C. F. W. Walther (1811-1887):
Die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.
Fünfzehnte Abendvorlesung. (23. Januar 1885.)
In dem HErrn geliebte Freunde! Bekanntlich lehren die Papisten, daß selbst die Frommen, wenn sie sterben, nicht alsbald in den Himmel eingehen, sondern daß auch sie zuerst in ein sogenanntes Fegefeuer kommen, in welchem sie von den von ihnen noch nicht völlig abgebüßten Sünden durch schreckliche Feuerqualen gereinigt würden, ehe sie zum Anschauen (S. 129) Gottes gelangen könnten. Und noch mehr, die Papisten lehren, daß kein Mensch, ja, auch kein Frommer, schon in diesem Leben gewiß sein könne, daß er bei Gott in Gnaden stehe, daß er Vergebung der Sünden habe und daß er ewig selig werde – ausgenommen einige wenige, z. B. die heiligen Apostel und besonders große Heilige, denen es Gott auf einem außerordentlichen Wege schon im Voraus geoffenbart habe, daß sie das Ziel erreichen würden. Es ist das eine durchaus trostlose und dazu recht antichristische Irrlehre. Unsere lutherische Kirche lehrt bekanntlich das directe Gegentheil. Aber, leider! die allermeisten sogenannten Lutheraner haben wohl eine gewisse menschliche Hoffnung, daß sie bei Gott in Gnaden stehen, daß sie Vergebung der Sünden haben und die ewige Seligkeit erlangen werden, aber sie sind nicht gewiß. Das ist eine eben so traurige Erscheinung, und es ist ein Beweis, daß diese Lutheraner die lutherische Lehre gar nicht kennen, geschweige denn, daß sie dieselbige sollten zu Herzen genommen haben. Wie könnte denn die christliche Lehre Evangelium genannt werden, das heißt, eine fröhliche Botschaft, wenn diejenigen, welche diese Lehre annehmen, immerfort zweifeln müßten, ob ihre Sünden zugedeckt seien, ob sie Gott für gerecht ansehe und ob sie einst selig werden könnten? Was für ein Unterschied wäre dann zwischen einem Christen und einem Heiden, der ohne Gott und ohne Hoffnung in dieser Welt dahingeht, wenn selbst der Christ nicht wüßte, wie er mit seinem Gott daran sei und welches einst sein ewiges Schicksal sein werde, ob die Verdammniß oder die Seligkeit? Sagt nicht die heilige Schrift: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet“? Spricht nicht unser lieber HErr JEsus Christus: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“? Sagt unser lieber HErr Christus nicht: „Wer aber das Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten“? Sagt er nicht: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“? Wären denn das nicht alles, wenn jene Zweifelslehre richtig wäre, leere Vorspiegelungen, ja, um grob heraus zu reden – es ist schrecklich zu sagen – eitel Lug und Trug? – Unser lieber HErr JEsus Christus verlangt von den Seinen Kampf gegen ihr Fleisch und Blut, Kampf gegen die Welt, Kampf gegen den Teufel, Treue bis in den Tod. Er verlangt von ihnen, sie sollen absagen allem, was sie haben, sollen zu ihm kommen, sollen sein Kreuz auf sich nehmen, sollen sich selbst verleugnen und ihm nachfolgen. Er sagt ihnen im Voraus: „Wenn ihr es mit mir haltet, so wird die Welt euch hassen, wird euch (S. 130) schänden, wird euch verfolgen, wohl gar bis aufs Blut.“ Wäre nun jene Zweifelslehre richtig, wer könnte dann Lust haben, zu Christo zu gehen, es mit ihm zu halten, alle jene großen und schweren Kämpfe dieses Lebens durchzukämpfen unter seiner Blutfahne? Wer hätte dann Kraft, der Heiligung nachzujagen, wenn er zweifeln müßte, ob er auch das Ziel erreichen werde? Ja, wer diese Zweifelslehre in sein Herz aufgenommen hat, der ist ein unglückseliger Mensch, der bleibt ein elender Gesetzesknecht, dem fort und fort sein Gewissen sagt: „Es steht nicht recht mit dir! Wer weiß, was Gott von dir denkt, welche Strafe deiner wartet!