als „Begrenzung nach unten“ sein Evangelium (auch wo wir versagen, sagt es uns Gottes Liebe zu, die uns trägt).
2.
Der Mensch könnte nicht „gut“ sein, wenn’s nicht die gute Seite gäbe, auf die er sich stellt, und die gute Sache, die er zu „seiner“ Sache macht. Aber gibt es – jenseits dessen, was sich gerade für diesen oder jenen „gut anfühlt“ – ein objektiv Gutes? Unsere Vernunft findet dazu keinen Zugang. Und so ist es Gott allein, der uns zum Guten verpflichten kann, weil er (1.) als Schöpfer das Recht hat, seiner Schöpfung eine Richtung vorzugeben und (2.) in eigener Person das „höchste Gut“ ist. An seinem Willen muss sich orientieren, wer „zu etwas gut“ sein will. Denn wer möchte schon mit der Vorstellung leben, etwas von dem zu sein, was besser nicht wäre?
3.
Bildbetrachtung zum Thema "Selbstwertgefühl"
„Obwohl Gott seine Gläubigen angezeigter Maßen in seiner Kirche begnadet, so ist doch dasselbe alles eine angefangene und unvollkommene Seligkeit, die er ihnen völlig widerfahren lässt, wenn er die Seele durch den zeitlichen Tod von dieser Welt abfordert, den Leib an dem jüngsten Tage mit der Seele vereinigen und also den ganzen Menschen in eine ewige unaussprechliche Seligkeit versetzen wird.“ (Nikolaus Hunnius)
„Worinnen besteht aber solche ewige Seligkeit? Dass sie, die Seligen, nunmehr Gott vollkömmlich erkennen, und ihn sehen von Angesicht zu Angesicht, mit ihm vollkommen vereiniget sind, als der in ihnen und allen Menschen alles ist, und daher solcher Freude und Herrlichkeit, die wir jetzo weder fassen noch verstehen können, genießen, und solches alles ohne Ende und Aufhören.“ (Philipp J. Spener)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Ich ward gefragt, welcher Unterschied bestehe zwischen Gnade und Seligkeit. Gnade, wie wir sie hier in diesem Leben erfahren, und Seligkeit, die wir späterhin besitzen werden im ewigen Leben, die verhalten sich zueinander wie die Blüte zur Frucht. Meister Eckhart
Jesus spricht gerade die „selig“, die nach den Maßstäben der Welt zu den Verlierern zählen, denn er zieht das kommende Reich Gottes in seine Betrachtung mit ein. Er kündigt dieses Reich nicht bloß an, sondern bringt es mit. Und er bewertet darum alles aus der Perspektive des Künftigen: Die heute als Sieger in der Welt stehen, sind ihrer Erfahrung nach nicht zu bedauern, denn aktuell lachen sie. Bedauernswert sind sie aber, wenn man ihre Zukunft mit in Betracht zieht. Die heute Seliggepriesen hingegen sind ihrer Erfahrung nach nicht glücklich, denn noch weinen sie. Sie sind aber glücklich zu schätzen, wenn man ihre Zukunft bedenkt.
1.
Sexualität ist eine gute Gabe des Schöpfers, deren Vitalität erkennen lässt, mit welcher Dynamik Gott das Leben bejaht. Doch wird sie missbraucht, wenn man sie von der Absicht des Schöpfers löst. Der schuf sie nämlich nicht, damit Mann und Frau einander zu kurzfristiger Triebabfuhr „benutzen“, sondern damit sie langfristig beieinander Hilfe und Ergänzung finden und sich in der Ehe zu der verbindlichen Einheit zusammenschließen, die Gott mit Kindern segnen möchte – und die dann in lebenslanger Treue zu leben ist.
2.
Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen und hat ihnen die Ehe als die Ordnung angewiesen, in der sie aneinander Freude haben, einander stützen und einander ergänzen sollen. Wo aus der Ehe Kinder hervorgehen, wird den Eltern die Ehre zu Teil, „Mitarbeiter“ in Gottes Schöpfungswerk sein zu dürfen. Beide aber - Ehepartner und Kinder - werden nie unser „Eigentum“, sondern sind uns von Gott anvertraut, damit wir sie in Verantwortung vor ihm wie kostbare Geschenke achten und pflegen.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Keinen Unterschied machen zwischen der dem Menschen eigentümlichen Unzucht und der Sehnsucht, die die Geschlechter zusammenbringt, das hieße nichts anderes, als dass man die Geschwulst mit demselben Namen benennt wie das Organ, das durch sie verzehrt wird und von dem ihre Unförmigkeit zuweilen ein grauenhaftes Abbild erzeugt.“
(Georges Bernanos)
Niemand kann sich sicher auf dem Markt sehen lassen, der nicht gern ungesehen daheim bleibt. Niemand kann sicher den Mund zum Reden auftun als der, der ihn gern wieder schließt und geschlossen hält. Niemand kann sicher obenan stehen als der, der gern untenan steht. Niemand kann sicher befehlen als der, der gelernt hat – gehorsam zu sein. Thomas von Kempen
Wenn ich einst nur sicher im Hafen des Heils ankomme! Was kümmert es mich denn, was und wie viel ich auf diesem Meer ausgestanden habe? Thomas von Kempen
Wer nicht von Brosamen und Almosen, noch vom Raube zu leben, und für ein Schwert alles zu entbehren weiß, ist nicht geschickt zum Dienst der Wahrheit; Der werde frühe! ein vernünftiger, brauchbarer, artiger Mann in der Welt, oder lerne Bücklinge machen und Teller lecken: so ist er für Hunger und Durst, für Galgen und Rad sein Leben lang sicher. Johann Georg Hamann
Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave. Aristoteles
Ein Bischof, der am Evangelium festhält, kann zwar getötet werden, aber niemand kann ihn besiegen. Cyprian
Gerades Scheitern steht höher als ein krummer Sieg. Sophokles
Siege, aber triumphiere nicht. Marie von Ebner-Eschenbach
Warum freust du dich?“ fragte Diogenes einen jungen Mann. „Ich habe den Sieg bei der Olympiade errungen“ erwiderte der stolz, „ich habe alle Mitstreiter besiegt!“ „Was für eine Ehre“, versetzte Diogenes, „ist es, Schwächere zu besiegen?“
Das Leben ist ein Kampf, in dem sich der menschliche Wille zum Leben gegen den Tod zu behaupten sucht. Ob aber dies tägliche Ringen Sinn macht, hängt davon ab, ob es ein - aufs Ganze gesehen - gewinnbarer oder schon verlorener Kampf ist. Christen glauben Ersteres, denn die Auferstehung Christi ist der entscheidende Sieg, der den Ausgang des ganzen Krieges vorwegnimmt: Seither gewinnen die Mächte der Finsternis zwar noch einzelne Schlachten. Aber sie gewinnen nicht mehr den Krieg.
1.
Wir sind mit unseren Kräften und Qualitäten nicht so dauerhaft verbunden, wie wir meinen, sondern sind mit ihnen nur vorübergehend beliehen und geziert, wie eine Schaufensterpuppe mit prächtigen Kleidern. Eigentlich gehören alle Qualitäten Gott. Ihm gefällt es aber, Funken davon in diesem oder jenem Geschöpf aufblitzen zu lassen, das dann für gewisse Zeit daran Anteil hat. Und das ist ehrenvoll. Denn etwas vom Allerhöchsten will an uns erscheinen und durch uns eine Zeit lang vor der Welt sichtbar werden!
2.
Ein Mensch befindet sich auf der Zeitleiste immer nur an einem Punkt. Doch wie ein Adler aus großer Höhe überschaut Gott den gesamten Weg, den der irdische Wanderer nur abschnittsweise zu sehen bekommt. Für Gott ist jeder Moment gleich präsent, weil er den gesamten Zeitenlauf vor aller Zeit selbst gefügt und geordnet hat. Und so resultiert unser „Morgen“ nicht aus dem „Gestern“, sondern beides aus Gottes Vorsehung. Unsere Zukunft ist stets das, was uns von Gott her „zu-kommt“. Denn die wahre Herkunft der Zukunft ist Gott selbst. Er ist nicht in der Zeit beschlossen. Aber alle Zeit in ihm. Und das ist überaus tröstlich.
Früher saßen die Menschen um den Tisch und sangen im Chor; heute singt einer allein, und zwar aus dem absurden Grund, weil er besser singen kann. Wenn es so weitergeht mit dieser Zivilisation, dann wird irgendwann nur noch einer lachen, weil er besser als alle lachen kann. G. K. Chesterton
Glaube ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Rabindranath Tagore
1.
Der Mensch kann seinem Leben keinen Sinn „geben“ oder „verleihen“. Und alle Versuche, das eigene Dasein durch seinen Nutzen zu rechtfertigen, scheitern. Doch das macht nichts. Denn wie beim Produkt eines Handwerkers, ist auch der Sinn des menschlichen Lebens von seinem Erfinder und Schöpfer vorgegeben: Es ist der Daseinszweck des Menschen, als Gottes Ebenbild mit Gott in Gemeinschaft zu sein. Weil diese Gemeinschaft aber unter allen Umständen möglich ist und Gott immer erreichbar bleibt, ist auch unter allen Umständen sinnvolles Leben möglich.
2.
Wenn Gott uns leiden lässt, kann das viele Gründe haben. Es kann mir selber nützen oder einem anderen. Es kann zum Vorbild dienen oder zur Abschreckung. Es kann nötig sein, um mir Fehler auszutreiben, oder um andere zur Barmherzigkeit herauszufordern. Es kann Prüfung sein für mich oder öffentliches Zeichen für andere. Es kann der Fluch der bösen Tat sein, der mich gerechter Weise einholt, oder Gottes herzliche Umarmung, die mich am Weglaufen hindert. Es ist schwer anzunehmen – aber man sollte sein Leid nicht für grundlos, sinnlos oder nutzlos halten.
3.
An welchem Maßstab kann man das Gelingen eines Lebens bemessen? Da es Gott ist, der allem Leben Sinn und Ziel vorgibt, zählt letztlich nur sein Urteil. Gott aber fragt nicht, ob wir glücklich oder unglücklich sind, sondern er fragt allein danach, ob wir ihm vertrauen und damit die Hütte unseres Lebens auf den Fels des Glaubens bauen. Stimmt das Fundament, so muss unser Lebensgebäude kein Prachtbau sein – und wird den Sturm des Todes doch überstehen. Stimmt es aber nicht, ist auch das schönste Lebensgebäude auf Sand gebaut – und dem Untergang geweiht.
4.
Der Tod ist nicht das Ziel unseres Lebens (er wäre ein absurdes Ziel!), sondern das eigentliche Ziel unseres Lebens ist der Bund mit Gott, den wir hier im Glauben schließen und der uns auch dort, jenseits der Todesgrenze, noch mit Gott vereint. Das Erdendasein gibt uns also Gelegenheit, rechtzeitig mit Gott ins Reine zu kommen: Wer sein Leben nicht genutzt hat, um Gott zu finden, dem ist sein Leben misslungen, auch wenn es lang und voller Freude war. Wer aber zu Gott gefunden hat, dem ist das Leben geglückt, selbst wenn‘s kurz und mühselig gewesen wäre.
5.
Der wahre Adel menschlicher Existenz liegt nicht in Lustgewinn und Selbsterhaltung, sondern in der Hingabe an einen höheren Zweck, der es wert ist, dass man ihm dient. Und solcher Dienst erniedrigt den Menschen nicht etwa, sondern erhöht ihn, weil sein Dasein dadurch über den engen Horizont des Eigennutzes hinausgehoben wird. Christus selbst gibt uns das beste Beispiel solch eines Daseins „für andere“ und demonstriert damit, dass man sein Leben nicht anders bewahrt, als indem man es hingibt, und es nur gewinnt, indem man es verliert.
6.
Das Leben ähnelt einem Markt, auf dem wir mit unseren Potentialen Handel treiben und Waren wie Kraft und Zeit gegen andere tauschen. Über den bleibenden Gewinn entscheiden aber nicht die Mittel, die wir nur vorübergehend haben, sondern der Zweck, für den wir sie einsetzen. Worauf wir heute aus sind, bestimmt darüber, wer wir in Ewigkeit gewesen sein werden. Darum investiere man sich nicht in das Falsche und gebe nicht Diamanten für Glasperlen: bei Gott Kredit zu haben, ist die einzige wirklich „harte“ Währung!
7.
Die Christenheit ist Gottes „geistliches Haus“, erbaut aus „lebendigen Steinen“. Und der einzelne Christ, der sich selbst als einen Stein zum großen Dom beiträgt, gewinnt dadurch Anteil an dem, was den Dom von einem Steinhaufen qualitativ unterscheidet. Es adelt die Steine, dass der Dom ihrer bedarf, um zu sein! So wie sie das Haus Gottes bilden, ohne deswegen selbst Gott zu sein (so wie sie das Heilige umhüllen, ohne sich selbst mit dem Heiligen zu verwechseln), so dürfen Christen in der gemeinsamen Ausrichtung auf Gott bei ihm, in ihm und um ihn sein.
8.
