Theologische Impulse Z

 

ZEHN GEBOTE

1.

„Du sollst nicht andere Götter haben...“ Gott will auf der Rankingliste unserer Prioritäten den ersten Platz einnehmen – oder keinen. Und wenn wir ihm statt der Hand nur den kleinen Finger reichen, lässt er uns stehen. Denn Gott ist „absolut“. Und das Absolute nur „relativ“ wichtig zu nehmen, wäre widersinnig. Der Mensch soll darum nicht umherschweifen wie ein herrenloser Köter, der jedem nachläuft und jede Hand schleckt, die ihn füttert, sondern soll in unbedingter Treue auf Gott fokussiert sein, um in Freuden, Nöten, Hoffnungen und Ängsten alles nur von ihm zu erwarten.

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2.

„Du sollst dir kein Bildnis machen...“ Gott weiß: wenn Menschen sich eigenmächtig eine Vorstellung von ihm machen, wird sie falsch sein. Und wenn die Vorstellung falsch ist, kann auch unsere Beziehung zu ihm nicht richtig sein. Darum stellt Gott selbst das Bild her, dessen Fertigung uns überfordern würde, und zeigt uns in Jesus Christus sein wahres Gesicht. Erst dieses autorisierte Selbstporträt (Gottes „Selfie“!) ermöglicht die vertrauensvolle Gottesbeziehung eines Christen – und der respektiert dann um so mehr, dass Gotteserkenntnis nie anders als durch Gott selbst geschieht. 

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3.

„Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen...“ Mit Spott bringt man Autoritäten auf Distanz. Man macht lächerlich, um nicht ernst nehmen zu müssen. Und so witzelt mancher auch über Gott. Doch der nimmt es keineswegs „mit Humor“. Denn Gott kann im Leben des Menschen ein Gegenstand der Verehrung sein. Oder er kann ein Gegenstand der Belustigung sein. Er kann aber nicht beides zugleich sein. Wovor einer Ehrfurcht hat, darüber lacht er nicht. Und worüber er lacht, davor hat er keine Ehrfurcht. So lachen Gottes Kinder mit dem Vater, aber nicht über ihn. Sie freuen sich am Vater, aber nicht auf seine Kosten. 

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4.

„Du sollst den Feiertag heiligen...“ Wie jede gute Beziehung lebt auch unsere Gottesbeziehung vom regelmäßigen Kontakt. Darum sollen wir uns am Sonntag von Gott unterbrechen lassen und uns aller Ablenkung durch Arbeit oder Vergnügen entziehen: unsere Seele soll in Gott ruhen, und Gott in ihr, damit er Gelegenheit hat, sein heilvolles Werk an ihr zu tun. Diese Wohltat erfordert Zeit, weil sich die Revision einer Seele nicht „im laufenden Betrieb“ erledigen lässt. Aber sie ist nötig. Denn wer Gottes Zugriff nicht duldet und seinem Wirken nicht still hält, dessen Seele verkommt.

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5.

„Du sollst Vater und Mutter ehren...“ Der Mensch ist nicht geschaffen, um isoliert sich selbst zu genügen oder für sich selbst da zu sein, sondern soll – als Bindeglied zwischen seinen Eltern und seinen Kindern – an dem Schöpfungsprozess mitwirken, dem er sich selbst verdankt. Man empfängt sein Leben nicht, um es zu konservieren, sondern um es weiterzugeben: es ist ein Wanderpokal! Darum hat jede Generation der vorangehenden wie der nachfolgenden gegenüber eine gottgegebene Aufgabe. Und die lässt sich nur erfüllen, wenn Jung und Alt zusammenstehen und füreinander da sind. 

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6.

„Du sollst nicht töten...“ Nimmt man an, der Mensch sei „auch nur ein Tier“, kann man ihm kaum verdenken, dass er lebt, indem er tötet. Es erscheint dann ganz „natürlich“ – und das Lebensrecht der Schwachen ist entsprechend schwer zu begründen. Doch in Wahrheit ist der Menschen berufen, Gottes Ebenbild zu sein. Der Höchste hat ihn sich zum Gegenüber erwählt. Er gehört so wenig zu den Tieren, wie die Tiere zu den Pflanzen. Und das verleiht jedem Einzelnen ein Lebensrecht, das durch Leistungskraft nicht gesteigert und durch Schwäche nicht verringert werden kann. 

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7.

„Du sollst nicht ehebrechen...“ Treue ist eine Grundbedingung gelingenden Lebens. Denn ohne Treue entsteht kein Vertrauen. Und ohne Vertrauen funktioniert keine Gemeinschaft. Treue besteht in der Bereitschaft, beständig zu sein im Denken, Reden und Tun – und sich dadurch für andere berechenbar zu machen, die den Treuen als stabile Größe in ihre Lebensplanung einbauen dürfen. Kommt aber in der Ehe die Liebe abhanden, ist damit keineswegs ihre „Geschäftsgrundlage“ entfallen. Denn die Ehe gründet gar nicht auf der gefühlten Liebe, sondern auf der versprochenen Treue. 

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8.

„Du sollst nicht stehlen...“ Die Welt mit all ihren Gütern und Kreaturen ist Eigentum des Schöpfers. Menschen hingegen sind Gäste auf Gottes Grund und Boden. Sie „besitzen“ Güter nur in dem uneigentlichen Sinne, dass Gott ihnen erlaubt, Nutznießer zu sein. Er will aber, dass alle (!) Gäste seines Tisches auskömmlich versorgt werden. Und dieser Absicht hat all unser Wirtschaften zu folgen. D.h.: Wer die Güter der Erde zusammenrafft und anhäuft, um sie für sich zu „bunkern“, entzieht sie ihrer Bestimmung und ist (wenn nicht vor der Justiz, so doch zumindest vor Gott) ein Dieb.

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9.

„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden...“ Wer die ihn umgebende Welt zutreffend erkennt, kann sich auf sie einstellen, während der, der über die Gegebenheiten schlecht informiert ist, wie blind durchs Leben stolpert. Auf das, was man falsch sieht, kann man nicht richtig reagieren! Darum ist die Wahrheit ein kostbares „Lebensmittel“. Und wer sie einem Mitmenschen verschweigt oder ihn bewusst täuscht, nimmt ihm die Möglichkeit, sich angemessen zu verhalten. Die Liebe zum Nächsten gebietet darum, die erkannte Wahrheit freigiebig mit ihm zu teilen.

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10.

„Du sollst nicht begehren...“ Es scheint normal, dass Menschen ständig etwas begehren und auf etwas aus sind. Doch dürfen wir uns von unerfüllten Wünschen nicht beherrschen lassen. Denn (1.) währt die Freude über Erreichtes immer nur kurz. (2.) verhindert ständiges Begehren die dankbare Würdigung des Gegebenen. (3.) Bringt uns ungestilltes Begehren in Versuchung, uns das Begehrte, wenn wir‘s anders nicht haben können, auf unrechtmäßigem Wege zu verschaffen. Und (4.) verdrängt das Begehren irdischer Güter das Streben nach Gott und seinem Reich, das viel wichtiger wäre. 

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Lieder zum Thema: Die Zehn Gebote

 

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„Was ist denn der erste Nutzen der zehn Gebote? Dass dieselben uns alle Sünden, nicht nur die äußerlichen, groben und handgreiflichen, sondern auch ebensowohl die innerlichen und der Vernunft unbekannten Sünden, samt ihrer Schwere und Greuel offenbaren, das Gewissen derselben überzeugen, strafen, und machen, dass wir göttlichen Zorn darüber fühlen: auf dass der Sünder, durch den Fluch des Gesetzes erschrecket, alle Hoffnung auf sein eigen Tun fallen lasse, und allein bei Christo Gnade und Seligkeit suche. Auf welche Weise sie unser Zuchtmeister auf Christum sind.“ (Philipp J. Spener)

 

ZEIT

1.

Weil alle Dinge eine ihnen von Gott bestimmte Zeit „haben“, muss ihnen ihre Zeit nicht erst von Menschen eingeräumt oder zugewiesen werden. Gottes Vorsehung legt fest, wann sie „dran“ sind – und zu einem anderen Termin weigern sie sich stattzufinden. Wo Gottes Kalender Chancen eröffnet, darf man fröhlich zugreifen. Doch abtrotzen kann man ihm nichts. Und wer klug ist, fügt sich in Gottes Vorsehung, wie sich der Landwirt in die Abläufe der Natur fügt: Er tut zwar, was er kann, versucht aber nicht, die Jahreszeiten zu regieren. Und so lassen Christen Gott darüber entscheiden, in welchem Takt die Uhr ihres Lebens ticken soll.

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2.

Gottes Ewigkeit ist keine ins Endlose gedehnte Zeitlichkeit, sondern eine aller Zeitlichkeit enthobene Freiheit gegenüber der Zeit. Gottes Ewigkeit ist also keine quantitative Steigerung der Zeit, sondern eine ganz andere Qualität. Umso erstaunlicher ist es, dass der Ungewordene und Unvergängliche als Jesus Christus in die Zeit einging, um uns vergänglichen Kreaturen Anteil an seiner Ewigkeit zu gewähren.

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3.