“ Es ist keine Frage, diese Zweifelslehre ist der allerschrecklichste Irrthum, in den ein Mensch fallen kann. Damit wird Christus, seine Erlösung und das ganze Evangelium zu Schanden gemacht. Hier gilt es darum nicht Scherzens! Wo steckt aber die Wurzel dieses Irrthums? Die ist nirgends anders zu suchen, als in der Vermischung des Gesetzes und des Evangeliums. Lassen Sie uns darum lernen die rechte Theilung des Wortes Gottes, die der Apostel Paulus von einem rechtschaffenen Diener Gottes verlangt, die rechte Theilung des Gesetzes und des Evangeliums. Vor acht Tagen haben wir uns schon überzeugt, daß die einzig richtige Art und Weise, einem Menschen, der über seine Sünden von Herzen erschrocken ist, zur Gewißheit der Vergebung der Sünden zu bringen und zu gleicher Gewißheit seines Heils, diese sei, daß ihm Gottes Wort gepredigt werde, nämlich das Evangelium, und daß er aufgefordert werde, einfach das zu glauben und auf sich anzuwenden, und an der Wahrheit dieser himmlischen Gnadenbotschaft nicht zu zweifeln. Dann soll er aber auch aufgefordert werden, sich taufen zu lassen, wenn er noch nicht getauft ist, zur Vergebung seiner Sünden. Daß dies der einzig richtige Weg ist, haben wir gesehen an drei Beispielen aus der heiligen Schrift, wo uns Bekehrungen erzählt werden, nämlich an der Bekehrung der Dreitausend am ersten Pfingstfeste durch die Predigt des Apostels Petrus, an der Bekehrung des Kerkermeisters zu Philippi und an der wunderbaren Bekehrung des Apostels Paulus, die er uns selbst in der Apostelgeschichte erzählt. Aber eine falsche Methode, haben wir gesehen, ist eben diese, wenn man dem erschrockenen Sünder allerlei Regeln gibt, wie er sich nun verhalten solle, was er alles thun müsse, wie ernstlich und wie lange er beten, kämpfen und ringen müsse, bis er endlich in seinem Innern eine gewisse geheime Stimme hört: „Dir sind deine Sünden vergeben! Du bist ein Kind Gottes! Du bist bekehrt!“ bis er es fühlt, daß die Gnade in ihn ausgegossen ist. Das ist die Bekehrungsmethode der reformirten Secte und aller Kinder derselben. (S. 131) Möchte sich nun diese Bekehrungsmethode nicht auch in der lutherischen Kirche finden! Da findet sie sich aber, leider! auch. Zuerst suchten die Pietisten die Leute so zur Bekehrung zu bringen. Dieselben hatten in manchen Stücken ganz recht. Die lutherische Kirche war sozusagen eingeschlafen, ein wahrer geistlicher Tod lag über der Kirche wie ein großes Leichentuch. Nun wollten die Pietisten helfen, aber anstatt zur Reinheit der Kirche der Reformation zurückzugehen und da zu lernen, wie man die geistlich Todten lebendig macht, so folgte man der Methode der Reformirten. Lassen Sie mich Ihnen das zeigen an dem Beispiel des Dr. Johann Philipp Fresenius. Fresenius wurde geboren im Jahre 1705 und starb 1761. Seit 1748 war er Senior des Ministeriums zu Frankfurt am Main. Er war sonst ein vortrefflicher Mann, ohne Zweifel ein aufrichtiger Christ, ein frommer, gottseliger Mann, der auch viele schöne, erbauliche Schriften geschrieben hat, an denen wenig auszusetzen ist. Mit großem Ernst hat er geschrieben gegen die Papisten, Jesuiten und Herrnhuter. Das Letztere machte ihn unter den Gläubigen der damaligen Zeit etwas verdächtig. Er war schon als Knabe ein eifriger Christ. Wenn nun die Knaben seines Orts zusammenkamen, missionirte er an ihnen und suchte sie zu bekehren. In dieser Gesinnung blieb er auch, bis er auf die Universität zu Straßburg kam. Dort studirte er mit eisernem Fleiß und wurde ein grundgelehrter Mann. Der Vater sah es nicht gerne, daß er auf die Universität zog, weil er in schlechten äußeren Verhältnissen war. Aber im Vertrauen auf Gott ging er und dachte: „Gott wird mir helfen!“ Er mußte sich auch oft ganz jämmerlich durchschlagen, hatte oft nichts als Wasser und Brod, lebte eine ganze Zeit lang in einem elenden Zimmer, bis die Professoren hörten, in welch traurigen Verhältnissen er sich befand. Sie verschafften ihm ein freies Logis und einige gaben ihm Freitische. So half er sich durch. Eins seiner verbreitetsten Bücher ist sein Beicht- und Communionbuch, welches er 1745 herausgab. Es hat in kurzer Zeit acht Auflagen erfahren. Unter den Gläubigen der damaligen Zeit gab es wenige, die das Buch nicht hatten. 