Gott hat jedem Menschen eine Lebensaufgabe zugedacht, die er erfüllen soll. Wer aber noch nicht weiß, welche seine ist, kann sich an vier Punkten orientieren: (1.) An seiner Verortung in der Welt, d.h. an der Stellung, die ihm durch seine Geburt zugewiesen wurde. (2.) An seiner Ausstattung mit Begabungen und „Pfunden“, mit denen sich „wuchern“ lässt. (3.) Daran, dass sich ein Beruf als konkrete Form der Nächstenliebe verstehen lassen muss. Und (4.) an dem Bedarf und der Not, mit der Gott ihn konfrontiert. Dass ein Mensch aber zu gar nichts Gutem berufen wäre und zu gar nichts taugte, kommt in Gottes Ordnung nicht vor.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Mein Leben ist bis zum Äußersten gebracht; es ekelt mich des Daseins, welches unschmackhaft ist, ohne Salz und Sinn. Wäre ich gleich hungriger als Pierrot, ich möchte dennoch nicht die Erklärung fressen, welche die Menschen anbieten. Man steckt den Finger in die Erde, um zu riechen, in welch einem Lande man ist, ich stecke den Finger ins Dasein – es riecht nach nichts. Wo bin ich? Was heißt denn das: die Welt? Was bedeutet dies Wort? Wer hat mich in das Ganze hinein betrogen und lässt mich nun dastehen? Wer bin ich? Wie bin ich in die Welt hineingekommen; warum hat man mich nicht vorher gefragt, warum hat man mich nicht erst bekannt gemacht mit Sitten und Gewohnheiten, sondern mich hineingesteckt in Reih und Glied, als wäre ich gekauft von einem Menschenhändler? Wie bin ich Teilhaber geworden in dem großen Unternehmen, das man die Wirklichkeit nennt? Warum soll ich Teilhaber sein? Ist das nicht Sache freien Entschlusses? Und falls ich genötigt sein soll, es zu sein, wer ist denn da der verantwortliche Leiter – ich habe eine Bemerkung zu machen –? Gibt es keinen verantwortlichen Leiter? An wen soll ich mich wenden mit meiner Klage? Das Dasein ist ja eine Diskussion, darf ich bitten, meine Betrachtung mit zur Verhandlung zu stellen?“
(Sören Kierkegaard)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie. Friedrich Nietzsche
Wie kann man leben, wenn man nicht weiß wofür? Wofür aber lohnt es sich zu leben? Man erkennt wohl das, wofür sich zu leben lohnt, daran, dass man auch dafür sterben könnte. Wofür aber könnte man sterben, außer für das, was schwerer wiegt als das Leben? Du kennst nichts, was schwerer wiegt als dein Leben? Du armer Mensch. Du lebst – und stirbst – für nichts? Anonym
Wenn dem Menschen nicht immer etwas teurer ist als das Leben, so ist das Leben nicht viel wert. Johann Gottfried Seume
Konfuzius sprach: „Es hat alles keinen Sinn. Ich habe noch niemanden getroffen, der seine eigenen Fehler sieht und sich dabei selbst anklagt.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Ton knetend formt man Gefäße. Doch erst ihr Hohlraum, das Nichts, ermöglicht die Füllung. Das Sichtbare, das Seiende, gibt dem Werk die Form. Das Unsichtbare, das Nichts, gibt ihm Wesen und Sinn. Laotse
Welchen Sinn hat es, Menschen in die Welt zu setzen, ehe man geklärt hat, welchen Sinn es für Menschen hat, in der Welt zu sein? Man schiebt diesen Menschen nur ein Problem zu, das man sich selbst nicht getraut hat zu klären. Es ist, als würde ein Mensch auf die Frage „Wozu ist ein Hammer gut?“ antworten „Um Hämmer zu machen“ und auf die Frage „Und wozu sind dann diese Hämmer gut?“ antworten „Um weitere Hämmer zu machen“. G. K. Chesterton
Wenn der Mensch seine eigentliche Aufgabe nicht erfüllt, ist es, als ob du ein Schwert aus feinstem indischen Stahl, wie man es in königlichen Schatzkammern findet, brächtest und es dann zu einem Schlachtermesser machtest, um angefaultes Rindfleisch damit zu schneiden, und dann sagtest: „Ich lasse dies Schwert nicht müßig herumhängen; ich benutze es für etwas Nützliches!“ Oder als ob du einen goldenen Kessel brächtest und Rettich darin kochtest, wo man für ein einziges Körnchen seines Goldes hundert Töpfe kaufen könnte; oder als ob du einen juwelenbesetzten Dolch als Nagel für einen Kürbis oder einen kaputten Krug verwendetest: „Doch, ich nutze ihn ja gut, ich hänge meinen Kürbis dran auf. Ich lasse den Dolch ja nicht nutzlos herumliegen!“ Wäre das nicht beklagenswert und lächerlich? Rumi
Dächte man sich ein Haus, bestehend aus Keller, Erdgeschoß und Obergeschoß, derart bewohnt, derart eingerichtet, dass da zwischen den Bewohnern jedes Stockwerks ein Standesunterschied wäre oder doch auf ihn gerechnet wäre – und vergliche man das ein Mensch Sein mit solch einem Hause: so tritt bei den meisten Menschen leider der traurige und lächerliche Fall ein, dass sie es vorziehen, in ihrem eigenen Hause im Keller zu wohnen. Ein jeder Mensch ist die leibseelische Synthesis, die aufs Geistsein angelegt ist, dies ist das Bauwerk; aber er zieht es vor, im Keller zu wohnen, das heißt, in den Bestimmungen des Sinnlichen. Und er zieht es nicht bloß vor, im Keller zu wohnen, nein, er liebt es dermaßen, dass er erbittert wird, wenn etwa jemand ihm vorschlüge, den ersten Stock zu beziehen, welcher leer steht zu seiner Verfügung – denn er wohnt ja in seinem eigenen Hause. Sören Kierkegaard
Wie kommt das Böse in Gottes gute Schöpfung? Manche Gelehrte versuchen, das Rätsel zu lösen, indem sie dem Bösen einen Sinn abgewinnen und ihm einen Nutzen beilegen. Doch verharmlosen sie es damit. Denn die Natur des Bösen besteht gerade darin, für nichts gut zu sein. Es ist ein Fremdkörper im Organismus der Schöpfung, dem wir nicht „verstehend“ begegnen sollten, sondern bewusst „verständnislos“. Es hat keine Daseinsberechtigung. Und so sollten wir es auch behandeln.
Am wenigsten stützt Religion und Sittlichkeit auf Gründe. Eben die Menge der Pfeiler verfinstert und verengt die Kirchen. Jean Paul
Fan Chi fragte, was sittliches Verhalten sei. „Erst die Mühe, dann der Lohn - so verhält man sich richtig“, erwiderte Konfuzius. „Gespräche“ des Konfuzius
Es könnte scheinen, Himmelfahrt sei ein Trauertag für die Jünger, weil Jesus von ihnen Abschied nimmt und sich entfernt. In Wahrheit aber ist Christus, nachdem er zum Himmel aufgefahren ist, seinen Jüngern näher als zuvor. Denn früher war er immer nur hier oder dort. Seit er „zur Rechten Gottes“ sitzt hat er Teil an Gottes Allgegenwart und übt die Herrschaft aus, die ihm der Vater übertragen hat. Ein schrecklicher Gedanke ist das für seine Feinde, Freude und Trost aber für alle Gläubigen.
Besser ist, es gibt Skandal, als dass die Wahrheit zu kurz kommt. Gregor I
1.
Wenn kritische Reflektion dazu führt, dass einem Mensch alle erdenklichen Perspektiven gleich gültig und gleich wahr erscheinen, wird ihm Skepsis zur Falle. Denn er ist dann zwar mächtig darin, Gewissheiten zu hinterfragen, aber außer Stande, Gewissheit zu gewinnen. Und dieses Missverhältnis stört seine Selbstfindung. Denn wer keinen weltanschaulichen Rahmen gelten lässt, hat auch keinen, in dem er sich selbst verorten könnte. Er hält sich für alles offen – und bleibt gerade dadurch leer. Argumentativ ist ihm nicht zu helfen. Aber Gott kennt andere Wege.
2.
Pilatus und die Wahrheit
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Die Zwiebel besteht aus lauter Häuten – also gibt es keine Zwiebel. So zu schließen ist aller Skeptizismus versucht und muss sich hüten. Moritz Heimann
Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit. Ebner-Eschenbach
Du bist frei von dem, auf das du nicht hoffst, und Sklave dessen, was du begehrst. Ibn Ata Allah
Emanzipation ist der Übergang eines Sklaven aus der Unterdrückung durch einen anderen in die Unterdrückung durch sich selbst. Ambrose Bierce
Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave. Aristoteles
Gott hat solches Wohlgefallen an seinem eingeborenen Sohn, dass er Wohlgefallen an allen hat, die sich auf ihn als ihre einzige Hoffnung verlassen. C. H. Spurgeon
Der Mensch wünscht immer, besser als jeder andere zu sein, nur nicht besser als sein Sohn. Aus Jugoslawien
Der Vater liebt nichts als den Sohn und alles, was er in seinem Sohne findet. Meister Eckhart
Gute Werke sind nicht weniger gefährlich als schlechte. Denn wenn der Mensch sich auch nur halbwegs „gut“ vorkommt, beginnt er unweigerlich, sich selbst zu gefallen. Und je besser er sich fühlt, desto weniger fragt er nach Gottes Gnade. Er baut lieber auf das, was er selbst leistet, als auf das, was Christus für ihn tut. Und die Folgen sind fatal. Denn wer sich für gut hält, sucht nicht nach der Gnade, die schlechte Menschen retten kann. Christus gerät ihm aus dem Blick. Und weil er die Gnade nicht hat, nach der er nicht greift, geht er dann verloren: Bevor man seine Sünde loswerden kann, muss man sie als Last empfinden! Und wenn einen vermeintlich gute Werke daran hindern, sind sie eben darum schädlich.
Was mit Gottes Wort nicht übereinstimmt, ist weder zu predigen noch zu glauben. Denn die Kirche als Gemeinschaft der von Christus in die Nachfolge Berufenen wird allein durch sein Wort geschaffen, erneuert und „in der Spur“ gehalten. Kirche will von Gott nichts lehren, als nur das, was er selbst durch sein Wort hat wissen lassen – in trüberen Quellen fischt sie nicht. Und wo dieses „Schriftprinzip“ in Geltung steht, schützt es sowohl die Verkündigung der Kirche als auch den Glauben des Einzelnen vor Fehlentwicklungen aller Art. Wo es hingegen mehr Anspruch als Wirklichkeit ist, folgen zwangsläufig geistliche Krisen.
SOLLTEN CHRISTEN ERLÖST AUSSEHEN?
1.
Wenn Christus als der „eingeborene“ Sohn bezeichnet wird, bleibt das oft unverstanden. Der Ausdruck meint aber, dass er Gottes „einziger“ Sohn ist. Er ist nicht einer von vielen „Söhnen“ oder einer von mehreren „Heilsbringern“, sondern ist sowohl in seinem Wesen wie in seinem Wirken unvergleichlich und konkurrenzlos. In ihm darf jeder Sünder Erlösung finden. Aber ohne ihn gelangt keiner ans Ziel. Wer an ihn glaubt, hat das Heil. Doch ist das nicht eine Chance unter vielen, sondern die einzige. Denn es ist uns kein anderer Name gegeben, durch den wir sollen selig werden. M.a.W.: An Christus vorbei führt kein Weg in den Himmel.
2.
Die nichtchristlichen Religionen entspringen nicht einfach menschlicher Willkür und Phantasie, sondern auch sie verdanken sich dem Wirken und Sich-Bezeugen Gottes. Sie sind einem Christen darum nicht völlig fremd, sondern enthalten – unter vielen Irrtümern – manche sehr respektable Wahrheit, die man anerkennen sollte. Doch wieviel Wahrheit andere Religionen auch enthalten mögen, so fehlt ihnen ohne Christus doch der Zugang zu Gott, den sie haben müssten, um ihren Anhängern das Heil zu vermitteln. Sie kennen das Ziel. Aber sie erreichen es nicht.
1.
Wie jede gute Beziehung lebt auch unsere Gottesbeziehung vom regelmäßigen Kontakt. Darum sollen wir uns am Sonntag von Gott unterbrechen lassen und uns aller Ablenkung durch Arbeit oder Vergnügen entziehen: unsere Seele soll in Gott ruhen, und Gott in ihr, damit er Gelegenheit hat, sein heilvolles Werk an ihr zu tun. Diese Wohltat erfordert Zeit, weil sich die Revision einer Seele nicht „im laufenden Betrieb“ erledigen lässt. Aber sie ist nötig. Denn wer Gottes Zugriff nicht duldet und seinem Wirken nicht still hält, dessen Seele verkommt.
2.