Ein Mensch befindet sich auf der Zeitleiste immer nur an einem Punkt. Doch wie ein Adler aus großer Höhe überschaut Gott den gesamten Weg, den der irdische Wanderer nur abschnittsweise zu sehen bekommt. Für Gott ist jeder Moment gleich präsent, weil er den gesamten Zeitenlauf vor aller Zeit selbst gefügt und geordnet hat. Und so resultiert unser „Morgen“ nicht aus dem „Gestern“, sondern beides aus Gottes Vorsehung. Unsere Zukunft ist stets das, was uns von Gott her „zu-kommt“. Denn die wahre Herkunft der Zukunft ist Gott selbst. Er ist nicht in der Zeit beschlossen. Aber alle Zeit in ihm. Und das ist überaus tröstlich. 

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4.

Dass wir die Zeit nicht anhalten können, hat tieferen Sinn, weil Gott mit seiner Schöpfung noch etwas vorhat. Wir quengeln wie müde Kinder beim Spaziergang. Gott aber besteht auf steter Veränderung und gibt keine Ruhe, bis alles „gut“ und „richtig“ ist. Gott ist immer und überall tätig im Sinne unaufhörlicher Aktualität und Präsenz in allen Dingen. Nirgends ist er unbeteiligt, überall ist er der „Motor“. Er gibt sich mit einem unvollendeten Werk nie zufrieden, sondern schwingt den Hammer und lässt es krachen. Verlässlich und stabil ist dabei aber nicht der irdische Stoff, sondern nur die göttliche Hand, die ihn formt. Denn die Welt ist jeden Morgen neu. Gott aber bleibt derselbe. Und am Ende muss alles kommen, wie er es will. 

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„Kein Ding geht, ehe die Stunde gekommen ist, die Gott bestimmt hat. Daher ist alles menschliche Ratschlagen, alles Denken, Dichten, Trachten nur ein Schemen und Schatten, bloß wie Spiegelfechterei, es sei denn, die Sache ist im Himmel auch beschlossen. Es mögen Könige, Fürsten, Herren Rat halten, alles abreden, wie sie wollen; welcher Sache Stündlein gekommen ist, die geht, die andern bleiben stehn, hindern und stauen sich. Und wenn es auch so scheint, es werde jetzt geschehen, so wird doch nichts daraus, bis dass auch ihre Stunde kommt, wenn sich gleich alle Menschen auf Erden anstrengten. Kurzum, Gott will sich von den Königen, Fürsten und Herren oder Weisen auf Erden den Zeiger nicht stellen lassen. Er will ihn stellen; wir sollen ihm nicht sagen, was es geschlagen hat. Er will es uns sagen (…). Gott hat allem sein Stündlein bestimmt, reich sein, arm sein, leben, sterben usw. (Pred. 3,1-8). Verachten wir das Stündlein und meinen, es soll uns nach unserem Willen gehen, so wird nichts daraus, und wir haben nichts als Jammer davon. Darum sollen wir – jeder in seinem Stande – die befohlene Arbeit und Aufgabe tun, alle Sachen Gott anbefehlen und das, was uns Gott jetzt in die Hand gibt, fröhlich gebrauchen, das Zukünftige Gott von Herzen zu lenken anbefehlen. Die anders tun (...), die haben nichts als Unglück und Herzeleid davon und mögen zürnen und murren, solange sie wollen, Gott beachtet es nicht.“ (Martin Luther)

 

„Niemand verbringe die kostbare Zeit mit leerem Geschwätz. Das Wort fliegt und lässt sich nicht zurückrufen, die Zeit fliegt und kommt nie wieder. Ein Tor bedenkt nicht, was er verliert. Wir wollen plaudern, sagt man, bis die Stunde vorüber ist. Also bis die Stunde vergeht, welche dir der erbarmungsvolle Schöpfer noch schenkt, damit du Buße tun, Gnade finden und zur Seligkeit gelangen mögest; bis die Zeit vorübereilt, in welcher du Gottes Liebe gewinnen, zur Gemeinschaft der Engel fortschreiten, nach dem verlorenen Erbteil seufzen, den schlaffen Willen anspannen und das begangene Unrecht beweinen solltest! Siehst du denn, dass Landleute, wenn günstiges Wetter zum Säen ist, oder Winzer, wenn es not ist, den Wein zu beschneiden, sich noch freuen, wenn sie den Tag in Sorglosigkeit verbracht haben? Siehst du, dass Krämer, wenn der Jahrmarkt bevorsteht, die Hände in den Schoß legen? Suchen arme Bettler, wenn Almosen verteilt wird, etwa nach Winkeln in den Straßen, um sich zu verstecken? Und wenn es nur damit sein Bewenden hätte, dass die Zeit des Lebens verloren ginge; aber viele verlieren damit das Leben selbst, und nicht bloß dies, sie rauben es auch ihren Brüdern.“

Bernhard (+1153)

 

Wie die ganze Dauer der Zeit nichts als ein Heute der Ewigkeit ist! Die ganze Zeit macht einen einzigen Tag in Gottes Haushaltung aus, wo alle Stunden zusammenhängen und in einen Morgen und einen Abend eingeschlossen sind. Die Ankunft unseres Heilandes machte den Mittag der Zeit aus. Gott, was ist die Ewigkeit, und was ist der Herr derselben! Wie viel Millionen Tage haben dazu gehört, wie viel Millionen Bewegungen hat die Erde gemacht, ehe sie zu derjenigen gekommen, die sie heute macht; und wie viele Millionen werden auf selbige folgen, die du alle gezählt hast, wie die vergangenen gezählt sind! Wie diese Ewigkeit von Tagen, die in der Welt gewesen sind und noch sein sollen, nichts als Heute für dich sind, so ist der heutige Tag eine Ewigkeit für mich, ja der jetzige Augenblick eine Ewigkeit für mich. Herr, dein Wort macht uns klug, wenn es uns auch nicht mehr gelehrt hätte, als diese unsre Tage zählen. Was für ein Rausch, was für ein Nichts sind sie in unsern Augen, wenn die Vernunft sie zählt! Was für ein All, was für eine Ewigkeit, wenn sie der Glaube zählt! Herr, lehre mich meine Tage zählen, auf dass ich klug werde! 

J. G. Hamann

 

Wie unvollkommen und unzureichend die Begriffe der Menschen sind, um himmlische und geistliche Dinge sich vorzustellen! Die Ewigkeit Gottes kann uns nicht anders begreiflich gemacht werden, als durch die Teile der Zeit, durch eine Verbindung von drei Augenblicken, die wir aus Unvollkommenheit unterscheiden und miteinander vergleichen müssen. Die Unveränderlichkeit Gottes, in dem, wie Jakobus sagt, nicht ein Schatten eines Kehrens oder Wendens ist, kann uns nicht anders als durch die Vergänglichkeit irdischer Dinge deutlich gemacht werden. Nach unseren Begriffen geht das Vergangene vor dem Gegenwärtigen her; bei Gott ist das Gegenwärtige der Grund des Vergangenen und Zukünftigen. Was kann uns einen wunderbareren Begriff geben von Gottes Unveränderlichkeit, überschwänglicher Größe und unerforschlicher Hoheit als diese Vernichtung aller menschlichen Begriffe oder diese Übersteigung derselben?

J. G. Hamann

 

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Wie du dich zu Christus verhältst in der Zeit, so wird er sich zu dir verhalten in der Ewigkeit:

Wisse das. Und dann tue, was du willst. (frei nach Augustin)

 

Aber wo die Zeit selbst die Aufgabe ist, da ist es ja ein Fehler, vor der Zeit fertig zu werden. Angenommen, ein Mensch erhielte die Aufgabe, sich einen Tag lang selbst zu unterhalten, und er wäre bereits am Mittag mit der Un­terhaltung fertig: dann wäre ja seine Schnelligkeit kein Verdienst. So auch wo das Leben die Aufgabe ist. Mit dem Leben fertig werden, ehe das Leben mit einem fertig ist, das bedeutet ja gerade nicht mit der Aufgabe fertig zu werden. Sören Kierkegaard

 

Alles, was man in dieser Zeit für seinen Charakter tun kann, ist, zu dokumentieren, dass man nicht zur Zeit gehört. Johann Gottfried Seume

 

Das ganze Tun des Predigers ist dazu bestimmt, die Menschen daran zu erinnern, dass die Zeit kurz, der Tod gewiss und die Ewigkeit lang ist. John Henry Newman

 

Das Schicksal wird dich sachte, sachte schlucken – du bist der Käse für die Maus, die Zeit! Nasir-i Chusrau

 

Der Mensch ist das Lebewesen, das die Zeit totschlägt, bis sie sich revanchiert. Unbekannt

 

Die Heiterkeit und der Lebensmut unserer Jugend beruht zum Teil darauf, dass wir, bergauf gehend, den Tod nicht sehen; weil er am Fuß der andern Seite des Berges liegt. Haben wir aber den Gipfel überschritten, dann werden wir des Todes, welchen wir bis dahin nur vom Hörensagen kannten, wirklich ansichtig, wodurch, da zu derselben Zeit die Lebenskraft zu ebben beginnt, auch der Lebensmut sinkt; so dass jetzt ein trüber Ernst den jugendlichen Übermut verdrängt und auch dem Gesichte sich aufdrückt. So lan­ge wir jung sind, mag man uns sagen, was man will, halten wir das Leben für endlos und gehen danach mit der Zeit um. Je älter wir werden, desto mehr ökonomisieren wir unsere Zeit. Denn im späteren Alter erregt jeder verlebte Tag eine Empfindung, welche der verwandt ist, die bei jedem Schritt ein zum Hochgericht ge­führter Delinquent hat. Arthur Schopenhauer