1845 ist es aufs neue von Meyer herausgegeben worden, aber derselbe hat die darin befindlichen Irrthümer nicht beseitigt, sondern hat eher noch mehr hineingebracht. Daß ich nun gerade dieses Buch nehme, um Ihnen zu zeigen, wie auch Lutheraner Gesetz und Evangelium vermischen, hat darin seinen Grund, daß ich selbst mit diesem Buch die traurigsten Erfahrungen gemacht habe. Als ich das Gymnasium absolvirt hatte und die Universität bezog, war ich zwar kein theoretischer Ungläubiger, denn meine Eltern waren (S. 132) gläubig gesinnt. Aber ich war sehr zeitig aus dem Elternhaus gekommen, schon im Alter von acht Jahren. Und dann war ich immer mit Ungläubigen zusammen. Auf unserer Schule waren die Professoren alle ungläubig bis auf einen, der etwas gläubig angehaucht war. Als ich auf die Universität kam, konnte ich die zehn Gebote nicht auswendig, konnte die biblischen Bücher nicht einmal hersagen. Ich hatte eine miserable biblische Erkenntniß und von wahrem Glauben war gar keine Rede. Ich hatte aber einen älteren Bruder, der vor mir die Universität bezogen hatte. Derselbe war nicht lange Zeit zuvor, ehe ich hinkam, in die Gesellschaft bekehrter Leute gerathen und hatte sich an sie angeschlossen. Als ich nun hinkam, führte er mich sogleich in diesen christlichen Kreis von Studenten ein. Ich hatte keine Ahnung von dem Ziel, dem ich entgegen ging, aber ich hatte großen Respect vor meinem älteren Bruder, und der lud mich ein. Zuerst zog mich nur das an, daß diese Studenten so freundlich und liebevoll mit mir umgingen. Das war ich nicht gewohnt, denn auf unserm Gymnasium ging es nur sehr roh her. Aber das Wesen dieser Studenten gefiel mir außerordentlich wohl. Es war also nicht zuerst das Wort Gottes, welches mich anzog. Aber es fing an, mir so zu gefallen unter diesen christlichen Studenten, daß ich nun auch gerne in ihre Gebetsversammlungen ging – denn solche Gebetsversammlungen hielten sie – und siehe da, da kam der liebe Gott und wirkte an mir, an meiner Seele durch sein Wort und in kurzer Zeit war ich wirklich ein gottbegnadeter, gläubiger Mensch geworden, freilich mit wenig Gründen der Erkenntniß. Das ging etwa ein halbes Jahr so fort. Da näherte sich uns ein alter Candidat, ein echter Pietist, der nicht zu erwarten hatte, daß er jemals in der Landeskirche angestellt werden würde. Denn damals herrschte der Rationalismus allgemein, daher uns auch die andern Studenten für verrückt hielten und uns mieden wie die Pest. So stand es damals drüben. Dieser Candidat kam also und sagte zu uns: „Ihr denkt, ihr seid bekehrte Christen? Mit nichten! Ihr habt ja noch keinen rechten Bußkampf durchgemacht.“ Ich wehrte mich nun freilich Tag und Nacht dagegen und dachte zuerst, der wollte uns nur aus dem Evangelium wieder in das Gesetz bringen; aber er kam immer wieder, bis ich endlich doch an unserm Christenthum zweifelte. Erst fühlte ich mich so selig in meinem Glauben an meinen HErrn JEsum Christum, aber nun begann eine Zeit der schwersten, geistlichen Anfechtungen. Ich ging zu diesem Candidaten und fragte ihn: „Was soll ich thun, daß ich selig werde?“ Da schrieb er mir denn Verschiedenes vor und gab mir mehrere Bücher, unter anderen auch das Beicht- und Communionbuch von Fresenius. Aber je mehr ich darin las, desto un- (S. 133) gewisser wurde ich, daß ich ein Christ sei. Immer sagte mir mein Inneres: „Das ist nicht genug, was zu einem Christen nöthig ist.“ Denn es kam noch dazu, daß der Candidat noch viel pietistischer war als Fresenius selbst. Wenn ich damals ein geistliches Buch las, das von der Gnaden- und Heilsordnung handelte, so las ich nur das, was von der Buße darin stand. Wenn dann das Evangelium und der Glaube kam, machte ich das Buch zu und dachte: „Das gehört nicht für dich.