Der christliche Gottesdienst ähnelt einem Eisberg. Er reicht weit in die Tiefe. Aber nur ein Zehntel seiner Masse ist sichtbar. Und dieses Zehntel enttäuscht uns, wenn wir vom Rest nichts wissen. Neben dem „äußeren“ Gottesdienst der versammelten Gemeinde (1) gibt es den „inneren“ Gottesdienst des Glaubens (2), und neben dem „alltäglichen“ Gottesdienst des christlichen Lebens (3) auch noch den Gottesdienst der jenseitigen Welt (4). Alles zusammen ist aber nie die angestrengte Performance der „Mitwirkenden“ für Gott (was hätte er davon?), sondern immer Gottes Werk und Gottes Dienst an uns.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Der Mensch ist ein beschränktes Wesen. Unsere Beschränkung zu überdenken, ist der Sonntag gewidmet. Goethe
„Was soll unsere allergrößte und beständige Sorge sein? Dass wir mögen im Leben, Sterben und nach dem Tod, und also in Zeit und Ewigkeit, mit Gott, als unserem alleinigen höchsten Gut unzertrennlich vereiniget sein.“ (Philipp J. Spener)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Ängstlichkeit nimmt nicht dem Morgen seine Sorgen, aber dem heute seine Kraft. C. H. Spurgeon
Behagen: Gemütszustand beim Betrachten der Sorgen deines Nächsten. Bierce
Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht hindern. Doch kannst du verhindern, dass sie Nester in deinen Haaren bauen. Chinesisches Sprichwort
Der Künstler hat nicht dafür zu sorgen, dass sein Werk Anerkennung finde, sondern dafür, dass es sie verdiene. Marie von Ebner-Eschenbach
Die Frau soll dafür sorgen, dass ihr Mann gern nach Hause kommt, und er soll dafür sorgen, dass sie ihn nur ungern wieder gehen lässt. Martin Luther
Gott hat die Kirchen wie Häfen im Meer angelegt, damit ihr euch aus dem Wirbel irdischer Sorgen dahin retten und Ruhe und Stille finden sollt. Johannes Chrysostomus
Halte dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei, und in dieser Zeit mache ein Nickerchen. Abraham Lincoln
Ich bin ein alter Mann und habe in meinem Leben viele Sorgen gehabt, aber die meisten waren unnötig. Mark Twain
Ich hasse von Herzen die großen Sorgen, von denen Du, wie Du schreibst, verzehrt wirst. Dass sie Dein Herz so beherrschen, daran ist nicht die Größe der Gefahr, sondern die Größe unseres Unglaubens schuld. Martin Luther in einem Brief an Melanchthon
Konfuzius sprach: „Diese ehrgeizigen Streber - wie kann man mit ihnen zusammenarbeiten? Solange sie noch kein Amt haben, ist ihre einzige Sorge, eins zu erhalten. Ist ihnen das gelungen, ist ihre Sorge, es wieder zu verlieren. In ihrer Sorge, das Amt wieder verlieren zu können, sind sie zu allem fähig.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Mühe und Fürsorge sind nicht wider den Glauben. Aber die Sorge ist wider Gott. Martin Luther
Nicht, dass man dich nicht kennt, sei deine Sorge, sorge dafür, dass du des Kennens wert bist. Konfuzius
Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen leg ich meinen Tag in deine Hand. Sei mein Heute, sei mein gläubig Morgen, sei mein Gestern, das ich überwand. Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, bin in deinem Mosaik ein Stein. Wollst mich an die rechte Stelle legen, deinen Händen bette ich mich ein. Edith Stein
Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre! Matthias Claudius
Wenn deine Probleme zu klein sind, um darüber zu beten, sind sie auch zu klein, um sich darüber zu sorgen. Anonym
Wenn du deine Sorgen auf Gott geworfen hast, so hüte dich, dass du sie nicht wieder auf dich nimmst! C. H. Spurgeon
Wie glücklich und klug ist doch der Mensch, der keine andere Sorge kennt, als zu leben, wie er im Tod wünschen wird, gelebt zu haben! Thomas von Kempen
Wir können von Pflanzen und Tieren etwas lernen, denn sie leben in einer selbstverständlichen und unangestrengten Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, wachsen, wenn sie können, und leiden, wenn sie müssen, hadern aber mit nichts und neiden nichts, sondern sind mit völligem Einverständnis das, wozu Gott sie gemacht hat. Menschen hingegen sind innerlich zerrissen und erlangen den Konsens mit Gott erst wieder durch den Glauben an die barmherzige Vorsehung und Führung des himmlischen Vaters, in die sich der Glaube ergibt.
Es ist viel später, als du denkst. Aus China
Früher oder später wirst Du so handeln, wie Du denkst. Aus Japan
Ich ward gefragt, welcher Unterschied bestehe zwischen Gnade und Seligkeit. Gnade, wie wir sie hier in diesem Leben erfahren, und Seligkeit, die wir späterhin besitzen werden im ewigen Leben, die verhalten sich zueinander wie die Blüte zur Frucht. Meister Eckhart
Jeder Jäger wird einmal ein Hase, früher oder später, denn die Ewigkeit ist lang. Wilhelm Busch
Ob es ein Unglück war, weißt du erst fünf Jahre später. Aus Frankreich
Reue ist Verstand, der zu spät kommt. Feuchtersleben
Wenn du wissen willst, was niemand weiß, dann lies, was jeder liest – nur ein Jahr später. Ralph Waldo Emerson
SPÖTTER
Jesus fordert, das Heilige nicht den Hunden zu geben. Doch woran erkennt man die? Nach C.F.W. Walther sind es jene, die schon Gottes Gesetz nicht hören wollen. Die sind auch des Evangeliums nicht wert. Denn das ist kostbarer Trost für verlorene Söhne, die heimkehren wollen – und ist fehl am Platz, wo man noch selbstsicher spottet und lästert. So wenig ein Schwein Perlen verdauen kann, so wenig kann einer Vergebung empfangen, der nicht nach Vergebung fragt. Versichert man ihm aber, Gott habe ihn trotzdem lieb, füttert man das Schwein mit Perlen des göttlichen Trostes, die es nicht zu schätzen weiß. Man überschüttet diesen Menschen mit unerwünschtem Segen – und erniedrigt das, wozu er aufschauen sollte.
Die leibliche Speise, die wir zu uns nehmen, die wird in uns verwandelt; die geistige Speise aber, die wir aufnehmen, die verwandelt uns in sich. Meister Eckhart
SPEISEGEBOTE DES ALTEN TESTAMENTS
Die Gnade Jesu Christi entmachtet das Gesetz als „Strafordnung“, die dem Sünder zum Verhängnis wird. Doch als Gottes gute Weisung bleibt das Gesetz in Kraft und dient der Christenheit als „Riegel“, „Spiegel“ und „Regel“. Durch Christi Opfer am Kreuz ist das Zeremonial- und Ritualgesetz des Alten Testaments obsolet geworden. Und Christi Lehre hat auch die Reinheits- und Speisegebote antiquiert. Doch das in den Zehn Geboten konzentrierte Moralgesetz bleibt in Geltung. So muss einer, um Christ zu sein, nicht erst Jude werden – muss sich aber dem beugen, was der Schöpfer (nicht speziell den Juden, sondern) allen Menschen geboten hat.
Zu spät gibt, wer erst dem Bittenden gibt. Seneca
Viele, die über Ablasskrämerei in der katholischen Kirche lachen, üben sie doch täglich selbst. Wie mancher Mann von schlechtem Herzen glaubt sich mit dem Himmel ausgesöhnt, wenn er Almosen gibt. G. Chr. Lichtenberg
Okkultismus
König Wilhelm von England hatte eines Abends eine fröhliche und ausgelassene Runde an seinen Tisch geladen. Darunter war auch die Hofdame Frau von Stein, die wegen ihrer vornehmen Herkunft und ihrer Frömmigkeit geschätzt wurde. Der König wurde albern und spottete übermütig über Gott. „Steiny”, so nannte er die Hofdame scherzhaft, „was sagen Sie dazu?” Frau von Stein schwieg. Der König fragte nochmals, aber die Hofdame schwieg. Die Situation wurde sehr gespannt. Da fragte der König zum dritten Mal und fügte hinzu: „Ich denke doch, dass ich ein Mann bin, der einer Antwort würdig ist!” Frau von Stein blickte ihn an und sagte ernst: „Gott sagt, dass für die Spötter schreckliche Gerichte bereit sind!” - Der König sprang auf und lief erregt im Saal auf und ab. Das Mahl war unterbrochen. Niemand der Gäste wagte sich zu rühren. Da winkte der König einem Diener und gab ihm leise einen Auftrag. Nach kurzer Zeit kam der Diener zurück und brachte ein Etui. Der König entnahm dem Etui eine kostbare Kette und überreichte sie der Hofdame: „Steiny, Sie haben mir heute etwas gesagt, was mir noch niemand zu sagen gewagt hat. Ich weiß das zu würdigen, dass Sie Ihren himmlischen König höher achten als Ihren irdischen. Nehmen Sie diesen Schmuck als Erinnerung an diesen Abend!”
SPott und Hohn
Bildbetrachtung
[Der Schüler] Zi-lu sprach zu Konfuzius: „Wenn Euch der Herrscher des Staates Wei die Regierung anvertraute - was würdet Ihr zuerst tun?“ Der Meister antwortete: „Unbedingt die Namen richtigstellen.“ Darauf Zi-lu: „Damit würdet Ihr beginnen? Das ist doch abwegig. Warum eine solche Richtigstellung der Namen?“ Der Meister entgegnete: „Wie ungebildet du doch bist, Zi-lu! Der Edle ist vorsichtig und zurückhaltend, wenn es um Dinge geht, die er nicht kennt. Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Misserfolg. Gibt es Unordnung und Misserfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es tun und was es lassen soll. Darum muss der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Das Leben ist eine Sprache, in der uns eine Lehre gegeben wird. Könnte diese Lehre uns auf eine andere Weise beigebracht werden, so lebten wir nicht. Schopenhauer
Die Menschen gebrauchen ihren Verstand nur, um ihr Unrecht zu rechtfertigen, und ihre Sprache allein, um ihre Gedanken zu verbergen. Voltaire
Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen. Charles Maurice Herzog von Talleyrand-Périgord
Die Sprache ist uns nicht gegeben, damit wir uns gegenseitig täuschen, sondern damit wir unsere Gedanken anderen mitteilen können. Augustin
Staatliche Ordnung ist eine Einrichtung Gottes, der er die Aufgabe zugewiesen hat, durch Recht und Gesetz dem Bösen zu wehren und das Gute zu schützen. Wenn ein Staat diese Aufgabe erfüllt, erwächst ihm daraus die besondere Würde, Gottes Instrument zu sein. Wenn er das Böse aber duldet oder sogar fördert, zerstörte er die Ordnung, die allein ihn legitimieren könnte – und dann wird Widerstand zur Pflicht. Im Zweifelsfall muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Denn göttliches Recht wiegt in jedem Falle schwerer als menschliches.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Die Obrigkeit ist das von Gott eingesetzte weltliche Amt, welches durch Erlassung nötiger und guter Gesetze, Handhabung der Rechtspflege und der äußerlichen Zucht im Einklange mit dem göttlichen Moralgesetz dem dreieinigen Gott zu Ehren und dem Menschen zum zeitlichen Wohle verwaltet werden soll.“ (Adolf Hoenecke)
„Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.“ (Barmer theol. Erklärung)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Der Staat ist eine kluge Veranstaltung zum Schutze der Individuen gegeneinander. Nietzsche
Hätte die Natur so viele Gesetze wie der Staat, Gott selbst könnte sie nicht regieren. Ludwig Börne
In der Tat lässt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einen einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, soviel er kann. Punktum. Mit Verdauungspausen und Ohnmachtsanfällen, welche man „Frieden“ nennt. Carl Spitteler
Konfuzius sprach: „...Geht ein Staat den rechten Weg und herrscht darin Ordnung, so ist es beschämend, wenn man arm und von geringem Ansehen ist. Geht es hingegen in einem Staat nicht rechtens zu, dann ist es eine Schande, reich und angesehen zu sein.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Gefängnisse von innen ansehen. Tolstoi
Unsere Zeit erinnert sehr an die Auflösung des griechischen Staates. Alles besteht zwar noch, doch glaubt niemand mehr daran. Sören Kierkegaard
Zeng-zi sprach: „Ein Mensch, dem man ein Waisenkind genauso anvertrauen kann wie das Schicksal eines Staates und der selbst bei großen äußeren Zwängen seinen Grundsätzen treu bleibt - ist der ein Edler? Er ist ein Edler.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Starker Arm und Schwertschlag ist nicht Heldenmut: Das ist’s, wenn man Unrecht tun kann und nicht tut. Saadi
Die Welt mit all ihren Gütern und Kreaturen ist Eigentum des Schöpfers. Menschen hingegen sind Gäste auf Gottes Grund und Boden. Sie „besitzen“ Güter nur in dem uneigentlichen Sinne, dass Gott ihnen erlaubt, Nutznießer zu sein. Er will aber, dass alle (!) Gäste seines Tisches auskömmlich versorgt werden. Und dieser Absicht hat all unser Wirtschaften zu folgen. D.h.: Wer die Güter der Erde zusammenrafft und anhäuft, um sie für sich zu „bunkern“, entzieht sie ihrer Bestimmung und ist (wenn nicht vor der Justiz, so doch zumindest vor Gott) ein Dieb.
Aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. Goethe
In der Jugend sammeln wir Bausteine für einen Tempel. Aber gebaut wird schließlich eine Vorratskammer. Henry David Thoreau
1.
Gott befindet sich der sündigen Menschheit gegenüber im Zwiespalt: Die Gerechtigkeit Gottes fordert, die Sünde durch Vernichtung der Sünder aus der Welt zu schaffen. Die Liebe Gottes aber bejaht auch die Geschöpfe, die sich vom Schöpfer abkehren. Durch das Leiden Christi wird Gott beidem gerecht und vereint Sühne mit Bewahrung: Gott selbst nimmt die Strafe auf sich, die wir verdient haben. Er stirbt unseren Tod, damit wir leben. Er lässt sich verwerfen, damit wir nicht verworfen würden.