 

Die Menschen gleichen ihrer Zeit mehr als ihren Vätern. Arabisch

 

Die Welt verheißt nur zeitliche und unbedeutende Güter und hat doch die eifrigsten Diener. Gott verheißt das allerhöchste und ewige Gut, und die Herzen der Menschen bleiben kalt und träge dabei. Die Unverständigen! Für nichtswürdige Dinge laufen sie sich müde, zanken und balgen sich auf niederträchtige Weise um ein Groschenstück, mühen und plagen sich Tag und Nacht, um irgendeine verheißene Kleinigkeit, ein täuschendes Nichts zu erhaschen. Aber, o Schande! Für ein Gut, das ewig währt, für eine Belohnung, die unschätzbar ist, für die höchste Ehre, für eine Herrlichkeit, die kein Ende nimmt, sich auch nur ein wenig zu bemühen, ach, dazu sind sie viel zu träge. Thomas von Kempen

 

Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen nicht wissen, was sie wollen, aber alles tun, um es zu bekommen. Donald Robert Perry Marquis

 

Zu allen Dingen lasse man sich Zeit; nur nicht zu den ewigen. Karl Kraus

 

Wer sagt, er habe keine Zeit, ist entweder tot oder er lügt. Unbekannt

 

Verbringe deine Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis, vielleicht gibt es gar keines. Franz Kafka

 

Mögest du in interessanten Zeiten leben! Chinesischer Fluch

 

Unsere Zeit erinnert sehr an die Auflösung des griechi­schen Staates. Alles besteht zwar noch, doch glaubt nie­mand mehr daran. Sören Kierkegaard

 

Die Zeit ist eine geräuschlose Feile. Italienisches Sprichwort

 

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen. Der Augenblick ist mein, und nehm' ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht. Andreas Gryphius

 

Es kommt geschwind ein Leid und nimmt beim Gehn sich Zeit. Bauernweisheit

 

Ich habe soviel Arbeit, dass ich nicht auskomme, ohne täglich mindestens drei Stunden meiner besten Zeit dem Gebet zu widmen. Martin Luther

 

Ihr wärt modern? Dass doch die schlimme Verwechslung immer mehr gedeiht! Ihr lauscht des Tages lauter Stimme und überhört den Ruf der Zeit. Ludwig Fulda

 

Im Allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan. Und so wird es denn auch ferner bleiben. Arthur Schopenhauer

 

Die Zeit ist der beste Lehrer - leider tötet sie alle ihre Schüler. Hector Berlioz

 

ZEITGEMÄSS

Es ist Unfug „mit der Zeit zu gehen“, weil „die Zeit“ gar nicht weiß, wo sie hin will. Sie ist kein „jemand“, der etwas von uns fordern könnte, sondern ist bloß die Gelegenheit, die Gott uns gibt, um das Richtige zu tun. „Zeitgemäß“ ist es darum (nicht etwa dem Trend oder der Mehrheit, sondern) der Wahrheit zu folgen und sich auf Ewiges zu besinnen, weil nur das Ewige zu jeder Zeit zeitgemäß ist. „An der Zeit“ ist also nicht, was eh schon alle denken, sondern was Menschen heute begreifen müssen, um morgen nicht von Gottes Handeln überrumpelt zu werden.

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Ihr wärt modern? Dass doch die schlimme Verwechslung immer mehr gedeiht! Ihr lauscht des Tages lauter Stimme und überhört den Ruf der Zeit. Ludwig Fulda

 

In der jetzigen Zeit ist es mal was Neues beim Alten zu bleiben. Wilhelm Raabe

 

ZEREMONIALGESETZ DES ALTEN BUNDES

Die Gnade Jesu Christi entmachtet das Gesetz als „Strafordnung“, die dem Sünder zum Verhängnis wird. Doch als Gottes gute Weisung bleibt das Gesetz in Kraft und dient der Christenheit als „Riegel“, „Spiegel“ und „Regel“. Durch Christi Opfer am Kreuz ist das Zeremonial- und Ritualgesetz des Alten Testaments obsolet geworden. Und Christi Lehre hat auch die Reinheits- und Speisegebote antiquiert. Doch das in den Zehn Geboten konzentrierte Moralgesetz bleibt in Geltung. So muss einer, um Christ zu sein, nicht erst Jude werden – muss sich aber dem beugen, was der Schöpfer (nicht speziell den Juden, sondern) allen Menschen geboten hat. 

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Zerstreuung

Der Übel größtes ist der Zwang, an die äußern Dinge des Lebens, die der inneren Kraft dienen sollen, eben diese zu verplempern. Karl Kraus

 

Der hl. Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153) wurde einmal auf einer seiner vielen Reisen von einem Kaufmann gebeten, ihn ein Stück des Weges begleiten zu dürfen. Sie kamen ins Gespräch, und dabei wollte der Kaufmann von dem Ordensmann wissen, was man beim Beten beachten müsse. Da erklärte der hl. Bernhard unter anderem, wie man sich den Zerstreuungen gegenüber verhalten solle: „Auch ich muss mich mühen, zur Sammlung zu finden. So viele Dinge beschäftigen mich, dass ich selbst beim Beten nicht davon loskomme. Aber wenn ich merke, dass meine Gedanken abschweifen, ärgere ich mich nicht, sondern beziehe sie in mein Gebet sein.“ Der Kaufmann verwunderte sich, dass sogar ein solcher Beter wie der hl. Bernhard nicht vor Zerstreuungen bewahrt sei und meinte: „Wenn ich bete, bin ich immer ganz bei der Sache.“ „Nun,“ versetzte der Mönch, „das können wir ja überprüfen. Sieh dieses Pferd, das ich jetzt reite. Es gehört dir, wenn es dir gelingt, ein Vaterunser ohne jeden störenden Gedanken zu beten.“ Das erschien dem Kaufmann eine leichte Aufgabe (und ein sicheres Geschäft) zu sein. Er begann sofort: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name...“, unterbrach sich plötzlich und fragte: „Gehört der Sattel auch dazu?“

 

Die Religion ist genau das, was nicht weggelassen wer­den kann - denn in ihr ist alles enthalten. Noch der zerstreu­teste Mensch kann nicht seine Reisetasche packen und dabei die Tasche weglassen. Wir haben eine allgemeine Vorstellung von der Existenz, gleichgültig ob sie uns passt oder nicht; sie verändert oder, genauer gesagt, schafft und berührt alles, was wir sagen oder tun, gleichgültig ob uns das passt oder nicht. G. K. Chesterton

 

Ja, o Gott, du hast doch Plage mit uns Menschen! Ach, wenn ich beim Gedanken an alle Wohltaten gegen mich meinen Sinn sammeln will, um dir recht zu danken – ach, da finde ich mich oft so zerstreut; die verschiedenartigsten Gedanken durchkreuzen meinen Kopf, und es endet damit, dass ich dich bitten muss, mir zu helfen, dir zu danken. Sören Kierkegaard

 

Mein Gebet ist voll Zerstreuung. Ich bin sehr oft nicht da, wo der Leib sitzt oder steht; ich bin da oder dort, wohin meine Gedanken mich mit sich fortreißen. Ich bin da, wo mein Gedanke ist, und mein Gedanke ist da, wo meine Liebe ist, und meine Liebe ist da, wo das ist, was ich liebe. Da fühle ich recht die Wahrheit des Wortes: Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz (Matthäus 6,21). Thomas von Kempen

 

Wenn die Menschen unter das Getümmel ihrer Ge­schäfte und Zerstreuungen gewohnt wären, biswei­len ernsthafte Augenblicke der lehrreichen Betrach­tungen zu mengen, dazu sie das tägliche Beispiel der Eitelkeit unserer Absichten in dem Schicksale ihrer Mitbürger auffordert: so würden ihre Freuden viel­leicht weniger rauschend sein, aber die Stelle der­selben würde eine ruhige Heiterkeit der Seele ein­nehmen, der keine Zufälle mehr unerwartet sind, und selbst die sanfte Schwermut, dieses zärtliche Ge­fühl, davon ein edles Herz aufschwillt, wenn es in einsamer Stille die Nichtswürdigkeit desjenigen er­wägt, was bei uns gemeiniglich für groß und wichtig gilt, würde mehr wahre Glückseligkeit enthalten als die ungestüme Belustigung des Leichtsinnigen und das laute Lachen des Toren. Immanuel Kant

 

Ziele

Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen nicht wissen, was sie wollen, aber alles tun, um es zu bekommen. Donald Robert Perry Marquis

 

Was nützt der beste Wind, wenn man nicht weiß, wohin man segeln will? Seneca

 

Wenn ich einst nur sicher im Hafen des Heils ankomme! Was kümmert es mich denn, was und wie viel ich auf diesem Meer ausgestanden habe? Thomas von Kempen

 

Nicht woher Ihr kommt, mache Euch fürderhin Eure Ehre, sondern wohin Ihr geht. Friedrich Nietzsche

 

Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg. Lao-tse

 

Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie. Friedrich Nietzsche

 

Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen. Anton Bruckner

 

Rein durch das Leben zu gehen ist unmöglich. Aber sich zu reinigen ist möglich und höchstes Ziel. Jakob Boßhart

 

Wir sind nicht umsonst in diese Welt gesetzt. Wir sollen reif werden für eine andere Welt. Matthias Claudius

 

Beurteile einen Menschen nicht nur danach, was er erreicht hat, sondern auch danach, wohin er unterwegs ist. Ernst Reinhardt