“ Und je weniger ich die Süßigkeit des Evangeliums kostete, desto finsterer wurde es in meinem Herzen. Ich wollte mich wahrlich, das weiß Gott, nicht täuschen, ich wollte selig werden. Ich meinte dann immer, das seien die besten Bücher, die recht scharf seien und einem nichts von Gottes Gnade übrig ließen, bis ich dann endlich von einem Mann hörte, der ein rechter, geistlicher Arzt sein sollte. Ich schrieb daher auch an ihn, dachte aber: „Wenn der dir etwas von Gnade und Evangelium sagt, dann steckst du den Brief in den Ofen.“ Doch der Brief war so tröstlich, daß ich nicht widerstehen konnte. Und so kam ich aus meinem Zustand heraus, in den mich vor allem auch Fresenius gebracht hatte. O wie glücklich sind doch die Studenten, welche gleich die reine, selige und tröstliche Lehre des Evangeliums haben! Aber es ist, leider! die Erfahrung, je reichlicher einer die reine Lehre des göttlichen Wortes hat, desto mehr wird sie gering geachtet! Fresenius theilt in seinem Buch alle Communicanten in neun Klassen ein. Da habe ich gesucht, aber ich fand mich in keiner. Dasselbe bezeugte mir auch der sel. Pastor Kehl, daß er sich in keiner dieser Klassen habe finden können, der doch gewiß ein gläubiger, gottseliger Christ war. Das ist die Folge davon, wenn man so seciren will. Fresenius theilt die Communicanten folgendermaßen ein: 1. Die unwürdigen Communicanten. 2. Die, welche die Gnade redlich suchen, aber davon nicht versichert sind. 3. Die, welche ihres Gnadenstandes versichert sind, und zwar die geistlichen Kinder oder schwachen Anfänger im Christenthum. 4. Die Jünglinge oder die, die schon stärker geworden sind. 5. Die Väter oder erfahrenen Christen. 6. Die in hohen geistlichen Anfechtungen stehen. (Ich stand darin und konnte mich doch nicht in dieser Klasse finden.) 7. Die fröhlich in Gott sind. 8. Die aus der Gnade Gottes zurückgefallen sind. 9. Die in einem ängstlichen Zustand stehen. Nun redet er von der ersten Klasse. Er schreibt (Cap. 3, §11): „Weil nun auf die Bekehrung solcher Sünder alles ankommt, wenn sie sollen fähig werden, Vergebung der Sünden zu erlangen, und den Leib und das Blut Christi würdig zu genießen: so will ich hier einen treuen Unterricht mittheilen, was sie von ihrer Seite zu beobachten haben, damit (S. 134) sie gründlich und in kurzer Zeit bekehrt werden mögen.“ – Das war mir ein Evangelium: „in kurzer Zeit!“ Ich dachte: „Wenn das doch bei dir der Fall fein möchte!“ – „Es ist ein Unterricht, den ich in meinen Amtsführungen schon bei vielen Sündern bewährt gefunden habe, und wer demselben treulich nachgefolgt ist, der ist gewiß errettet worden; wie ich denn oft zur größten Freude meines Herzens wahrgenommen, daß durch diesen Weg auch solche Sünder, die vor andern von dem Satan gefesselt waren, in kurzer Zeit in einen solchen Stand gekommen, daß man sie für neue Creaturen in Christo halten können. Der Weg ist gerade und einfältig, und es werden dazu keine großen Subtilitäten, und keine eigenen Selbstwirkungen erfordert, sondern man läßt nur Gott in sich wirken, der uns ohnedem gern alles gibt, was wir nöthig haben. Es kommt nämlich nur darauf an, daß der Sünder drei Regeln beobachtet, welche aus der innersten Natur der göttlichen Heilsordnung hergeleitet, und so beschaffen sind, daß dem ärgsten Sclaven des Teufels dadurch muß geholfen werden, wenn er nur treu damit umgeht; denn wenn er dieses nicht thut, so hat er es nicht den Regeln, sondern seiner Untreue zuzuschreiben, wenn ihm nicht geholfen wird.