2.
Das Kreuz Christi ist der Ort, an dem der gerechte Zorn Gottes und die stumpfe Verstocktheit der Menschen aufeinanderprallen. Dort trägt Christus unsere Krankheit und lädt auf sich unsere Schmerzen. Er tut’s aber nicht, um hinterher bedauert zu werden, sondern trägt unsere Last, damit wir es nicht müssen. Er blutet, um unsere Wunden zu heilen. Er geht durch die Hölle, um sie uns zu ersparen. Er stirbt, damit wir leben. Er wird gering, um uns zu erhöhen. Er zieht uns weiße Kleider der Unschuld an und lässt uns teilhaben an seiner eigenen Reinheit. So hat der Fluch, der uns galt, das Kreuz nicht überlebt. Da es aber zu unserem Trost geschah, wär’s Christus ein schlechter Lohn, wenn wir uns dessen nicht freuten.
3.
Das Heilswerk Jesu Christi umfasst seinen gesamten Lebensweg und hat mehrere Dimensionen, die eng miteinander verknüpft sind: (1.) wird er Mensch, um den Verlorenen hilfreich nahe zu kommen, (2.) offenbart er ihnen die Liebe Gottes, (3.) verbindet er sich unlöslich mit den Gläubigen, (4.) stirbt er stellvertretend für sie am Kreuz, (5.) sühnte er durch sein Opfer ihre Schuld, (6.) zahlt er das Lösegeld, um sie von allen Mächten freizukaufen, und (7.) überwindet er in der Auferstehung all ihre Feinde. Ja: „Christus erkennen bedeutet, seine Wohl-taten zu erkennen!“
4.
Die Kreuzigung Christi war kein Justizirrtum und kein Missverständnis, sondern eher eine Kampfhandlung. Christus war ein Opfer der Menschheit, die sich dem Anspruch Gottes entziehen wollte, indem sie seinen Repräsentanten aus der Welt schafft. Und Christus war zugleich ein Opfer Gottes, der ihm als Repräsentanten der Menschheit diesen Tod zugemutet hat. Erst von Ostern her erschließt sich der Sinn dieses schrecklichen Vorganges: Gottes Sohn ging durch die Hölle, damit wir es nicht müssen.
5.
Der Kreuzestod Jesu wäre missverstanden, wenn man annähme, Gottes Sohn habe durch das Opfer seines Lebens die Liebe Gottes erst erkauft oder herbeigeführt. Es ist nämlich weder so, dass ein liebloser und zorniger Gott durch das Kreuz erst Liebe lernen musste, noch verhält es sich so, dass Vergebung ohne das Kreuz möglich gewesen wären. Vielmehr hat Gottes Liebe im stellvertretenden Tod Jesu den einzig möglichen Weg gefunden, um sich gegen Gottes sehr berechtigten Zorn durchzusetzen. Aus Liebe litt Gott lieber selbst, als uns leiden zu sehen.
6.
Ging Jesus seinen schweren Weg, damit wir ihn auch gehen? Oder ging er ihn stellvertretend für uns, damit wir das nicht müssen? Wohl folgt ein Jünger seinem Vorbild. Aber die Erlösten werden nicht zu Erlösern, wie der Lehrling einmal zum Meister wird. Der im Guten Vorangehende bahnt und ebnet für alle Nachfolgenden den Weg, so dass sie ihn in seinem „Windschatten“ bewältigen können. Jesus vertritt uns im Beseitigen der Hindernisse. Die Stellvertretung geht aber nicht so weit, dass er uns auch noch das Laufen abnähme!
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Gott ist nicht nur im höchsten Grade barmherzig, sondern auch im höchsten Grade gerecht. Und seine Gerechtigkeit (wie er sich in seinem Worte offenbart hat) fordert, dass unsere Sünden, die gegen seine unendliche Majestät begangen worden sind, nicht nur mit zeitlichen, sondern auch mit ewigen Strafen, beides an Leib und Seele, gestraft werden. Diesen Strafen können wir nicht entgehen, es sei denn, dass der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan wird. Da wir aber nicht selbst Genüge tun und uns vom Zorn Gottes befreien können, hat Gott aus unendlicher Barmherzigkeit seinen eingeborenen Sohn zum Bürgen gegeben, der, um für uns Genugtuung zu leisten, für uns oder an unserer Statt zur Sünde und zum Fluch am Kreuze geworden ist. Dieser Tod des Sohnes Gottes ist das einzige und vollkommene Opfer und die einzige und vollkommene Genugtuung für die Sünden, von unendlicher Kraft und unendlichem Wert, überreich genug zur Versöhnung der Sünden der ganzen Welt.“ (Lehrregel von Dordrecht)
„Wir sollen daher mit Dank und gewisser Zuversicht diese überaus liebliche und tröstliche Lehre aufnehmen, welche lehrt, dass Christus, der für uns ein Fluch geworden ist (das heißt, ein dem Zorne Gottes unterworfener Sünder), unsere Person annehme und unsere Sünden auf seine Schultern lege, und spreche: Ich habe die Sünden begangen, welche alle Menschen sich haben zu Schulden kommen lassen. Darum ist er in Wahrheit ein Fluch geworden nach dem Gesetze, nicht für sich, sondern, wie Paulus sagt: „für uns“. Denn wenn er nicht meine, deine und aller Welt Sünde auf sich genommen hätte, so hätte das Gesetz kein Recht zu ihm gehabt, da es nur die Sünder verdammt und unter dem Fluche hält. Darum hätte er weder ein Verfluchter werden, noch sterben können, da die Ursache des Fluches und des Todes die Sünde ist, von der er frei war. Aber weil er unsere Sünden, nicht gezwungen, sondern freiwillig auf sich genommen hatte, so musste er die Strafe und den Zorn Gottes tragen, nicht für seine Person, welche gerecht und (für die Sünde) unüberwindlich war, darum konnte diese Person nicht schuldig werden, sondern für unsere Person. So hat er zu unserem Besten mit uns gewechselt und unsere sündliche Person an sich genommen und uns seine unschuldige und siegreiche Person geschenkt. Mit dieser angetan und bekleidet, werden wir von dem Fluche des Gesetzes befreit, weil Christus selbst willig für uns ein Fluch geworden ist.“ (Martin Luther)
1.
Für einen Christen ist der Tod der ultimative Ruhestand, den er bei Gott verbringen darf. Und das irdische Getümmel zu verlassen, in dem sich alle von Gier und Angst getrieben um ein bisschen Glück raufen, muss ihn nicht sehr betrüben. Denn er macht einen guten Tausch. Man nennt ihn „entschlafen“, aber in Wahrheit ist er aufgewacht. Man meint, er hätte alles verloren, dabei hat er alles gewonnen. Man weint um ihn, er aber hat gut lachen: Gott hat ihn aus der irdischen Bedrängnis herausgeholt und in die himmlische Freiheit entlassen. Und deshalb muss man ihn wahrlich nicht bedauern. Oder beweint man jemand, der das Ziel seines Weges glücklich erreicht hat? Gratuliert man ihm nicht eher?
2.
Der Blick auf unser Versagen, auf Schuld und unerfüllte Wünsche, macht das Sterben schwer. Darum gelingt getrostes Sterben nur, wo wir den Blick auf Christus richten. Er ist bereit, unsere Defizite auszugleichen, wenn wir uns seiner Gnade überlassen. Und Christus zu ergreifen, ist auch ein schwacher Glaube stark genug. Fürchtet aber jemand Gottes Strenge, soll er umso entschlossener zu Christus hin flüchten und ihn bitten, im Gericht sein Fürsprecher zu sein: So einer wird durch den Tod keineswegs vernichtet, sondern durch den Tod hindurch vollendet.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Alle Menschen in der Welt streben nur nach Gut und Geld, und wenn sie es dann erwerben, legen sie sich hin und sterben. Verfasser unbekannt
Wir sollten das Leben verlassen wie ein Bankett: weder durstig noch betrunken. Aristoteles
Alle Menschen werden als Original geboren, die meisten sterben als Kopie. Graffiti
Alle wollen in den Himmel, aber niemand will sterben. Aus den USA
Alles, was du denkst und tust, soll so gedacht und getan werden, als wenn du heute noch sterben müsstest. Thomas von Kempen
Darum, wenn ich sterbe ... und es findet jemand meinen Schädel, so predige es ihm dieser Schädel noch: Ich habe keine Augen, dennoch schaue ich Ihn; Ich habe kein Gehirn noch Verstand, dennoch umfasse ich Ihn; ich habe keine Lippen, dennoch küsse ich Ihn, ich habe keine Zunge, dennoch lobsinge ich Ihm mit euch allen, die ihr Seinen Namen anruft. Ich bin ein harter Schädel, dennoch bin ich ganz erweicht und zerschmolzen in Seiner Liebe; ich liege hier draußen auf dem Gottesacker, dennoch bin ich drinnen im Paradies! Alles Leiden ist vergessen! Das hat uns Seine große Liebe getan, da Er für uns Sein Kreuz trug und hinausging nach Golgatha. H. F. Kohlbrügge
Es ist eines Christen unwürdig, in einem Zustand leben zu wollen, in dem er nicht sterben möchte. Sophronius Eusebius Hieronymus
Geboren werden heißt, zu sterben anfangen. Laotse
Ein König gab seinem Hofnarren einen Narrenstab mit bunten Bändern und klingenden Schellen als Auszeichnung für seine gekonnte Unterhaltung. Den Narrenstab sollte er behalten, es sei denn, er fände eines Tages einen noch größeren Narren. Bald darauf kam der König zum Sterben. „Wohin gehst du?” fragte der Narr. „Weit fort von hier”, antwortete der König. „Wann kommst du wieder?”, fragte der Narr. „Niemals mehr!” - „Was nimmst du mit auf die weite Reise?”, fragte der Narr. „Nichts!” - „Wie hast du dich auf diese Reise vorbereitet?”, fragte der Narr. „Gar nicht!” Da legte der Narr seinen Narrenstab auf das Sterbebett des Königs und sagte: „Du gehst fort und kümmerst dich nicht darum, was werden soll. Nimm den Stab, ich habe einen größeren Narren gefunden, einen, der törichter ist, als ich es jemals gewesen bin!”