 

Wie kann man leben, wenn man nicht weiß wofür? Wofür aber lohnt es sich zu leben? Man erkennt wohl das, wofür sich zu leben lohnt, daran, dass man auch dafür sterben könnte. Wofür aber könnte man sterben, außer für das, was schwerer wiegt als das Leben? Du kennst nichts, was schwerer wiegt als dein Leben? Du armer Mensch. Du lebst – und stirbst – für nichts? Anonym

 

Solltest du all das vergessen, was hier gesagt wurde, so behalte nur die beiden kleinen Punkte, und du wirst zum inneren Leben gelangen. Erstens: Sei ganz und gar klein, inwendig und nach außen bis in den Grund, nicht nur deinen Worten nach und deinem Aussehen, sondern in Wahrheit in all deinem Verstehen. Sei ein Nichts in deinem Grunde und in deinen Augen, ohne jegliche be­schönigende Auslegung. Zweitens: Habe eine wahre Liebe zu Gott, nicht das, was wir nach Art der Sinne Liebe nennen, sondern in wesentlicher Weise, ein allerinnigstes Gottlieben. Diese Liebe ist nicht dieses einfache äußere und sinnen­hafte Gottlieben, das was man so gewöhnlich unter Gott im Sinn zu haben versteht, sondern ein anschauen­des Lieben mit dem Gemüt, ein strebendes Lieben, wie einer es besitzt, dem als Wettläufer oder als Schütze ein Ziel vorschwebt. Johannes Tauler

 

Wer in der wirklichen Welt arbeiten kann und in der idealen leben, der hat das Höchste erreicht. Ludwig Börne

 

Unsere Erfindungen sind oft nur hübsche Spielereien, die unsere Aufmerksamkeit von ernsteren Dingen ablenken. Sie sind nichts als verbesserte Mittel zu einem nicht verbesserten Ziel. Henry David Thoreau

 

Warum du wider alles Hoffen noch niemals mitten ins Schwarze getroffen? weil du's nicht lassen konntest, beim Zielen immer ins Publikum zu schielen. Emanuel Geibel

 

Wem das allgemeine Wohl das höchste Ziel auf Erden dünkt, der tut den Menschen gar nichts so Gutes, wie er meint. Man soll nie das Wohl, man soll nur das Heil jedes Menschen im Auge haben, – zwei Dinge, die sich oft wie Wasser und Feuer unterscheiden. Christian Morgenstern

 

Wer sich öffentlich große Ziele stellt und hinterdrein im geheimen einsieht, dass er dazu zu schwach ist, hat gewöhnlich auch nicht Kraft genug, jene Ziele öffentlich zu widerrufen, und wird dann unvermeidlich zum Heuchler. Friedrich Nietzsche

 

Wie glücklich und klug ist doch der Mensch, der keine andere Sorge kennt, als zu leben, wie er im Tod wünschen wird, gelebt zu haben! Thomas von Kempen

 

Wohin gehen wir? Immer nach Hause. Novalis

 

Zivilisation

Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation. Jean Paul

 

Früher saßen die Menschen um den Tisch und san­gen im Chor; heute singt einer allein, und zwar aus dem absurden Grund, weil er besser singen kann. Wenn es so wei­tergeht mit dieser Zivilisation, dann wird irgendwann nur noch einer lachen, weil er besser als alle lachen kann. G. K. Chesterton

 

Zögern

Auch zum Zögern muss man sich entschließen. Janislaw Jerzy Lew

 

Zorn (des Menschen)

Dass es zweierlei Zorn gibt, einen rechtmäßigen und unrechtmäßigen, einen guten und bösen, einen heiligen und unheiligen, das erhellt daraus, dass es von Jesu, dem sanftmütigsten unter allen Menschen, heißt: Er sah sie umher an mit Zorn, Mark. 3,5. Ferner ist es vorausgesetzt in der Ermahnung: Zürnt ihr, so sündigt nicht, Ps. 4,5. Ephes. 4,26, vgl. 3. Mos. 19,18. Jak. 1,19.20, wie es auch daraus folgt, dass selbst dem vollkommensten Wesen ein Zorn zugeschrieben wird (…). Der rechtmäßige Zorn entsteht aus Liebe zu Gott, aus Eifer für seine Ehre und aus Abscheu gegen das Böse; er richtet sich gegen die Sünde, nicht gegen den Sünder, gegen die Gottlosigkeit, nicht den Gottlosen.

(H. Zeller, Biblisches Wörterbuch)

 

 

„Ist aller Zorn verboten? Wo der Mensch aus Bitterkeit des Herzens und eigener Rachgier zürnet, so ist aller Zorn verboten: aber wo er aus Eifer für Gott und dessen Willen, mit Liebe gegen den Nächsten, zürnet über das Unrecht und diejenigen, welche unrecht tun, sonderlich die ihm untergeben sind, so ist es ein Amts- oder sonsten rechtmäßiger Zorn, und zürnet Gott durch solchen Menschen, oder er zürnet in Gottes Namen.“ (Philipp J. Spener)

 

„Der Prophet und Sankt Paulus sagen übereinstimmend, dass wir zürnen, aber nicht sündigen sollen. Beim Zürnen sollen wir stets einen Widerwillen haben gegen all das, was Gott zuwider ist, und das auch am rechten Ort und zu rechter Stunde zeigen, wenn man es bessern kann und es uns angeht. Aber da findet man Leute, die wollen anderer Menschen Fehler bessern und fallen selbst in größere. Das sind die Leute, welche der Jähzorn und die Bitterkeit treibt, die dann harte Worte gebrauchen; sie zeigen strenges Benehmen und strenges Gesicht und bringen sich selbst und ihren Nächsten um den Frieden. Man sagt dann, sie seien im Kopf krank. Was hat aber ein anderer mit deinem kranken Kopf zu schaffen? Schmerzt dich der Kopf, so schone dich, und verschone die anderen. Und weißt du nicht, wie man zürnen soll, so zürne nicht. Zürnen können ist eine große Meisterschaft, zürnen, ohne zu sündigen, wie man uns hier heißt. Du willst das (brennende) Haus eines anderen löschen und zündest dein eigenes an! Hüte dein Haus mehr als das eines anderen! Du willst bei deinem Nächsten eine kleine Wunde heilen und schlägst ihm dabei zwei oder drei größere!“ (Johannes Tauler)

 

„Wenn uns ein Leid geschieht, so ist alsbald Fleisch und Blut da und tut wie Fleisch und Blut, fängt an zu wallen und zu wüten mit Zorn und Ungeduld. Denn es tut natürlich weh, wenn uns Unrecht und Gewalt geschieht. Darum muss man hier wehren und widerstehen. Wohl ist es wahr, dass es dir weh tut, aber dass du dich dazu rächen willst, so und so vergelten, das ist verboten. Darum sieh darauf, dass du es recht aufeinander richtest, damit das eine Recht das andere nicht breche noch zerstöre, sondern lass es recht zusammenstimmen, dass beides bleibe. Kannst du dein Recht nicht ohne größeres Unrecht ausüben, so lass dasselbe fahren; denn es gilt nicht, Unrecht mit Unrecht zu wehren oder zu strafen. Und Gott will nicht, dass um deines Bettelrechtes willen das Recht der ganzen Welt untergehe.“

(Martin Luther)

 

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Begehre nie ein Glück zu groß und nie ein Weib zu schön, Sonst könnte dir’s in seinem Zorn der Himmel zugestehn. Inschrift auf Burg Cochem

 

Darum begehrt ein guter Mensch keines Lobes, er begehrt wohl, des Lobes wert zu sein. Einem Menschen soll nicht leid sein, dass man mit ihm zürnt; ihm soll vielmehr leid sein, dass er den Zorn verdient. Meister Eckhart

 

Das ist der größte Zorn Gottes, wenn er das Wort wegnimmt und zulässt, dass die Menschen es verachten. Martin Luther

 

Der Mensch hat mit vielen Tieren Ähnlichkeit hinsichtlich Fraß, Zorn, Hass und Faulheit. Aber im Laster der Lüge übertrifft er sie alle. Martin Luther

 

Jedermann kann zornig werden. Das geht leicht. Aber der richtigen Person gegenüber zornig werden, im richtigen Maß, zur rechten Zeit, zum rechten Zweck und auf die richtige Weise - das liegt nicht in der Macht des einzelnen. Aristoteles

 

Siehe, ein solch groß Ding ists zu Gott zu kommen, dass man durch seinen Zorn, durch Strafe und Ungnade zu ihm breche als durch eitel Dornen, ja durch eitel Spieße und Schwerter. Martin Luther

 

Wer nie im Zorn erglühte, kennt auch die Liebe nicht. Ernst Moritz Arndt

 

Wir die nichts verdienen als Zorn und das Unglück, wornach wir ringen, murren mit Gott, warum er uns nicht eher helfen will, uns, die nicht wollen geholfen seyn. Johann Georg Hamann

 

Zornig sein heißt, den Fehler anderer an sich selbst rächen. Alexander Pope

 

ZORN GOTTES

1.

Gottes Zorn ist seine energische Opposition gegen den sündlichen Willen, ist also Gottes Widerwille gegen das Böse. Und er hat sehr wenig zu tun mit dem unbeherrschten und oft ungerechten Affekt, den wir bei Menschen als „Zorn“ bezeichnen, sondern ist genau das, was uns „recht geschieht“. Gott beseitigt die Störung seiner guten Ordnung, indem er uns beseitigt, die wir sie stören. Und das zu wissen, ist schrecklich. Denn Gott hilft zwar gegen alles, aber nichts hilft gegen Gott. Die Gottesfürchtigen glauben es – darum erfahren sie es nicht. Die Gottlosen dagegen glauben es nicht – und müssen es darum erfahren (Luther).

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2.

„Gott ist die Liebe“, aber er ist nicht „lieb“ im harmlosen Sinne. Denn Gottes Liebe ist die kraftvoll-entschlossene Weise, in der Gott das Dasein seiner Geschöpfe bejaht. Wo dieses Dasein bedroht und gefährdet wird, dort schließt Gottes Liebe (wie alle wirkliche Liebe) Zorn und Konfliktbereitschaft nicht aus, sondern ein: Gerade weil Gott Liebe ist, kann er nicht immer „lieb“ sein. Und er verlangt es auch nicht von uns.

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3.

Gottes Zorn ist der Wider-Wille des Schöpfers gegen das Böse, das seine Schöpfung zu zersetzen droht. Darum kann man nicht wünschen, dass Gottes Zorn nachließe. Denn wie sollte Gott das Leben seiner Geschöpfe bejahen ohne die Sünde zu verneinen, die ihnen den Tod bringt? Es macht daher keinen Sinn, gegen Gottes Zorn zu opponieren. Es ist besser, vom Ausmaß des Zorns auf das Ausmaß seiner Liebe zu uns zu schließen - denn dann beginnt man Gott zu verstehen.

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4.

Gott befindet sich der sündigen Menschheit gegenüber im Zwiespalt: Die Gerechtigkeit Gottes fordert, die Sünde durch Vernichtung der Sünder aus der Welt zu schaffen. Die Liebe Gottes aber bejaht auch die Geschöpfe, die sich vom Schöpfer abkehren. Durch das Leiden Christi wird Gott beidem gerecht und vereint Sühne mit Bewahrung: Gott selbst nimmt die Strafe auf sich, die wir verdient haben. Er stirbt unseren Tod, damit wir leben. Er lässt sich verwerfen, damit wir nicht verworfen würden.

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5.

Der Kreuzestod Jesu wäre missverstanden, wenn man annähme, Gottes Sohn habe durch das Opfer seines Lebens die Liebe Gottes erst erkauft oder herbeigeführt. Es ist nämlich weder so, dass ein liebloser und zorniger Gott durch das Kreuz erst Liebe lernen musste, noch verhält es sich so, dass Vergebung ohne das Kreuz möglich gewesen wären. Vielmehr hat Gottes Liebe im stellvertretenden Tod Jesu den einzig möglichen Weg gefunden, um sich gegen Gottes sehr berechtigten Zorn durchzusetzen. Aus Liebe litt Gott lieber selbst, als uns leiden zu sehen.

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„Ja, vor der Welt scheint es also, als wäre Gott ein lauter Gähnemaul, der das Maul nur aufsperre, oder ein Hahnrei und guter Mann, der einen andern lässt bei dem Weibe schlafen, und stellt sich, als sähe er es nicht. Wider diese Gedanken hat Moses solches geredet: So hütet euch, ihr habt einen Gott, der ist ein verzehrend Feuer, das ist, ein solcher Gott, der euch verzehrt und aufräumt, so ihr gottlos seid, eifert, frisst und macht zu Asche und Staub. Er schlingt einen hinein, und hat eine solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Geht solches einmal an, so lässt er nicht ab.“ (Martin Luther)

 

„Das ist ihm (Luther) der Zorn: der allmächtige und ewig unversöhnliche, wirkungskräftige Unwille und Widerwille des heiligen und gerechten Gottes, seine ewige, aktive Feindschaft gegen alles Ungöttliche und Widergöttliche; eine Feindschaft, die sich an der abgefallenen Kreatur als absolut kräftige Strafgewalt und unaufhaltbar sich durchsetzender Strafwille manifestiert. Der Zorn ist also Offenbarung der göttlichen Majestät, welcher „die drei R. allein gehören: Rühmen, Richten, Rächen“ (…). Herausgefordert durch die Sünde, die Gott nicht Gott sein lassen will, bezeugt sie sich in dem Zorn nach ihrer sich bejahenden, Sünde und Welt verneinenden Seite. Denn der Zorn schließt eben jene drei R. in sich: er ist begründet in dem heiligen Eifer, kraft dessen Gott sich seinen Ruhm nimmt, wo er ihm nicht gegeben wird; er erweist sich in dem Gottesgericht und -Urteil über die Sünde, und er verwirklicht sich in der Strafe an dem Sünder (…..) …so ist nach Luther der Zorn Gottes das ewige, missfällige und verneinende Anschauen der Sünde und des Sünders von Seiten der heiligen göttlichen Majestät; ein Anschauen, das sich mächtig, wirksam und schrecklich erweist in der Strafe, als in der energischen und ewigen Opposition Gottes gegen den sündlichen Willen, mittelst Position und behufs der Affirmation seines eigenen guten und heiligen Willens. Wie die Sünde nur die eine ist, und der Zorn der eine, beide so unermesslich groß, wie die beleidigte Majestät; so ist auch die Strafe nur die eine und unermessliche, die des ewigen Todes. Alle drei korrespondieren einander und sind gleich unbegreifliche „infinita“. Demnach ist ihm der Zorn nicht Ausfluss der Liebe, sondern der heiligen Majestät, die ihre Verderben und Tod bringende Seite dem Sünder zukehrt, indem sie sich in der Strafe als solche behauptet und bewahrt, und zugleich ihre absolute, der Sünde fremde und feindliche Klarheit und Gerechtigkeit an dem Sünder selbst beweist und bewährt.“ (Theodosius Harnack)

 

„Jedes Geschöpf ist im Verhältnis zum Schöpfer ein Schatten, ein Traum, Nichts Ps. 39,7; unbestreitbar auch der Mensch. Aber in mehrfacherer und schwererer Weise ist der Mensch unwürdig: denn er beleidigt seinen Schöpfer durch Sünden. Gott ist an sich und seinem Wesen nach gerecht; an sich und seinem Wesen nach zürnt er also den Sünden. Was sind wir Stoppeln vor jenem verzehrenden Feuer 5 Mos. 4,24. Wie werden unsere im höchsten Grade fleckenvollen Taten Bestand haben? Wie unsere Missetaten, die du vor dich stellest, und unsere unerkannten Sünden, die du in’s Licht stellest vor deinem Angesicht? Ps. 90,9. Unendlich ist Gott und sich immer gleich, von unendlicher Gerechtigkeit und von unendlichem Zorne: wenn in allem seinen Tun, so ist Gott unbestreitbar auch im Zorn, in der Gerechtigkeit und Rache groß und durchaus staunenswürdig. Der seines Sohnes nicht verschonet hat, wird er des Gebildes seiner Hand verschonen? Der des Heiligsten nicht verschonet hat, wird er des unnützen Knechtes verschonen?“ (Johann Gerhard)

 

„Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer, und ein eifriger Gott.“ (5. Mose 4,24). Das „Feuer“ ist das gewaltigste und heftigste Element unter allen. Was man nicht bezwingen, fegen, zerbrechen noch ändern kann, das greift man mit Feuer an, so wird es schmeidig gemacht und gezwungen. Es kann Silber, Gold, Eisen und alle Metalle zwingen. Darum vergleicht Gott sich diesem Element. Als wollte er sagen: Ihr könnt mir nicht entlaufen, hebe ich dermaleins an Haussuchung zu tun, so kann mir niemand widerstehen. Sündigt nun jemand wider meine Gebote, so will ich ihn wohl finden, und wissen zu strafen. Darnach nennt er ihn „eifrig“, der es nicht lassen will, er muss über seinem Worte halten. Da ist beides beisammen, die Kraft und der Wille, Stärke und Macht, dass er kann und will strafen. Wenn wir solches für die Wahrheit hielten, so würden wir seine Gebote nicht so verachten; aber niemand glaubt es, dass er der sei, bis wir es erfahren. Die zu Jerusalem haben auch nicht geglaubt, dass sie wider Gott täten, und dass sie von ihm gestraft sollten werden, bis die Römer kamen und die Stadt verstörten, dass nicht ein Stein auf dem andern blieb, Luk. 19,44. Also, ein böser Mensch, der seinem Nächsten Schaden tut, stiehlt und raubt, der glaubt auch nicht, bis der Henker kommt und knüpft ihn an den Galgen. Desgleichen alle anderen Laster, Schande und Sünde, welche wider die zehn Gebote gehen, als, Gottes Verachtung, Fluchen, Mord, Ehebruch; die haben das Urteil schon über dem Hals, dass dieser Eifer, Zorn und Feuer über sie wird kommen, und sie vertilgen. Es sei denn, dass sie Buße tun, sonst wird keiner in der Welt entlaufen können, er tue was er wolle (…). Denn lebt man gottlos, so wird man der Strafe nicht entfliehen. Entgeht einer aber hier, dass er mit der Strafe verschont wird, so wird er doch sein Gericht anderswo bekommen. Darum, entgeht er an einem Orte dem Staupbesen, so bekommt er doch anderswo einen Strick dagegen. Summa Summarum: Endlich entläuft er doch diesem Feuer nicht, denn Gott spricht: „Ich bin ein verzehrend Feuer.“ Als wollte er sagen: Nimm dir es nur nicht vor, du seist auch wer du wollest, du sollst meiner Gewalt nicht entlaufen; wenn du auch gleich aus der Welt liefest (…). Entläufst du der Strafe in diesem Leben, so fährst du doch in die Hölle, und musst des ewigen Todes sterben, und also deinen verdienten Lohn dennoch empfahen.“ (Martin Luther)