Konfuzius sprach: „Wer am Morgen den rechten Weg erkannt hat, könnte am Abend getrost sterben.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Lass es dir doch einmal recht gewiss und klar werden, dass das Sterben dein eigentliches Leben sein sollte; denn je mehr einer sich selbst stirbt, desto mehr fängt er an, seinem Gott zu leben. Thomas von Kempen
Leben ist eine Erfahrung, die uns ungern sterben lässt. Unbekannt
Shibli sah jemanden weinen, weil seine Geliebte gestorben war, und tadelte ihn: „O Tor, warum liebst du jemand, der sterben kann?“ nach A. Schimmel
Viele Menschen sterben, ohne je gelebt zu haben. Zum Glück bemerken sie es nicht. Henrik Ibsen
Während ich glaubte, ich würde lernen, wie man leben soll, habe ich gelernt zu sterben. Leonardo da Vinci
Was nützt es dir, lange zu leben, wenn dein Eifer, besser zu werden, von so kurzer Dauer und so geringer Wirkung ist? Ach, ein langes Leben macht den Menschen nicht immer besser, macht seine Schuld oft nur größer. Hätten wir doch hier auf Erden auch nur einen Tag recht gut gelebt! ... Wenn es für dich so schrecklich ist, jetzt zu sterben, so ist es vielleicht noch gefährlicher, länger zu leben. Thomas von Kempen
Wer sterben gelernt hat, hört auf, ein Knecht zu sein. Epikur
Wie kann man leben, wenn man nicht weiß wofür? Wofür aber lohnt es sich zu leben? Man erkennt wohl das, wofür sich zu leben lohnt, daran, dass man auch dafür sterben könnte. Wofür aber könnte man sterben, außer für das, was schwerer wiegt als das Leben? Du kennst nichts, was schwerer wiegt als dein Leben? Du armer Mensch. Du lebst – und stirbst – für nichts? Anonym
Will mich Gott nicht lebendig haben, so will ich sterben; will er mich nicht reich haben, so will ich arm sein. Martin Luther
Wenn das letzte Stündlein kommt, so wollen wir das Taufkleid anziehen und uns der Absolution freuen. Martin Luther
Wie jede gute Beziehung lebt auch unsere Gottesbeziehung vom regelmäßigen Kontakt. Darum sollen wir uns am Sonntag von Gott unterbrechen lassen und uns aller Ablenkung durch Arbeit oder Vergnügen entziehen: unsere Seele soll in Gott ruhen, und Gott in ihr, damit er Gelegenheit hat, sein heilvolles Werk an ihr zu tun. Diese Wohltat erfordert Zeit, weil sich die Revision einer Seele nicht „im laufenden Betrieb“ erledigen lässt. Aber sie ist nötig. Denn wer Gottes Zugriff nicht duldet und seinem Wirken nicht still hält, dessen Seele verkommt.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um in der Abgeschiedenheit vom lärmenden Leben seine Zeit der Meditation und dem Gebet widmen zu können. Einmal kam ein Wanderer zu seiner Einsiedelei und bat ihn um etwas Wasser. Der Mönch ging mit ihm zur Zisterne, um das Wasser zu schöpfen. Dankbar trank der Fremde, und etwas vertrauter geworden bat er den Mönch, ihm eine Frage stellen zu dürfen: „Sag mir, welchen Sinn siehst du in deinem Leben in der Stille?“ Der Mönch wies mit einer Geste auf das Wasser der Zisterne und sagte: „Schau auf das Wasser! Was siehst du?“ Der Wanderer schaute tief in die Zisterne, dann hob er den Kopf und sagte: „Ich sehe nichts.“ Nach einer kleinen Weile forderte der Mönch ihn abermals auf: „Schau auf das Wasser der Zisterne. Was siehst du jetzt?“ Noch einmal blickte der Fremde auf das Wasser und antwortete: „Jetzt sehe ich mich selber!“ „Damit ist deine Frage beantwortet“, erklärte der Mönch. „Als du zum ersten Mal in die Zisterne schautest, war das Wasser vom Schöpfen unruhig, und du konntest nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig - und das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selber!“
Gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden, auch erwärmt sie es nicht so sehr. Darum willst du auch erleuchtet und warm werden durch das Evangelium, göttliche Gnade und Wunder sehen, dass dein Herz entbrannt, erleuchtet und fröhlich werde, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz fassen kann, da wirst du finden Wunder über Wunder! Martin Luther
Gott hat die Kirchen wie Häfen im Meer angelegt, damit ihr euch aus dem Wirbel irdischer Sorgen dahin retten und Ruhe und Stille finden sollt. Johannes Chrysostomus
Gott ist ein stiller Geist, der überall zugegen; Drum, wer ihm nahen will, darf sich nicht viel bewegen; Verlier, was bildlich ist, und brauch nicht viel Gewalt, Kehr sanft in stillem Geist: Ich weiß, du findst ihn bald. Gerhard Tersteegen
Gott strebt danach, dass er sich uns völlig gebe. In gleicher Weise, wie wenn das Feuer das Holz in sich ziehen will und sich wiederum in das Holz; dann befindet es das Holz als ihm ungleich. Darum bedarf es der Zeit. Zuerst macht das Feuer das Holz warm und heiß; dann raucht es und kracht, weil das Holz ihm ungleich ist. Und je heißer das Holz dann wird, desto stiller und ruhiger wird es, und je gleicher das Holz dem Feuer ist, desto friedlicher ist es, bis es ganz und gar Feuer wird. Meister Eckhart
In die einsame, stille, freie Gottheit trage deinen unnützen, hässlichen Seelengrund, der überwachsen ist mit Unkraut, ledig alles Guten, und voll der wilden Tiere. Gott entgegen trage deine Finsternis, die allen Lichtes entbehrt, und lass ihn dich erleuchten. Johannes Tauler
Wenn das Meer alle seine Kraft anstrengt, so kann es das Bild des Himmels gerade nicht widerspiegeln; doch wenn es stille wird und tief, senkt sich das Bild des Himmels in sein Nichts. Sören Kierkegaard
Gute Werke sind nicht weniger gefährlich als schlechte. Denn wenn der Mensch sich auch nur halbwegs „gut“ vorkommt, beginnt er unweigerlich, sich selbst zu gefallen. Und je besser er sich fühlt, desto weniger fragt er nach Gottes Gnade. Er baut lieber auf das, was er selbst leistet, als auf das, was Christus für ihn tut. Und die Folgen sind fatal. Denn wer sich für gut hält, sucht nicht nach der Gnade, die schlechte Menschen retten kann. Christus gerät ihm aus dem Blick. Und weil er die Gnade nicht hat, nach der er nicht greift, geht er dann verloren: Bevor man seine Sünde loswerden kann, muss man sie als Last empfinden! Und wenn einen vermeintlich gute Werke daran hindern, sind sie eben darum schädlich.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Andere Laster greifen bloß jene Tugenden an, durch welche sie selbst vernichtet werden; so bekämpft der Zorn die Geduld, die Gefräßigkeit die Enthaltsamkeit, die Wollust die Keuschheit; der Stolz aber, welcher die Wurzel der Laster ist, ist nicht zufrieden mit der Vertilgung einer Tugend, er erhebt sich gegen alle Glieder der Seele und verdirbt, wie eine allgemeine Pestkrankheit, den ganzen Leib, so dass durch alles, was durch ihn geschieht, wenn es auch den Schein von Tugend hat, nicht Gott, sondern nur dem eitlen Ruhm gedient wird.
(Gregorius)
Jeder, der sündigt, ist hoffärtig; denn jeder Sünde liegt die Verachtung der göttlichen Gebote zu Grunde. Mit Recht wird also die Hoffart der Anfang aller Sünden genannt. – Jede Art von Hoffart liegt ebenso tief unten, als sie hoch sich aufrichtet, und stürzt um so tiefer, je höher sie sich erhebt. – Und gleichwie der Stolz der Ursprung aller Laster ist, so ist er auch der Ruin aller Tugenden, indem er schon im Anfang den Sinn verkehrt, so dass das Gute nicht mit guter Meinung geschieht, oder zuletzt den Tugenden ihren Wert wegnimmt. – Es ist besser, in welch immer eine Sünde zu fallen und nach dem Fall sich vor Gott zu demütigen, als Gutes zu tun und nachher durch stolze Erhebung einen schwereren Fall und die Verwerfung sich zu bereiten.
(Isidorus)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Den wirklich gelehrten Menschen geht es wie den Kornhalmen auf dem Felde: Sie wachsen frisch auf und richten den Kopf gerade und stolz in die Luft, solange die Ähren noch leer sind. Sobald sie angeschwollen, voll Korn sind und reif werden, senken sie demütig die Häupter. Michel de Montaigne
Der Stolz auf das Vertrauen, das einem geschenkt wurde, ist eines der Hauptmotive dafür, dass man Geheimnisse ausplaudert. Samuel Johnson
Dies ist zugleich die Humanität des Genies und sein Stolz: ... Es ist bescheiden von der Nachtigall, dass sie nicht danach verlangt, dass jemand ihr zuhören soll; aber es ist auch stolz von der Nachtigall, dass sie überhaupt nichts davon wissen will, ob jemand ihr zuhört oder nicht. Sören Kierkegaard
Du wolltest Gott sein, obwohl du Mensch warst, und gingst so verloren. Er wollte Mensch sein, obwohl er Gott war. So schwer schlug dein menschlicher Stolz dich nieder, dass nur die Demut eines Gottes dich wieder aufrichten konnte. Augustin
Ich glaube, dass die Selbstgerechtigkeit dein Verderben ist, und darum sage ich dir ganz offen und aufrichtig, dass du ebenso gut hoffen kannst, mit einem Luftballon in den Himmel zu fliegen, als durch deine guten Werke hineinzukommen. Ebenso gut könntest du in einem Sieb nach Ostindien fahren, als durch dein gutes Wesen in die Herrlichkeit zu gehen. Du könntest ebenso gut in Spinnweben deinem Fürsten dich vorstellen, als in deiner eigenen Gerechtigkeit dem König des Himmels. Fort mit deinen Lumpen, mit deinen zerfaulten, stinkenden Fetzen. Sie sind nur ein Mistbeet für das Unkraut des Unglaubens und Stolzes. Es ist in Gottes Augen nichts nütze. Warum willst du deinen Kopf so hoch tragen, dass man ihn abschneiden muss? C. H. Spurgeon
Je mehr du weißt und je besser du’s einsiehst, desto strenger wirst du darüber gerichtet werden, wenn du nicht um so viel heiliger gelebt hast, als deine Einsicht besser war. Darum trag du den Kopf deshalb nicht höher, weil du irgendeine Kunst oder Wissenschaft besitzt. Eben dies, dass dir soviel Erkenntnis gegeben ist, soll dich mehr furchtsam als stolz machen. Denn sie ist’s eben, die dich verdammt, wenn du nicht heiliger lebst als andere, die deine Erkenntnis nicht haben. Thomas von Kempen
Ob Fehler oder Vorzug, wenn wir ihn nicht haben, treibt uns der Stolz, ihn zu verachten. Rochefoucauld
Warum freust du dich?“ fragte Diogenes einen jungen Mann. „Ich habe den Sieg bei der Olympiade errungen“ erwiderte der stolz, „ich habe alle Mitstreiter besiegt!“ „Was für eine Ehre“, versetzte Diogenes, „ist es, Schwächere zu besiegen?“
Wer einem Kranken seine Ratschläge gibt, erwirbt sich ein Gefühl von Überlegenheit über ihn, sei es, dass sie angenommen oder dass sie verworfen werden. Deshalb hassen reizbare und stolze Kranke die Ratgeber noch mehr als ihre Krankheiten. Friedrich Nietzsche
1.
Gott hat nicht aufgehört zu strafen. Und seine Strafen bringen Leid. Doch ist deswegen nicht alles Leid als Strafe anzusehen. Denn Gott kennt Strafen zur Seligkeit und Strafen zur Verdammnis. Er kennt gnädige Heimsuchungen zur Besserung und ungnädige zum Verderben. Die ersten treffen nur Christen, und die zweiten treffen nur Nicht-Christen. Denn für diese trägt Christus ihre Schuld. Und für jene ist sie noch eine offene Rechnung. Die einen treibt von Gott kommendes Leid immer weiter zu ihm hin. Die anderen treibt es immer weiter von ihm fort.
2.
Gottes Gericht besteht oft darin, dass er uns in unserem törichten und bösen Tun nicht aufhält, sondern (statt einzugreifen), uns einfach den Konsequenzen unseres Tuns überlässt. Denn meist gebärt die Sünde selbst das Übel, das sie verdient. Das ist hart, aber gerecht. Darum hadert der Glaube nicht mit Gott, sondern beugt sich seinem Gericht, zumal er ja weiß, wohin ihn Gottes raue Pädagogik führen soll: Er soll endlich bleiben lassen, was ihm und anderen zum Schaden gereicht, und soll lernen, zu wollen, was gewollt zu werden wert ist.
3.
Die Lehre von der „Allversöhnung“ ist heute verbreitet, obwohl sie im Neuen Testament keine Grundlage hat. Jesus rechnet damit, dass Sünder, die nicht im Glauben das Heil ergreifen, auf ewig vom Heil ausgeschlossen bleiben und verloren gehen. In der bewussten Trennung von Gott liegt ihre Schuld – und zugleich ihre angemessene Strafe. Wer aber will sich anmaßen, darüber mehr zu wissen als Gottes Sohn? Die Hölle, von der er spricht, verschwindet nicht, bloß weil wir uns weigern, an sie zu glauben. Trösten wir uns also nicht mit Ausflüchten wie der Allversöhnungslehre, sondern ergreifen wir die konkrete Hilfe, die Christus bietet.
4.
Gott, der Schöpfer, stiftet neben der naturgesetzlichen auch eine sittliche Weltordnung und beschreibt durch seine Gebote den lebensförderlichen Zustand, der nach seinem Willen sein soll. Wer diese gute Ordnung respektiert, den findet Gott „in Ordnung“. Doch wer sie stört, missachtet den, der sie erlassen hat, und gefährdet seine Mitmenschen, deren gedeihliches Leben davon abhängt, dass sich die gute Ordnung nicht auflöst. Dem Störer soll und muss vergolten werden, weil die Ordnung, in der sich ein Verstoß gegen die Ordnung lohnt, untergeht.
5.
Belsazars Gastmahl
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Die Strafen Gottes sind Offenbarungen seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit wider das Böse in seinen vernunftbegabten Geschöpfen. Wer die Ehre Gottes antastet, der verletzt gleichsam seinen Augapfel, und kann dafür nicht ungestraft bleiben. Jede Sünde ist aber eine Antastung der Ehre Gottes, eine Verleugnung seiner Allmacht, seiner Allwissenheit, seiner Heiligkeit, Liebe und Wahrheit. Ebenso verlangt es die in dem Wesen Gottes gegründete sittliche Weltordnung, dass das Böse in seiner Verkehrtheit hingestellt, von der Quelle der Seligkeit ausgeschlossen und dem Elend preisgegeben werde.