 

„Ich will nicht immerdar hadern und nicht ewiglich zürnen, denn der Geist würde vor mir dahinsinken, und die Seelen, die ich gemacht habe.“ Jes. 57,16. Unser himmlischer Vater sucht unsre Unterweisung, nicht unsren Untergang. Sein Hadern mit uns hat eine freundliche Absicht. Er will nicht immer in Waffen gegen uns sein. Wir meinen, die Züchtigung des Herrn sei eine lange, aber das ist, weil unsre Geduld eine so kurze ist. Seine Barmherzigkeit währet ewiglich, aber nicht sein Hader. Die Nacht mag sich ermüdend lange hinziehen, aber endlich muss sie einem heitern Tage weichen. Wie das Hadern nur eine Zeitlang währt, so ist der Zorn, der es verursacht hat, nur auf einen kleinen Augenblick. Der Herr liebt seine Erwählten zu sehr, um immerdar zornig auf sie zu sein. Wenn er immer mit uns handelte, wie er es zuweilen tut, so würden wir ganz ermatten und hoffnungslos zu den Pforten des Todes hinabsinken. Mut, liebes Herz! der Herr will bald sein Schelten enden. Trage es, denn der Herr will dich tragen und dich hindurch tragen. Er, der dich gemacht hat, weiß, wie schwach du bist, und wie wenig du tragen kannst. Er wird das sanft behandeln, was er so zart gemacht hat. Sei deshalb nicht bange, um der schmerzvollen Gegenwart willen, denn sie eilt zu einer glücklichen Zukunft. Er, der dich schlug, wird dich heilen; seinem kleinen Zorn sollen große Gnaden folgen.“ (Charles H. Spurgeon)

 

„Ach Herr Gott! es ist ein ungleich Streiten, wenn die alten Töpfe wollen mit den Felsen streiten, denn es gerate wie es wolle, so geht’s über die Töpfe: fallen sie an die Felsen, so stoßen sie sich und zerbrechen; fallen aber die Felsen auf sie, so zerschmettern und zermalmen sie die Töpfe, dass wahrlich den Töpfen zu raten wäre, sie blieben Töpfe, wie sie sind, in der Küche, und unterstünden sich nicht, auszuziehen zu Felde und wider die Felsen und Berge zu streiten. Christus spricht auch selber (Matth. 21,44): „Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerbrechen, auf welchen er aber fällt, den wird er zermalmen“, als sollt er sagen: Ihr seid ein irdisch und gebrechlich Gefäß, wie ein Topf oder Krug. Aber, Lieber, reibt euch nicht an mich; lasst mich den Fels sein und seid mit mir unverworren. Wo nicht, so sage ich euch fürwahr: Ich bin ein Stein und werde mich nicht davor fürchten, dass die Töpfe große Bäuche haben und aufgeblasen sind, als wollten sie mich schrecken mit ihrem Zorn und Dräuen. Je größere Bäuche sie haben und weiter sie aufgeblasen sind, je leichter sie zerbrechen und besser zu treffen sind. Desselbigengleichen acht ich nicht, dass sie oben weite Mäuler und Löcher haben, viel wider mich schreien und lästern können, als könnt sie niemand stopfen. Denn eben damit sind sie auch am allergeringsten verwahret, und leichtlich zerschmettert, dass weder Bauch noch Loch da bleibt, sondern, wie Jesajas sagt, kaum eine Scherbe überbleibt, da man eine Kohle in tragen mag.“

(Martin Luther, Walch 2. Ausg. Bd. 21,1 Sp. 972-973)

 

 

Der Zorn Gottes ist nicht etwa eine morgenländische Redensart, sondern eine furchtbare Realität, wie er denn über 300mal im A.T. vorkommt. Wie Gott wahrhaftig liebt, so zürnt er auch wahrhaftig wider alles, was seinem innerlichsten Wesen entgegen ist. Weil er die höchste Reinheit und Heiligkeit ist, so muss er sich seiner Natur nach abstoßend, verneinend, vernichtend gegen das Böse verhalten, das sich gegen ihn und seine heiligen Ordnungen setzt, Ps. 5,5ff. Es ist keine Aufregung und Aufwallung in ihm, die seine innere Ruhe stört und mit seiner Seligkeit streitet, nichts Leidendes und Leidenschaftliches, wie bei unserem fleischlichen Zorn, wenn auch die Ausdrücke: Schnauben, Entbrennen, Ergrimmen darauf hinzudeuten scheinen, welche auf eine gottgeziemende Weise zu verstehen sind; sondern „Gott zürnt göttlich mit heiligem Geisteszorn; er beherrscht den Zorn ohne Mühe und Qual, wie er die erzürnende Welt beherrscht; nicht Welt und Zorn beherrschen ihn in seiner Heiligkeit und Seligkeit. – Es ist so vieles an uns und in uns, das nicht von Gott ist, das wider ihn und seine Liebe ist – wie sollte denn das der durch und durch gute Gott in seiner reinen Liebe nicht hassen müssen, statt lieben? Es ist seinem innersten, heiligen Wesen zuwider: wie sollte sich also dies sein innerstes Wesen nicht mit Abscheu, mit Unwillen und Widerwillen dagegen erheben, und es von sich treiben, statt sich damit einzulassen?“ Beck. Er regt daher, wie Delitzsch sich ausdrückt, die Verderbensmächte, die Feuerseite seiner Herrlichkeit nach Jes. 10,17 dawider auf.

(H. Zeller, Biblisches Wörterbuch)

 

ZU FRÜH UND ZU SPÄT

Weil alle Dinge eine ihnen von Gott bestimmte Zeit „haben“, muss ihnen ihre Zeit nicht erst von Menschen eingeräumt oder zugewiesen werden. Gottes Vorsehung legt fest, wann sie „dran“ sind – und zu einem anderen Termin weigern sie sich stattzufinden. Wo Gottes Kalender Chancen eröffnet, darf man fröhlich zugreifen. Doch abtrotzen kann man ihm nichts. Und wer klug ist, fügt sich in Gottes Vorsehung, wie sich der Landwirt in die Abläufe der Natur fügt: Er tut zwar, was er kann, versucht aber nicht, die Jahreszeiten zu regieren. Und so lassen Christen Gott darüber entscheiden, in welchem Takt die Uhr ihres Lebens ticken soll.

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Zufall

Das Wort Zufall ist Gotteslästerung. Nichts unter der Sonne ist Zufall. G. E. Lessing

 

Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. Verfasser unbekannt

 

Weise Lebensführung gelingt keinem durch Zufall. Man muss, solange man lebt, lernen, wie man leben soll. Seneca

 

ZUFLUCHT BEI GOTT

Wer sich selbst kennt und Gott kennt, hat allen Grund, vor Gott zu fliehen. Denn zwischen seiner Gerechtigkeit und unserer Schuld besteht ein krasses Missverhältnis. Allein: Wo kann man sich verstecken vor dem, der allgegenwärtig ist? Nur die eine Chance gibt es, dass uns Gott selbst vor Gott in Schutz nimmt. Und diese Chance ergreift der Glaube, indem er vor Gott zu Gott flieht, bei Christus unterkriecht und vor Gottes Gericht an Gottes Gnade appelliert.

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„Es verklagt mich Gott, der sehr strenge Richter, der allmächtige Vollzieher seines ewigen Gesetzes. Ihn kann ich nicht täuschen, denn er ist die Wahrheit selbst; ihm kann ich mich nicht entziehen, denn er herrschet allenthalben mit Gewalt. Wohin also soll ich fliehen? Zu dir, o lieber Christus, du unser einiger Erlöser und Seligmacher. Meine Sünden sind groß, aber deine Versöhnung ist größer; meine Ungerechtigkeit ist groß, aber deine Gerechtigkeit ist größer. Ich erkenne das an, du verzeihe; ich gestehe das, du bedecke; ich enthülle das, du verhülle; in mir ist nichts, was mir nicht zur Verdammnis gereichte; in dir ist nichts, was nicht meine Seligkeit wirkte. Ich habe vieles begangen, weshalb ich mit allem Rechte verdammt werden kann, aber du hast nichts unterlassen, wodurch du mich nach deiner Barmherzigkeit selig machen kannst. (…) Meine Sünden schreien zum Himmel, aber kräftiger schreiet dein Blut für meine Sünden vergossen. Meine Sünden sind vermögend genug, mich vor Gott zu verklagen, aber dein Leiden ist viel vermögender, mich zu schützen. Mein durch und durch ungerechtes Leben ist vermögend, mich in Verdammnis zu stürzen; aber dein Leben voller Gerechtigkeit ist vermögender, mich selig zu machen.“ (Johann Gerhard)

 

Zufriedenheit

„Hast du Gebresten, so bitte Gott immer wieder, ob es nicht seine Ehre sei und es ihm gefalle, dass er sie dir abnehme, denn ohne ihn vermagst du nichts. Nimmt er sie dir ab, so danke ihm; tut er's aber nicht, nun, so erträgst du's um seinetwillen, jedoch nun nicht mehr als das Gebresten einer Sünde, sondern als eine große Übung, mit der du Lohn verdienen und Geduld üben sollst. Du sollst zufrieden sein, ob er dir seine Gabe gibt oder nicht. Er gibt einem jeden nach dem, was sein Bestes ist und für ihn passt. Soll man jemand einen Rock zuschneiden, so muss man ihn nach seinem Maß machen; und der dem einen passte, der passte dem andern gar nicht. Man nimmt einem jeglichen so Maß, wie's ihm passt. So auch gibt Gott einem jeglichen das Allerbeste nach dem, wie er erkennt, dass es das ihm Gemäßeste ist. Fürwahr, wer ihm darin ganz vertraut, der empfängt und besitzt im Geringsten ebensoviel wie im Allergrößten. Wollte Gott mir geben, was er Sankt Paulus gab, ich nähme es, wenn er's wünschte, gern. Da er es mir nun aber nicht geben will – denn nur bei ganz wenigen Leuten will er, dass sie in diesem Leben schon zu solchem Wissen wie Paulus gelangen – wenn mir's also Gott nicht gibt, so ist er mir darum doch ebenso lieb, und ich sage ihm ebenso großen Dank und bin ebenso völlig zufrieden darum, dass er mir's vorenthält, wie darum, dass er mir's gibt; und mir ist daran ebenso genug, und es ist mir ebenso lieb, als wenn er's mir verliehe, wenn anders es recht um mich steht.“ (Meister Eckhart)

 

Zugang

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Joh. 6,37. Gibt es ein Beispiel davon, dass unser Herr einen Kommenden ausgestoßen hat? Wenn es ein solches gibt, so möchten wir es wissen; aber es hat keins gegeben und es wird nie eins geben. Unter den verlornen Seelen in der Hölle ist keine, die sagen kann: „Ich ging zu Jesu, und er wies mich ab.“ Es ist nicht möglich, dass du oder ich der erste sein könnte, dem Jesus sein Wort bräche. Lasst uns keinen so dunkeln Verdacht hegen. Gesetzt, wir gingen jetzt zu Jesu in betreff der heutigen Übel. Dessen können wir gewiss sein – er wird uns nicht das Gehör verweigern und wird uns nicht hinausstoßen. Diejenigen von uns, die oft dagewesen sind, und die, welche noch nie dahin gegangen – lasst uns zusammen gehen und wir werden sehen, dass er die Tür seiner Gnade vor keinem von uns verschließen wird. „Dieser nimmt die Sünder an,“ aber er weist keinen ab. Wir kommen in Schwachheit und Sünde zu ihm, mit zitterndem Glauben und wenig Kenntnis und geringer Hoffnung; aber er stößt uns nicht hinaus. Wir kommen im Gebet, und dies Gebet ein gebrochenes; mit Bekenntnis, und dies Bekenntnis fehlerhaft; mit Lob, und dies Lob viel zu gering für sein Verdienst; aber dennoch nimmt er uns an. Wir kommen krank, unrein, schwach und wertlos; aber er verstößt uns in keinerlei Weise.“ (Charles H. Spurgeon)

 

ZUGEHÖRIGKEIT ZUR KIRCHE

Man kann einer Kirche angehören, ohne in Wahrheit ein Christ zu sein. Und viele folgern im Umkehrschluss, man könne auch Christ sein, ohne einer Kirche anzugehören. Doch dieser Umkehrschluss ist falsch. Wer ernsthaft Christ sein will, kann die Gemeinschaft nicht ignorieren, zu der Christus seine Jünger verband. Christus macht die Seinen nicht zu Einzelkämpfern, sondern zu Gliedern seines Leibes. In der Trennung von den übrigen Gliedern erleiden sie darum dasselbe Schicksal, das ein Arm oder ein Bein erleidet, wenn es sich vom übrigen Organismus trennt.

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Zuhause

Gott ist immer in uns, nur wir sind selten zu Hause. Meister Eckhart

 

Nicht dort bist du zu Hause, wo dein Wohnsitz ist, sondern dort, wo du verstanden wirst. Christian Morgenstern

 

Wer sich überall zu Hause fühlt, ist nirgends daheim. Aus Russland

 

Wohin gehen wir? Immer nach Hause. Novalis

 

Zuhören

„Der erste Dienst, den einer dem andern in der Gemeinschaft schuldet, besteht darin, dass er ihn anhört. Wie die Liebe zu Gott damit beginnt, dass wir sein Wort hören, so ist es der Anfang der Liebe zum Bruder, dass wir lernen, auf ihn zu hören. Es ist Gottes Liebe zu uns, dass er uns nicht nur sein Wort gibt, sondern uns auch sein Ohr leiht. So ist es sein Werk, das wir an unserem Bruder tun, wenn wir lernen, ihm zuzuhören. Christen, besonders Prediger, meinen so oft, sie müssten immer, wenn sie mit andern Menschen zusammen sind, etwas „bieten“, das sei ihr einziger Dienst. Sie vergessen, dass Zuhören ein größerer Dienst sein kann als Reden. Viele Menschen suchen ein Ohr, das ihnen zuhört, und sie finden es unter den Christen nicht, weil diese auch dort reden, wo sie hören sollten. Wer aber seinem Bruder nicht mehr zuhören kann, der wird auch bald Gott nicht mehr zuhören, sondern er wird auch vor Gott immer nur reden. Hier fängt der Tod des geistlichen Lebens an, und zuletzt bleibt nur noch das geistliche Geschwätz, die pfäffische Herablassung, die in frommen Worten erstickt. Wer nicht lange und geduldig zuhören kann, der wird am Andern immer vorbeireden und es selbst schließlich gar nicht mehr merken. Wer meint, seine Zeit sei zu kostbar, als dass er sie mit Zuhören verbringen dürfte, der wird nie wirklich Zeit haben für Gott und den Bruder, sondern nur immer für sich selbst, für seine eigenen Worte und Pläne. Brüderliche Seelsorge unterscheidet sich von der Predigt wesentlich dadurch, dass zum Auftrag des Wortes hier der Auftrag zum Hören hinzutritt. Es gibt auch ein Zuhören mit halben Ohren, in dem Bewusstsein, doch schon zu wissen, was der Andere zu sagen hat. Es ist das ungeduldige, unaufmerksame Zuhören, das den Bruder verachtet und nur darauf wartet, bis man endlich selbst zu Worte kommt und damit den Andern los wird. Das ist keine Erfüllung unseres Auftrages, und es ist gewiss, dass sich auch hier in unserer Stellung zum Bruder nur unser Verhältnis zu Gott widerspiegelt. Es ist kein Wunder, dass wir den größten Dienst des Zuhörens, den Gott uns aufgetragen hat, nämlich das Hören der Beichte des Bruders, nicht mehr zu tun vermögen, wenn wir in geringeren Dingen dem Bruder unser Ohr versagen. Die heidnische Welt weiß heute etwas davon, dass einem Menschen oft allein dadurch geholfen werden kann, dass man ihm ernsthaft zuhört, sie hat auf dieser Erkenntnis eine eigene säkulare Seelsorge aufgebaut, die den Zustrom der Menschen, auch der Christen findet. Die Christen aber haben vergessen, dass ihnen das Amt des Hörens von dem aufgetragen ist, der selbst der große Zuhörer ist und an dessen Werk sie teilhaben sollen. Mit den Ohren Gottes sollen wir hören, damit wir mit dem Worte Gottes reden können.“ (Dietrich Bonhoeffer)

 

Zukunft

Wir leben immer für die Zukunft: Ewiges Stimmen, und nie beginnt das Konzert. Ludwig Börne

 

ZUNGENREDE

Im Neuen Testament ist „Erbauung“ der kritische Maßstab für das, was der Christenheit nützt oder nicht nützt. Denn vieles ist möglich. Aber nur das, was Menschen zu Christus in Beziehung bringt und in Christus „eingründet“, bringt seine Gemeinde wirklich voran. H. Cremer sagt daher: „Erbauung ist die Befestigung und Förderung im Heilsbesitze, damit aus dem Menschen das werde, was er sein soll“ – nämlich ein Glied des Leibes Christi. Andere kirchliche Aktivitäten mögen noch so „gut ankommen“ – wenn sie weder aus der Glaubensbeziehung erwachsen noch auf sie hinführen, sind sie unnütz.

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Zuverlässig

Die Treue der meisten Menschen ist nur Erfindung ihrer Selbstsucht, um zuverlässig zu erscheinen. Auf diese Art erheben sie sich über andere und verleiten sie dazu, ihnen die wichtigsten Dinge anzuvertrauen. Rochefoucauld

 

ZUVERSICHT

1.

Ostern ist nichts für sonnige Gemüter, die schon aus Naivität positiv denken, sondern ist für die Gebeugten, die täglich ihre Träume begraben, ihre Würde und ihre Liebe. Deren Problem ist nicht zuerst und nicht nur der leibliche Tod am Ende, sondern der tägliche Tod, der im Herzen stattfindet. Mephisto bricht ihre Hoffnung. Aber Christus bricht ihre Resignation. Denn Ostern ist die Renitenz des Allmächtigen gegen alles, was das Leben verneint. Es ist Gottes guter Wille, der sich da nicht beerdigen lässt, und der mit all dem Guten, das er einschließt, stets „unverloren“ ist und bleibt.

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2.