(H. Zeller, Biblisches Wörterbuch)
„Die Strafe ist das Leiden, womit Gott den Sünder die Schuld seiner Übertretung bezahlen lässt und seine Majestät sowie die Heiligkeit des Gesetzes, die durch den Sünder angefochten sind, bestätigt.“ (Adolf Hoenecke)
„Gott strafet mit Maßen, nicht im Zorn und Grimm; er züchtiget, wie ein Vater seinen Sohn; er verwundet, darum, dass er heile, 1 Sam. 2,6. Summa, er tut alles uns zur Besserung, Heil, Leben und Seligkeit, eben darum, dass wir ihn lernen fürchten, seine Güte und Treue erkennen, ihm vertrauen und in allen Nöten anrufen. Wie ein fromm Kind, vom Vater gezüchtiget, anfähet sich zu bessern, mehr denn zuvor den Vater fürchtet und liebet, denn es weiß, dass er‘s gut mit ihm meinet. Der Teufel aber, wo ihm Gott verhängt, betrübet, schrecket, verwundet und strafet, nicht wie ein Vater sein Kind, sondern wie ein Henker einen Straßenräuber, der Meinung, dass er den, so er anficht, in Verzweiflung treibe, vor großem Leid ermorde und ewiglich verderbe; er führet in die Hölle und nicht wieder heraus; all sein Tun ist dahin gerichtet: Nur tot, nur tot.“ (Martin Luther)
„Gott verhänget dem Teufel, dass er die Welt um ihrer Sünden, Undanks und Verachtung willen durch mancherlei Krankheit, Trübsale und Widerwärtigkeit, als Pestilenz, Krieg, teure Zeit, ängstet und plaget, also, dass alles Jammers und Unglücks der Teufel, nicht Gott, ein Stifter und Ursacher ist; wie aus den Sprüchen Luk. 13. und Apost. 10,38., droben angezogen, zu sehen ist. Was nun zum Tode dienet und hilft, es sei und heiße wie es wolle, das ist des Teufels Instrument und Handwerk, das er ohne Unterlass in der Welt übet und treibet. Wiederum, was zum Leben dienet, das ist Gottes Gnade, Gabe und Wohltat. Zwar er tötet auch, aber zum Leben; wie Hanna in ihrem Liede singet: „Der Herr tötet und macht wieder lebendig“, 1 Sam. 2,6. Wenn aber gottlos Wesen und allerlei Sünde überhand nimmt, so muss der Teufel unsers Herrn Gottes Henker sein. Zur Zeit der Pestilenz bläset er in ein Haus; was er ergreift, das nimmt er hinweg.“ (Martin Luther)
„Wenn Gott redet, zürnt, eifert, straft, so ist das ein gewisses Zeichen, dass er uns wohl will und günstig ist. Wenn er aber spricht: „Ich will dich nicht mehr strafen, sondern schweigen und meinen Eifer von dir nehmen, dich in deinem Sinnchen hingehen und machen lassen, wie es dich gelüstet“, so ist das ein Zeichen, dass er sich von uns abgewandt hat. Aber die Welt und unsere Vernunft kehren es stracks um und halten das Gegenteil für wahr, dass Gott die liebhat, denen er wohltut, und denen feind ist, die er straft.“ (Martin Luther)
„Ungezüchtigt bleiben würde ein verhängnisvolles Zeichen sein: es würde beweisen, dass der Herr gesprochen: „Er hat sich zu den Götzen gesellet; so laß ihn hinfahren.“ Gott gebe, dass dies niemals unser Teil sein möge. Ununterbrochenes Wohlergehen ist etwas, was Furcht und Zittern verursachen muss. Die, welche Gott zärtlich lieb hat, straft und züchtigt er; denjenigen, die er nicht wert hält, gestattet er, sich ohne Furcht zu mästen, wie die Ochsen zur Schlachtbank. In Liebe gebraucht unser himmlischer Vater die Rute bei seinen Kindern. Doch sehet, das Stäupen ist „mit Maße“: Er gibt uns Liebe ohne Maß, aber Züchtigung „mit Maße“ (…). Es ist das Maß der Weisheit, das Maß des Mitgefühls, das Maß der Liebe, wonach unsre Züchtigung angeordnet wird. Fern sei es von uns, gegen so göttliche Bestimmungen uns aufzulehnen. Herr, wenn du dabei stehst und die bitteren Tropfen in meinen Kelch hinein missest, so ist es an mir, fröhlich diesen Kelch von deiner Hand zu nehmen, nach deiner Anweisung zu trinken und zu sprechen: „Dein Wille geschehe.“ (Charles H. Spurgeon)
„Denn es folgt doch gemeiniglich am Ende nach der Sünde auch die Bezahlung; nicht, sage ich, eine papistische Genugtuung, sondern die Strafe Gottes. Denn Gott verzeiht und vergibt ja wohl die Sünde, aber damit der Sünder nicht darüber einschlafe und gar sicher werde, und sich der Sünden noch wohl dazu rühme, als hätte er es wohl ausgerichtet und wäre Alles wohl getan, so kommt Gott mit der eisernen Rute, sucht heim und straft die Sünde der Väter an den Kindern in das dritte und vierte Glied. Warum tut er aber das? Nicht tut er es, als ob man mit solcher Strafe für die Sünde könnte genug tun; denn er lässt sich mit unserer Strafe nicht also zufriedenstellen, sieht solche unsere Genugtuung nicht an: sondern er straft darum, dass der Sünder nicht schnarche und gar sicher werde, oder sich seiner begangenen Bosheit und Sünden noch rühmen soll; sondern dass uns die begangene Sünde beiße, töten und zwingen soll zu erkennen, wie groß und schwer die Sünde sei; dass wir also darüber weinen, seufzen und Gott um Gnade anrufen, auf dass sie uns ohne Verdienst, aus Gnaden, um Christi Jesu willen möge vergeben werden, dieweil ja solche Gnade von Gott verheißen ist denen, so über ihre Sünden weinen, dieselben bekennen, sich leid sein lassen und also wahrhaftige Buße tun. Und wenn Gott die Sünde nicht also strafte, würden wir nicht allein schnarchen und die Sünde gar verachten, sondern würden sie noch wohl dazu täglich häufen, und deren immer mehr und noch größer machen, denn die vorigen gewesen (…..). Denn wo wir die Größe der Sünde nicht mit rechtem Fleiß bedenken werden, so wird sie Gott selbst groß achten. Werden mir uns nicht selber richten, so wird uns der Herr richten. Und es ist doch noch eine große Wohltat, dass uns Gott zu unserer eigenen Seligkeit richtet und straft, und nicht zur Verdammnis, wie Judas und Saul gerichtet sind.“ (Martin Luther)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Bei einem Verbrechen ist das, was die Welt das Verbrechen nennt, selten das, was die Strafe verdient, sondern da ist es, wo unter der langen Reihe von Handlung womit es sich gleichsam als mit Wurzeln in unser Leben hinein erstreckt diejenige ist, die am meisten von unserm Willen dependierte, und die wir am allerleichtesten hätten nicht tun können. G. Chr. Lichtenberg
Dies ist das gerechte Strafurteil Gottes, dass der Mensch, der einst Macht und Herrschaft über alle anderen Geschöpfe hatte, sich aber stattdessen freiwillig und in Missachtung des göttlichen Gebots dem Willen seiner Untergebenen unterwarf, nun, da er Gottes Gebot erfüllen will, erkennen und erfahren muss, wie alle Geschöpfe, die ihm eigentlich untertan sein sollten, sich hochmütig über ihn erheben und sich zwischen ihn und seinen Gott stellen. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Diejenigen, die zu klug sind, sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst. Platon
Kann derjenige wohl redlich, kann er wohl tugendhaft heißen, welcher sich gern seinen Lieblingslastern ergeben würde, wenn ihn nur keine künftige Strafe schreckte, und wird man nicht vielmehr sagen müssen, dass er zwar die Ausübung der Bosheit scheute, die lasterhafte Gesinnung aber in seiner Seele nähre, dass er den Vorteil der tugendähnlichen Handlungen liebe, die Tugend selber aber hasse? Immanuel Kant
Strafe ist Gerechtigkeit für die Ungerechten. Augustin
Um den Menschen für die Erbsünde zu strafen, hat Gott ihm erlaubt, sich aus seiner Eigenliebe einen Götzen zu schaffen, der ihn nun zeitlebens bei allen seinen Taten quält. Rochefoucauld
Wenn die Götter uns strafen wollen, erhören sie unsere Gebete. Oscar Wilde
Wenn etwas hart bestraft wird, so beweist das gar nicht, dass es unrecht ist; es beweist bloß, dass es dem Vorteil der Machthaber nachteilig ist. Oft ist gerade die Strafe der Stempel der schönen Tat. Johann Gottfried Seume
Nun könnt ihr sagen: Schlechte Menschen haben es sehr gut, sie kriegen ihren Willen mehr als andere Leute. Salomon sagt: Der böse Mensch soll nicht sagen: Was schadet es mir, dass ich Übles täte, wenn es mir doch nicht weh täte? Oder: Wer täte mir deshalb Übles? Eben das, dass du Übles tust, das ist ganz und gar dein Schaden und tut dir weh genug. Seid dessen gewiss bei der ewigen Wahrheit, dass es ein ebenso großer Zorn Gottes ist; er könnte dem Sünder nichts Schlimmeres antun, weder mit der Hölle noch mit irgend etwas, als er ihm damit antut, dass er es ihm gestattet oder über ihn verhängt (=ihm zulässt), dass er sündig ist und dass er sich nicht dadurch über ihn erbarmt, dass er keinen so großen Jammer (=Unheil) über ihn zuließe, nicht sündigen zu können. Und gäbe ihm Gott das Weh der ganzen Welt, so könnte ihn Gott dennoch nicht mehr schlagen, als er damit geschlagen ist, dass er sündigt. Meister Eckhart
Lasset die Geister aufeinander prallen, aber die Fäuste haltet still! Martin Luther
In einem Haus stehen zwei Türen einander gegenüber. Sind beide geöffnet, so entsteht ein heftiger Windzug; schließt man eine derselben, so ist ein großer Teil desselben abgeschnitten. Diese zwei Türen sind dein Mund und der Mund dessen, der dich schmäht und schimpft. Wenn du deine Tür schließt, so erstickst du den ganzen Windzug; wenn du sie aber offen lässt, so kann derselbe nicht verhindert werden, du erregst Wind.
(Chrysostomus, gest. 407)
Man liebt sich selbst, wenn man strenge gegen sich ist. Johann Georg Hamann
Man kann studieren und sich tief in den Irrtum hineinstudieren. G. E. Lessing
Studiere und raste nie! Du kommst nicht weit mit Deinen Schlüssen.
Das ist das Ende der Philosophie, zu wissen, dass wir glauben müssen. Emanuel Geibel
SUBJEKTIVITÄT UND OBJEKTIVITÄT
Eine Gewissheit, die auf Erfahrung beruht, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass diese Erfahrung anderen Menschen fehlt. Denn es stimmt nicht, dass nur wirklich sei, was jedem Menschen jederzeit als wirklich demonstriert werden kann. Manches erfährt man nur zu bestimmten Zeiten, nur an bestimmten Orten oder nur mit besonders scharfen Augen! Auch der Glaube resultiert aus einer Erfahrung, die nicht jeder macht. Er verdankt sich nicht der Vernunft, ist aber auch nicht gegen die Vernunft, sondern bloß über der Vernunft – und daher keineswegs unvernünftig.
Wenn ich kein Katholik wäre und die wahre Kirche finden wollte, so ginge ich auf die Suche, um herauszufinden, welche Kirche heutzutage mit der Welt nicht übereinstimmen will. Erzbischof Sheen
Gott ist so groß, dass er es wohl wert ist, ihn sein Leben lang zu suchen. Therese von Avila
Noch niemals sah ich einen Menschen, der wirklich die Wahrheit sucht. Jeder, der sich auf den Weg gemacht hatte, fand früher oder später, was ihm Wohlbefinden gewährte. Und dann gab er die weitere Suche auf. Mark Twain
Unser Leben vergeht mit der Suche nach Gott, denn es vergeht mit der Suche nach dem, was uns fehlt. Théodore Simon Jouffroy
Verbringe deine Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis, vielleicht gibt es gar keines. Franz Kafka
Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt. Marie von Ebner-Eschenbach
1.
Warum Gott Mensch wurde und am Kreuz starb? (1.) bestand die Notwendigkeit der Erlösung, um Gottes Plan zum Ziel zu führen. Und (2.) konnte die Erlösung nicht stattfinden, ohne dass eine entsprechende Sühne vorausging. (3.) vermochte niemand diese Sühne zu leisten außer Gott. Und (4.) sollte niemand die Sühne leisten außer dem Menschen, der den Schaden verursacht hat. Daraus folgt aber unausweichlich (5.), dass derjenige, der die Sühne wirklich leistet, Gott und Mensch zugleich sein muss (freie Bearbeitung eines Werkes des Anselm v. Canterbury).
2.
Das Kreuz Christi ist der Ort, an dem der gerechte Zorn Gottes und die stumpfe Verstocktheit der Menschen aufeinanderprallen. Dort trägt Christus unsere Krankheit und lädt auf sich unsere Schmerzen. Er tut’s aber nicht, um hinterher bedauert zu werden, sondern trägt unsere Last, damit wir es nicht müssen. Er blutet, um unsere Wunden zu heilen. Er geht durch die Hölle, um sie uns zu ersparen. Er stirbt, damit wir leben. Er wird gering, um uns zu erhöhen. Er zieht uns weiße Kleider der Unschuld an und lässt uns teilhaben an seiner eigenen Reinheit. So hat der Fluch, der uns galt, das Kreuz nicht überlebt. Da es aber zu unserem Trost geschah, wär’s Christus ein schlechter Lohn, wenn wir uns dessen nicht freuten.
Wenn es Gott nicht gäbe, wäre auch der Selbstmord erlaubt. Doch für den Christen steht das Verhältnis zum Schöpfer auf dem Spiel, der seiner Seele diesen Leib und dieses Leben gab. Was Gott bejaht, kann er nicht verneinen oder als einen Fehler ansehen, den er eigenmächtig korrigieren dürfte. Denn es kommt darauf an, dass einer nicht „von-Gott-weg“, sondern „auf-Gott-hin“ stirbt. Wichtiger, als ob er lebt oder stirbt, ist die Frage, ob er‘s mit oder ohne Gott tut. Mit Gott ist beides richtig (sogar das Sterben), und ohne ihn ist beides falsch (sogar das Leben).
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Diejenigen, welche sich selbst erhängen oder sonst töten, leiden Gewalt vom Teufel, wie der, welcher von einem Räuber getötet wird. Sie sind ihrer selbst nicht mächtig, darum kann ich sie nicht verdammen, obgleich man dies dem Volke nicht sagen muss. Und der Teufel muss zu Zeiten so hart sein, und solche Beispiele müssen den Menschen vor Augen gestellt werden, sonst würde niemand Gott fürchten. O man muss hart mit solchen Gedanken (nämlich des Selbstmordes) umgehen, dass man sie überkomme, wiewohl man auch hart umgehen muss mit solchen Toten, sie verbrennen etc., damit die Welt geschreckt werde.“ (Martin Luther)
1.
Sünde ist kein äußeres Fehlverhalten, sondern ist zuerst ein seelischer Schaden. Er besteht in der egozentrischen Unterstellung, (nicht Gott, sondern) wir selbst seien der Mittelpunkt der Welt und das Maß aller Dinge. Dieser Grundirrtum, die eigene periphere Stellung mit der zentralen Stellung Gottes zu verwechseln, führt dazu, dass wir unseren Willen dem Willen der Mitmenschen und dem Willen Gottes überordnen. Und daraus resultiert alles, womit wir einander das Leben zur Hölle machen.
2.
Sünde ist nicht in erster Linie unmoralisch, sondern zuerst und vor allem sinnlos. Sie ist der tragische Irrtum eines Geschöpfes, das sein Verhältnis zu Gott missversteht und darum meint, es könne oder solle von sich selbst oder von der Welt leben. Der Sünder erwartet vom Stückwerk, was vernünftigerweise nur vom Vollkommenen erwartet werden kann. Er maßt sich an, auch abgesehen von Gott etwas zu sein, verkennt damit seine Lage und zieht falsche ethische Konsequenzen. Der Grund ist aber immer, dass er von Gott zu gering denkt und von sich selbst zu groß.
3.
Ob ein Mensch „gut“ ist, bemessen wir nicht am Effekt seiner Taten, sondern an den Motiven seines Willens. Und wenn diese Motive eigennützig sind, können wir den Willen nicht „gut“ nennen. Doch wann handelten wir wirklich „selbstlos“? Gewöhnlich tun wir das Gute nicht um seiner selbst willen, sondern weil es sich in irgendeinem Sinne für uns „lohnt“. Was heißt das aber anderes, als dass wir schlecht sind? Solange wir Gründe brauchen, um das Gute zu wollen, sind wir fern vom Guten, denn dem Guten wäre es Lohn genug, dass das Gute geschieht.
4.
Der Mensch ist dazu bestimmt, Gottes Ebenbild zu sein. Doch ist dies nicht als „Gottähnlichkeit“ misszuverstehen. Gemeint ist vielmehr eine gegenbildliche Entsprechung wie sie zwischen Siegelring und Siegelabdruck besteht: Der Mensch ist bestimmt, zu empfangen, wo Gott schenkt, zu gehorchen, wo Gott befiehlt, zu folgen, wo Gott ruft. Bisher verfehlen alle Menschen dieses Ziel, bis auf einen: Jesus Christus ist das wahre Ebenbild Gottes und dadurch der Maßstab des wahrhaft Menschlichen.
5.
Wer als Sünder geboren wird, hat keine andere Wahl, als zu sündigen. Doch kann uns das nicht entschuldigen, weil wir keineswegs widerwillig, sondern willig sündigen. Wir handeln „selbstbestimmt“, insofern wir Anderes und Besseres tun könnten, wenn wir nur wollten. Was uns am Gut-Sein hindert ist also nicht, dass wir nicht Gut-Sein „könnten“ (obwohl wir es wollen), sondern am Gut-Sein hindert uns nur, dass wir es nicht wollen (obwohl wir wissen, dass wir es wollen sollten). Der Mensch sündigt demnach aus freien Stücken. Und mehr braucht man nicht, um für die Folgen verantwortlich zu sein.
6.
Der Begriff „Erbsünde“ ist ein unglücklich gewählter Ausdruck dafür, dass Sünde kein punktuelles, individuelles und vorübergehendes Versagen ist, sondern ein umfassendes, alles durchdringendes und dauerhaftes Verhängnis. Unvermeidlich ist die Sünde, weil wir (1.) vor allem unsere eigenen Nöte spüren, weil wir (2.) unseren Lebensbedarf Anderen streitig machen müssen und (3.) – um unsere Schwäche und Sterblichkeit wissend – in ständiger Sorge leben. Weil das für alle Menschen gilt, ist Sünde kein Merkmal, das die „bösen“ von den „guten“ unterscheiden würde, sondern der Normalzustand aller, die in diese Welt geboren werden.
7.
Eigentlich sollte man erwarten, dass ein Christ – mit Gottes Geist beschenkt – auch diesem Geist gemäß lebt. Doch tatsächlich sind Christen „Gerechte“ und „Sünder“ zugleich. „Gerechte“ sind sie nach Gottes Urteil, das ihnen dieselbe Gerechtigkeit zuerkennt wie Christus selbst, „Sünder“ sind sie aber ihrem eigenen Urteil und ihrem Verhalten nach. Denn die Gerechtigkeit eines Christen ist keine Eigenschaft seiner Person, sondern besteht ganz in der Nachsicht seines barmherzigen Gottes. Die Überbleibsel der Sünde bleiben trotzdem ein Ärgernis! Doch wo ein Christ nicht willentlich, sondern unwillentlich sündigt (aus Überforderung und mit sofortiger Reue), wird es ihn nicht gleich sein Seelenheil kosten.
8.
Wer annimmt, das Sünder-Sein gehörte zur Natur des Menschen, verstrickt sich in absurde Konsequenzen. Denn unter dieser Voraussetzung wäre weder die Menschwerdung Christi denkbar noch die Erlösung des Menschen, jeder Bußruf wäre sinnlos, Nächstenliebe unmöglich und alle Bosheit entschuldigt. Tatsächlich liegt unser Wesen in dem Guten, das sich Gott bei der Erschaffung des Menschen gedacht hat – und dessen wahre Gestalt am sündlosen Leben Jesu abzulesen ist. Er ist der neue Adam, in dem das geschädigte Menschenwesen erneuert wird. Und das ist eine gute Nachricht. Denn so sind wir zwar faktisch Sünder, sind es aber nicht notwendig oder „von Natur“, weil Mensch-Sein und Sünder-Sein nicht dasselbe ist.
9.
Gott will den Menschen nicht zwingen, seinen Schöpfer zu lieben. Er darf versuchen, die Rolle Gottes mit etwas anderem zu besetzen. Doch Gott ermöglicht kein Leben, in dem die Rolle Gottes unbesetzt bleibt. Wer Gott entläuft, ist nicht frei, ohne Bindung zu leben, er ist nur frei, eine andere Bindung zu wählen. Wer an Gott nicht glauben mag, sucht sich einen Ersatz – und unterwirft sich dem entsprechenden Gesetz. Denn jede Ersatzreligion fordert ihren Preis. Der, dem ich mich hingebe, der „hat“ mich dann auch. Und das eigene Leben ist immer nur soviel wert, wie der Zweck, dem man es widmet. Zuletzt erweist sich aber jeder Ersatz für Gott als schlechter Ersatz. Und dann macht der Glaube Umkehr möglich.
10.
Bildbetrachtung "Davids tiefer Fall"
Lieder zum Thema: Die Sünde
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Die Sünde ist die Abweichung vom Gesetz Gottes.“ (Adolf Hoenecke)
„Was ist und heißt Sünde vor Gott? Alles, was wider Gottes Gesetz oder die Zehn Gebote ist, nicht allein was im Werk und mit der Tat, äußerlich und innerlich dawider geschieht, sondern auch was in unserer Natur dem Gesetze ungemäß und zuwider ist. Röm. 3 und 7.“ (Martin Chemnitz)
„Unter Sünde verstehen wir aber jene angeborene Verderbtheit des Menschen, die von unseren Voreltern auf uns alle übertragen und fortgepflanzt wurde. Durch sie sind wir versunken in verkehrte Begierden, abgewandt vom Guten, aber geneigt zu allem Bösen, erfüllt mit aller Schlechtigkeit, Misstrauen, Verachtung und Hass gegen Gott und können aus uns selbst nichts Gutes tun, ja nicht einmal denken. Indem wir uns also jahraus jahrein ständig mit bösen Gedanken, Worten und Werken gegen Gottes Gesetz versündigen, bringen wir schlechte Früchte hervor, wie es ein schlechter Baum nicht anders kann (Mt. 12,33ff.). Aus diesem Grunde sind wir ganz nach unserem Verdienst dem Zorne Gottes verfallen und werden gerechten Strafen unterworfen; so wären wir auch alle von Gott verstoßen, wenn uns nicht der Erlöser Christus wieder hergestellt hätte. Unter Tod verstehen wir nicht nur den leiblichen Tod, den wir alle einmal um der Sünden willen erleiden müssen, sondern auch die ewigen Strafen, die uns für unsere Sünden und unsere Verdorbenheit gebühren.“ (Heinrich Bullinger)
Die Sünde ist eine Rede, eine Handlung oder eine Begierde wider das ewige Gesetz, welches der Wille Gottes ist.
(Augustinus, gest. 430)
Aus der Eingebung kommt der Gedanke, aus dem Gedanken die Bewegung des Gemüts, aus der Bewegung des Gemüts die Lust, aus der Lust die Einwilligung, aus der Einwilligung das Werk, aus dem Werk die Gewohnheit, aus der Gewohnheit die Verzweiflung an der Besserung, aus der Verzweiflung die Verteidigung der Sünde, aus der Verteidigung der Sünde die Prahlerei mit der Sünde, aus der Prahlerei die Verdammnis.
(Gregorius)
Nachdem das Reich der Finsternis, der Fürst der Bosheit im Anfang den Menschen zu seinem Gefangenen gemacht hatte, hat er die Seele mit der Macht der Finsternis gleichsam umkleidet und umhüllt; hat sie ganz verunreinigt, sie ganz zur Gefangenen für sein Reich gemacht, und kein einziges ihrer Glieder, weder die Gedanken noch das Gemüt, noch auch den Leib frei gelassen, sondern er hüllte sie in den Mantel der Finsternis. So wie nicht bloß ein Teil oder Glied des Leibes leidend, sondern wie er durch und durch den Leiden unterworfen ist, ebenso leidet auch die ganze Seele an den Leiden der Bosheit und der Sünde. Der Arge hat den ganzen Menschen, seine Seele und seinen Leib verunreinigt und verzerrt und hat ihn mit der Sünde derart durchdrungen, dass er verkehrt sieht, verkehrt hört, dass seine Füße schnell sind, böse Wege zu gehen, seine Hände, Verkehrtes zu tun, und sein Herz, Arges zu denken.
(Macarius, gest. 395)
Diese eine Sünde, welche durch einen Menschen in die Welt gekommen und durch alle Menschen gedrungen ist, begreift mehrere Sünden in sich, wenn man sie in ihre Teile zerlegt. Denn sie war Hoffart, weil der Mensch lieber sein eigener Herr sein, als in Gottes Macht stehen wollte. Sie war Unglaube, weil der Mensch Gott nicht glaubte. Sie war Mord, weil der Mensch sich selbst in den Tod stürzte. Sie war geistige Unzucht, weil durch die Überredung der Schlange die Unschuld des Menschen zugrunde ging. Sie war Diebstahl, weil nach der verbotenen Frucht gegriffen wurde. Sie war Geiz, weil der Mensch nach mehr begehrte, als ihm hätte genügen sollen.
(Augustinus, gest. 430)
O betrogene Seele! Was hast du zuletzt von allen deinen Sünden? Du sündigtest wegen des Geldes, und du musst das Geld zurücklassen. Du sündigtest wegen des Landgutes, und du musst alle deine Besitzungen hienieden lassen. Du sündigtest wegen des Weibes, und du musst das Weib verlassen. Du sündigtest wegen der Ehre, und du musst alle deine Titel und Würden zurücklassen. Alles, um deswillen du gesündigt hast, musst du hienieden lassen, und die Sünden selbst, welche du um dieser Dinge willen begangen hast, und die Schuld, welche du dadurch gehäuft hast, musst du mit hinübernehmen zum Richterstuhl des gerechten Vergelters.