Gott wird nie aufhören, sein Wort zu halten. Wer aber auf dieses Wissen baut und aus dem Evangelium die logisch zwingenden Folgerungen zieht, hat keinen Grund zu zittern, zu zagen, zu sorgen oder zu klagen, sondern wird mutig, trotzig und munter sein. Ein resignierender Christ steht mit sich selbst im Widerspruch. Denn als Christ darf er wissen, dass er am Sieg Jesu Christi teilhat – und sollte darum nicht wie ein Verlierer herumlaufen, sondern sollte aufrecht gehen und unbeirrt mutig sein.

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3.

Gewöhnliche Hoffnung besteht in dem Wunsch, etwas Positives, aber Ungewisses, möge aus dem Bereich des Möglichen in den des Wirklichen übergehen. Weil die Erfüllung dieses Wunsches aber nur mehr oder minder wahrscheinlich ist, wird die gewöhnliche Hoffnung stets von Unsicherheit und Furcht begleitet. Christliche Hoffnung zielt dagegen auf Heilsgüter, die dem Glaubenden schon hier und heute geschenkt sind. Sie steht darum so fest wie der Allmächtige, dessen Wort sie begründet. Sie hat volle Gewissheit und keinerlei Furcht, weil das, was Gott will, nicht nur kommen kann, sondern unausweichlich kommen muss.

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4.

In Zeiten der Verzagtheit können Jesajas Worte Kraft schenken und Zuversicht wecken. Denn er blickt voraus auf den Tag des Herrn, der alles Krumme gerade richtet. Warum duldet seine Freude aber keinen Widerspruch? Warum macht er keine Vorbehalte, sondern redet apodiktisch? Einfach weil es nicht das Wort des Propheten, sondern Gottes Wort ist, Gott aber weder lügen noch in seinen Plänen gehindert werden kann. Was er sagt, das tut er, und was er will, das kann er auch, so dass mit eiserner Logik kommen muss, was kommen soll. Wer‘s aber versteht, kann nicht mehr kleinmütig sein. Gottes Volk hat keinen Grund, sich vor der Welt zu ducken, sondern darf schon heute seine Fahne schwenken für den Sieg von morgen!

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* – * – * – * – * – * – * – * – *

 

„Die Festigkeit des Herzens, wovon der Psalmist redet, sollte fleißig gesucht werden. Sie ist nicht der Glaube an diese oder jene Verheißung des Herrn, sondern der allgemeine Zustand nicht wankenden Vertrauens auf unsren Gott, die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass er uns weder selber Böses tun will, noch irgend einem andren gestatten, uns zu schaden. Diese beständige Zuversicht ist sowohl betreffs des Unbekannten als des Bekannten in unsrem Leben. Laß den morgenden Tag sein, was er will, unser Gott ist der Gott des morgenden Tages.“ (Charles H. Spurgeon)

 

Zwang

Kein Mensch muss müssen. G. E. Lessing

 

Wenn der Bauer nicht muss, regt er weder Hand noch Fuß. Bauernweisheit

 

Zweck

Der Zweck heiligt die Mittel. Was aber heiligt den Zweck? Ernst Reinhardt

 

Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend sein auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer. Aristoteles

 

ZWEIFEL

1.

Die Gewissheit des Glaubenden ist nicht „begründet“, sondern ist begründend. Sie beruht nicht auf Erfahrungen, sondern liegt allen religiösen Erfahrungen voraus, als das, was sie ermöglicht. Glaubensgewissheit steht also nicht als Ergebnis am Ende einer Argumentation, sondern als Voraussetzung an ihrem Anfang. Sie verändert nicht Urteile, sondern zuerst den Urteilenden. Sie ist kein Impuls, den man erdenkt, sondern einer, dem man erliegt. Wer aber braucht für solches „Erliegen“ Gründe? Begründet der Surfer die Welle, die ihn mitreißt?

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2.

Es liegt im Wesen des Glaubens, dass er die Wahrheit (und die vorbehaltslose Suche danach) nicht fürchten muss, ja nicht einmal fürchten kann. Denn wenn Gott der Grund aller Wirklichkeit ist, dann kann, wer den Grund aller Wirklichkeit sucht, letztlich nichts anderes finden als Gott. Und ist Wahrheit Übereinstimmung mit Wirklichkeit, so wird sich am Ende der Glaube - die Übereinstimmung mit Gott - von selbst als die größte Wahrheit erweisen.

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3.

Die verbreitete Ansicht, Zweifel gehörten zum Glauben dazu, ist falsch. Erprobter Glaube kann sie durchaus hinter sich lassen und Gewissheit erlangen, ohne „intellektuell unredlich“ zu sein. Wenn die Zweifel schwinden, wird aber die Anfechtung bleiben. In der Anfechtung ist nicht mehr Gott fraglich, sondern der Gläubige wird sich selbst fraglich. Das Missverhältnis zwischen Gottes Vollkommenheit und seiner eigenen peinlichen Schwäche erfüllt ihn mit Angst. Und diese Not ist nur dadurch zu überwinden, dass man sie an Christus abgibt.

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* – * – * – * – * – * – * – * – *

 

„Der Heilige Geist ist kein Skeptiker, nicht Zweifel oder subjektive Ansichten hat er in unsere Herzen geschrieben, sondern verbindliche Aussagen, die gewisser und unerschütterlicher sind als das Leben selbst und alle Erfahrung.“ (Martin Luther)

 

„Wenn man mehrere große Zahlen addiert, so ist man es sich schuldig, die Richtigkeit der Rechnung zu bezweifeln. Um die Probe zu machen, pflegt man noch einmal zu addieren, aber von unten nach oben. Das ist gesunder Zweifel. Es gibt aber einen ungesunden Zweifel. Der besteht darin, dass man alles leugnet, was man nicht selber gesehen und gehört hat. Seine Mitmenschen als Lügner behandeln, ist nicht human und vermindert in bedenklichem Maße unser Wissen. Es gibt einen kranken Zweifel, der an schlechten Magen erinnert: alles wird verschlungen, aber nichts behalten; alles aufgenommen aber nichts verarbeitet. Daraus folgt Abmagerung, Entkräftung, Schwindsucht und vorzeitiger Tod. Johannes Damascenus hatte mehrere Jahre gesunden Zweifels durchgemacht, indem er durch systematisches Leugnen die Glaubenswahrheiten prüfte. Als er aber durch Gegenrechnung, die kleinste Quadratwurzel, das Genügen der Werte sicher geworden war, glaubte er. Seitdem konnten weder Menschenfurcht, Gewinn, Geringschätzung noch Drohung ihn veranlassen, seinen teuer erworbenen Glauben zu verleugnen. Und darin hatte er recht.“

(August Strindberg)

 

* – * – * – * – * – * – * – * – *

 

Die Zwiebel besteht aus lauter Häuten – also gibt es keine Zwiebel. So zu schließen ist aller Skeptizismus versucht und muss sich hüten. Moritz Heimann

 

Es ist nichts Helleres denn die Sonne, das ist die Schrift. Ist aber eine Wolke davorgetreten, so ist doch nichts anderes dahinter denn dieselbe helle Sonne. Ist ein dunkler Spruch in der Schrift, so zweifelt nur nicht, es ist gewisslich dieselbe Wahrheit dahinter, die am andern Ort klar ist, und wer das Dunkle nicht verstehen kann, der bleibt bei dem Lichten. Martin Luther

 

ZWEI-NATUREN-LEHRE

1.

Die Kirche entspricht dem Zeugnis der Bibel, indem sie Christus zugleich als „wahren Menschen“ und „wahren Gott“ bekennt. Wie sich beide „Naturen“ in der Person Christi vereinen konnten, übersteigt unseren Horizont. Aber wir vermögen einzusehen, dass diese Vereinigung nötig war: Wie eine Brücke auf beiden Ufern des Flusses aufruhen muss, um sie zu verbinden, so musste Christus ganz zu Gottes und ganz zu unserer Welt gehören, um zwischen Himmel und Erde eine Brücke schlagen zu können.

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2.

Wie Gott Mensch wird – und dabei doch Gott bleibt –, ist schwer zu erklären. Denn immer scheint es, als müsse das Göttliche das Menschliche verdrängen oder das Menschliche das Göttliche ausschließen. Die Verbindung beider sprengt unser Vorstellungsvermögen. Aber: muss uns das wundern? Selbst die bewährte Einteilung der Himmelsrichtungen versagt in dem besonderen Fall, dass man am Nord- oder Südpol steht. Wenn wir also nicht begreifen, wie Gottes Wort Fleisch wird, besagt das weder etwas gegen die Menschwerdung Gottes noch gegen unseren Verstand, sondern besagt eben nur, dass die zwei nicht gut zusammenpassen.

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ZWischenzustand (der Toten)

 

Wo sind die Verstorbenen zwischen dem Tag ihres Todes und dem Tag der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts? Schlafen, wachen oder warten sie? Man darf annehmen, dass sie unmittelbar der ewigen Seligkeit oder der ewigen Verdammnis zugeordnet werden. Denn ihre Seelen werden nicht anders „bewahrt“ als in und bei Gott. Ihm, dem Ewigen, sind alle Punkte der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleich „aktuell“. Und für die Versterbenden gilt vermutlich das gleiche. Gott entnimmt sie dem Fluss der Zeit und versetzt sie in die Ewigkeit, wo der Jüngste Tag schon „heute“ ist. So gibt es für sie keinen Zwischenzustand, sondern sie sind bereits ohne zeitlichen Verzug im Himmel oder in der Hölle angekommen.

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