(Augustinus, gest. 430)
„Wenn man sagt, die menschliche Natur kenne und wolle das Gute im allgemeinen und aufs Ganze gesehen, aber im Einzelfalle irre sie und wolle das Gute nicht, so müsste man besser so sagen, dass sie im Einzelfalle das Gute kennt und will, aber im allgemeinen kennt und will sie’s nicht. Der Grund dafür ist der: sie kennt nur ihr eigenes Gute, d.h. was ihr als gut, ehrenhaft und nützlich gilt, nicht aber, was für Gott und die anderen gut ist. Und so kennt und will sie das Gute im besonderen, ja nur für sich allein. Das stimmt mit der Schrift überein (vgl. Jes. 2,9-22), die den Menschen als einen beschreibt, der so sehr in sich verkrümmt ist, dass er nicht nur die leiblichen, sondern auch die geistlichen Güter auf sich verdreht und sich in allem sucht.“ (Martin Luther)
„Je klarer, unverhüllter, unverhohlener, die innere Nichtübereinstimmung von Gott und Mensch erkannt wird, um so angemessener und innerlicher wird die Übereinstimmung der Seele mit Gott sein, die da entsteht und zu der man gelangt. Luzifer hat seine Ungleichheit mit Gott nicht erkannt, als er ihm gleich werden wollte; darum ist er in eine unaussprechliche Gottesferne gestürzt, hat jegliche Gottesnähe verloren und jede Hoffnung, sie jemals wieder zu erlangen. Die lieben, edlen Engel aber wandten ihren Blick auf ihre Ungleichheit (gegenüber Gott) und gelangten so zu einem unaussprechlichen Einklang mit ihm.“ (Johannes Tauler)
„Die Erbsünde begreift wesentlich in sich als negative Seite den Mangel der ursprünglichen Gerechtigkeit und als positive Seite die böse Begierde oder die Neigung zu allem Bösen.“ (Adolf Hoenecke)
„Die Erbsünde ist die natürliche und allen Menschen angeborene Krankheit, Seuche, und Gebrechen, welches nicht nur bewirkt, dass wir ohne Furcht und Vertrauen gegen Gott, und durch die böse Lust ganz verderbt sind: sondern uns auch der ewigen Verdammnis schuldig macht, wenn nicht die Wiedergeburt dazwischen kommt.“ (Leonhard Hutter)
„Die Erbsünde ist, wie droben gemeldet, eine tiefe Verderbung, dadurch die menschliche Natur an Leib, an Seele und an allen Kräften ganz und gar, durch und durch, zu Grunde verkehret und verderbet ist, also dass vor Gott, sonderlich in geistlichen Sachen, nichts Gutes im Fleische wohne, Röm. 7, sondern alles Dichten und Trachten des menschlichen Herzens von Natur nur böse sei, Gen. 6 und 8. Und wie tief, greulich und schwer der Erbschade sei, weiß und kennet keine Vernunft nicht, sondern es muss aus der Schrift Offenbarung gelernet und geglaubet werden. Denn des Menschen Herz ist so böse und verderbt, dass es unerforschlich ist, Jerem. 17, und ist der Erbschade so groß, dass er allein durch des H. Geistes Wiedergeburt und Erneuerung kann geheilet werden, welches doch in diesem Leben nur angefangen, aber allererst in jenem Leben vollkommen sein wird.“ (Martin Chemnitz)
„Das Gesetz Gottes, bekennen wir, ist durchaus gerecht, gut, heilig und vollkommen, indem es solche Dinge befiehlt, die, vollkommen erfüllt, im Stande wären, das Leben zu geben und den Menschen ewig selig zu machen. Aber unsre Natur ist so verderbt, so schwach und unvollkommen, dass wir niemals im Stande sind, die Werke des Gesetzes vollkommen zu erfüllen, ja, wenn wir sagen, wir haben keine Sünde (auch nachdem wir wiedergeboren sind), so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit Gottes ist nicht in uns. Und darum ist es nötig, dass wir Jesum Christum ergreifen mit seiner Gerechtigkeit und Genugtuung, welcher das Ende und die Erfüllung des Gesetzes ist für alle, die da glauben…“ (John Knox)
„Der Sündenfall oder die erste Sünde im menschlichen Geschlecht ist die Übertretung des ersten Menschen, in welcher er vom Satan verführt und seinen freien Willen missbrauchend das paradiesische Gesetz übertrat und damit auf alle Menschen Tod und Verderben gebracht hat.“ (Adolf Hoenecke)
„Der Fall Adams ist der Ungehorsam wider Gott, dadurch sich der Mensch von Gott abgewendet hat zu ihm selbst, und Gott die Ehre geraubet, indem er selbst Gott sein wollen; dadurch er des heiligen Bildes Gottes beraubet, nämlich der vollkommenen Erbgerechtigkeit und Heiligkeit. Im Verstande verblendet, im Willen ungehorsam und Gott widerspenstig, in allen Kräften des Herzens verkehret, und Gottes Feind worden, welcher Gräuel auf alle Menschen durch fleischliche Geburt fortgepflanzet und geerbet wird, dadurch der Mensch geistlich tot und gestorben, ein Kind des Zorns und der Verdammnis ist, wenn er nicht durch Christum erlöset wird.“ (Johann Arndt)
„Der Mensch ist von Anbeginn nach dem Bilde Gottes geschaffen, in seinem Verstande mit einer wahren und seligen Erkenntnis seines Schöpfers und anderer geistlicher Dinge geschmückt, in seinem Willen und Herzen mit Gerechtigkeit, in all seinen Neigungen mit Reinheit, und war demgemäß ganz heilig. Aber auf Anstiftung des Teufels und nach seinem freien Willen sich von Gott abwendend beraubte er sich selbst dieser vortrefflichen Gaben und holte dagegen an deren Stelle Blindheit, fürchterliche Finsternis, Eitelkeit und Verkehrtheit des Urteils in seinem Verstande, Bosheit, Widersetzlichkeit und Verhärtung in seinem Willen wie auch Unreinheit in all seinen Neigungen über sich. Wie der Mensch nun nach dem Fall beschaffen war, solche Kinder zeugte er auch, nämlich als ein Verderbter verderbte, also, dass die Verderbnis nach Gottes gerechtem Urteil von Adam auf alle seine Nachkommen (Christus allein ausgenommen) gekommen ist (…). So werden denn alle Menschen in Sünden empfangen und als Kinder des Zorns geboren, untüchtig zu allem seligmachenden Guten, geneigt zum Bösen, tot in Sünden und als Sklaven der Sünde. Sie wollen und können weder zu Gott zurückkehren noch ihre verderbte Natur bessern oder sich zu deren Besserung bereit finden ohne die Gnade des wiedergebärenden Heiligen Geistes.“ (Lehrregel von Dordrecht)
„Der Eigenwille gleicht einem giftigen und tödlichen Kraut, dessen Genuss der erfahrenste Arzt schon den ersten Menschen im Paradies verbot. Doch wollten sie seiner Vorschrift nicht gehorchen. Und da sie gegessen, wurden sie aussätzig und zeugten aussätzige Kinder. Obwohl diese nun wissen, dass ihre Eltern durch jenes Kraut krank wurden und starben, so lieben sie es doch vor allen und würzen alle ihre Speisen damit.“
Anselm (+1109)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Es ist keine Sünde, versucht zu werden. Die Sünde liegt in dem Nachgeben. C. H. Spurgeon
Pastor Joh. Abraham Strauß in Iserlohn war in seinen Predigten und Ansprachen originell. So sagte er einst bei einer Abendmahlsvorbereitung: „Euch, denen die Sünden leid sind, die bei Christo Gnade suchen und sich bekehren wollen, sage ich, dass euch die Sünden vergeben sind. Euch andern sage ich es nicht. Denn was kann es helfen, wenn man einem toten Schafe eine Hand voll Heu vor das Maul hält? Es frisst es doch nicht! Amen.“ Euthymius Haas
Alle Frömmler sind neugierig; sie entschädigen sich für die Sünden, die sie nicht begehen, mit dem Vergnügen, die der andren zu kennen. Pierre Carlet de Marivaux
Dass die Welt nicht vor ihrer Sünde erschrickt, sieht ihr ähnlich. Aber vor eben diesem Spiegelbild sollte sie erschrecken! Karl Kraus
Ein Heiliger ist ein toter Sünder, bearbeitet und neu herausgegeben. Ambrose Bierce
Es gibt keine kleine Sünde - es sei denn, wir fänden einen kleinen Gott. John Wesley
Es gibt nur zwei Arten von Menschen: Gerechte, die sich für Sünder halten; und die anderen Sünder, die sich für Gerechte halten. Blaise Pascal
Gottes Wort, das geschriebene wie das verkündete, ist mit einem Spiegel zu vergleichen. In geistlicher Hinsicht ist das Auge deiner Seele die Vernunft; das Gewissen ist deine geistige Sehkraft. Und so wie du weißt, dass wenn sich ein Schmutzfleck auf deinem Gesicht befindet, das Auge den Fleck nicht sehen kann und ohne einen Spiegel oder den Hinweis von einer anderen Person nicht weiß, wo er ist, genau so verhält es sich auch in geistiger Hinsicht. Ohne die Lektüre oder die Verkündigung von Gottes Wort ist es nach menschlichem Ermessen unmöglich, dass die durch ihre gewohnheitsmäßige Sünde geblendete Seele den Schmutzfleck in ihrem Gewissen erkennen kann. Und wenn jemand danach in einen wirklichen oder übertragenen Spiegel blickt oder durch den Hinweis von anderen weiß, wo sich der Schmutzfleck an seinem Gesicht befindet (im konkreten wie im übertragenen Sinn), dann erst und nicht früher läuft er zum Brunnen, um sich zu waschen. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Halte die Sünde für einen Erdenkloß, von dem du nichts anderes weißt, als dass er aus dir selbst besteht. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Klatschen ist anderer Leute Sünden beichten. Wilhelm Busch
Mit Geduld Unrecht zu ertragen, das einem anderen zugefügt wird, ist ein Zeichen der Unvollkommenheit und sogar von wirklicher Sünde. Thomas von Aquin
Nun könnt ihr sagen: Schlechte Menschen haben es sehr gut, sie kriegen ihren Willen mehr als andere Leute. Salomon sagt: Der böse Mensch soll nicht sagen: Was schadet es mir, dass ich Übles täte, wenn es mir doch nicht weh täte? Oder: Wer täte mir deshalb Übles? Eben das, dass du Übles tust, das ist ganz und gar dein Schaden und tut dir weh genug. Seid dessen gewiss bei der ewigen Wahrheit, dass es ein ebenso großer Zorn Gottes ist; er könnte dem Sünder nichts Schlimmeres antun, weder mit der Hölle noch mit irgend etwas, als er ihm damit antut, dass er es ihm gestattet oder über ihn verhängt (=ihm zulässt), dass er sündig ist und dass er sich nicht dadurch über ihn erbarmt, dass er keinen so großen Jammer (=Unheil) über ihn zuließe, nicht sündigen zu können. Und gäbe ihm Gott das Weh der ganzen Welt, so könnte ihn Gott dennoch nicht mehr schlagen, als er damit geschlagen ist, dass er sündigt. Meister Eckhart
Seht, alle die sind Kaufleute, die sich hüten vor groben Sünden und wären gern gute Leute und tun ihre guten Werke Gott zu Ehren, und tun sie doch darum, dass ihnen unser Herr etwas dafür gebe oder dass ihnen Gott etwas dafür tue, das ihnen lieb wäre. Dies sind alles Kaufleute. Bei solchem Handel sind sie betrogen. Denn, was sie sind, das sind sie durch Gott, und was sie haben, das haben sie von Gott und nicht von sich selbst. Darum ist ihnen Gott für ihre Werke und für ihr Geben gar nichts schuldig. Meister Eckhart
Um den Menschen für die Erbsünde zu strafen, hat Gott ihm erlaubt, sich aus seiner Eigenliebe einen Götzen zu schaffen, der ihn nun zeitlebens bei allen seinen Taten quält. Rochefoucauld
Wer eine Sünde zweimal begangen hat, der hält sie für keine Sünde mehr. Talmud
1.
Gottes Gesetz ist die „Hausordnung“, die der Schöpfer seiner Schöpfung gegeben hat. Ihre Notwendigkeit und Güte müsste eigentlich jeder einsehen. Für uns Sünder allerdings, die wir das geforderte Gute nicht vorbehaltlos bejahen, wird das Gesetz zur Bedrohung, weil es unser Versagen schonungslos aufdeckt. Die Einsicht in das eigene Versagen ist aber in Wahrheit ein Gewinn: Das Gesetz zwingt uns dadurch, nicht auf die eigene Moralität, sondern auf die Gnade Gottes zu vertrauen.
2.
Wir halten uns gern für „gute“ Menschen, die nichts Schlimmes tun. Doch die Frage ist nicht, was wir tun, sondern warum. Und da zeigt sich leider, dass wir alles zu dem Zweck tun, einen Vorteil zu erlangen oder einen Nachteil zu vermeiden. Unsere Umwelt verstärkt das erwünschte Verhalten und sanktioniert das unerwünschte. Für unsere Einbindung zahlen wir den Preis, dass wir uns anständig benehmen. Doch ist das nur eigennützig. Und wenn es der Preis für soziale Akzeptanz wäre, täten wir auch das Böse. Wir sind zwar gut darin, Moral zu simulieren. Doch wenn Lohn und Strafe entfallen, ist uns die Moral bald egal: Wir scheuen nicht das Böse, sondern scheuen uns nur, erwischt zu werden – sind also keineswegs „gut“.
3.
Unser Scheitern an Gottes Geboten verdirbt uns die Lust daran. Denn Gottes Gesetz scheint für nichts anderes zu taugen, als dass es unser Versagen aufdeckt. Es ist der Eisberg, an dem die „Titanic“ menschlicher Selbstsicherheit zerschellt. Doch ist das in Wahrheit gut so! Denn was da zerbricht, war eine Illusion. Erreicht der Schiffbrüchige aber das Rettungsboot, das man Kirche nennt, und schlüpft bei Christus unter, so kommt er unter Jesu Führung an das Ziel, zu dem ihn seine „Titanic“ (sein stolzes Bemühen um Vervollkommnung) niemals hätte bringen können.