“ – Nun, ich wollte gerne alle Regeln beobachten. – “Die erste Regel heißt: Bete um die Gnade. Die andere: Wache über die Gnade. Die dritte Regel: Betrachte Gottes Wort auf die rechte Weise. Weil der Sünder sich nicht selbst bekehren kann, so muß er um diese Gnade beten. Weil er die erbetene Gnade leicht wieder verlieren kann, so muß er darüber wachen. Weil Gottes Wort das Gnadenmittel ist, wodurch uns Gott erleuchtet, und bei Erwachsenen die Wiedergeburt oder Veränderung des Herzens zu Stande bringt, so muß er dasselbe auf die rechte Weise betrachten. Und hieraus sieht man, wie diese drei Regeln aus der innersten Natur der göttlichen Heilsordnung hergeleitet werden. Damit man aber dieselben desto besser beobachten lerne, so wollen wir eine nach der andern kürzlich erläutern. Die erste Regel: Wer die Gnade der Bekehrung haben will, der muß um diese Gnade beten.“ – Als ob diejenigen noch nicht bekehrt seien, die ernstlich beten können! Er sollte sagen: „Die müssen Gottes Wort hören.“ Und da macht er das zur letzten Regel: Alles geht darauf hin, daß es darauf ankommt, was der Mensch thun muß, was der Mensch leisten muß, um die Gnade zu erlangen. – „Dieses Gebet muß aber anders beschaffen sein, als man es vorher bei seinen herrschenden Sünden gewohnt war. Es muß nicht ein kaltes, fremdes und todtes Lippenwerk bleiben, sondern mit großem Ernst des Herzens geschehen.“ – Er redet also doch von einem, bei dem die Sünde nicht mehr herrscht, wie überhaupt das proton pseudos bei ihm ist, daß er fälschlich Bekehrung und (S. 135) Erweckung von einander unterscheidet, während doch der, welcher wirklich erweckt ist, nämlich vom geistlichen Tode, auch bekehrt ist. Dann aber, wenn er bekehrt ist, bedarf er des Betens und des Kampfes; denn wenn sein Glaube entstanden ist, so ist derselbe wie ein kleines Kindlein, das leicht sterben kann, wenn ihm nicht Nahrung gereicht wird. Aber das Beten und Kämpfen gehört nicht für die Unbekehrten, sondern für die Bekehrten. Ich bekomme nicht eher Kraft dazu, als bis ich bekehrt bin, bis ich glaube. – „Man geht da in sein Kämmerlein, wie der Heiland den Rath ertheilt, Matth. 6,6., oder wo man sonst allein mit Gott reden kann, beugt vor ihm seine Kniee und schreit aus allen Kräften um Gnade, und zwar nicht nur um die Gnade, daß Gott die Sünden vergeben, sondern auch um die Gnade, daß er das Herz wahrhaftig verändern und die Liebe zur Sünde in demselben zerstören wolle.“ – Als ob das zwei Sachen wären, die zu verschiedener Zeit geschähen! Wenn ich Vergebung der Sünden habe, dann ist auch mein Herz verändert und die Liebe zur Sünde ist zerstört. Und dann will er also haben, man soll so lange schreien, bis Gott einem Gnade gibt! Als ob er jemals gehört hätte, daß Gott ein so harter Mann wäre, den man erst erweichen müsse durch sein Beten und Ringen! – „Und weil Christus uns auch schon die erste Bekehrungsgnade erworben, so gründet man auch schon dieses erste Gebet auf sein Verdienst“, – da soll ein Mensch bekehrt werden, der schon bekehrt ist! Denn sein Gebet auf Christi Verdienst stellen heißt ja nichts anderes als glauben – „und ruft zu Gott, daß er um deswillen uns die Bekehrungsgnade schenken wolle, weil der HErr JEsus ein so theures Lösegeld für uns bezahlt hat.“ – Es ist ganz erschrecklich, so gut Fresenius es auch gemeint hat! Er redet von Christi Verdienst und doch wird der Mensch auf seine eigenen Werke getrieben. Aber der Mensch wird es durch sein Thun nimmermehr erreichen. – „Dieses Gebet thut man nicht ein- oder zweimal, sondern man fährt täglich mit Seufzen, Beten, Rufen und Schreien fort, bis man die Gnade erlangt.“ – Was ist denn das nun? Er meint nichts anderes, als „bis man fühlt“. Das nennen solche Leute dann Gnade, diese süße Rührung, welche das Herz befriedigt. Das soll dann die Gnade sein, während doch die Gnade nicht etwas in meinem Herzen ist, sondern in Gottes Herzen. Ich muß die Gnade nicht in mir, sondern außer mir suchen. – „Daß man aus eigener Erfahrung der wahrhaftigen Veränderung des Herzens versichert ist.“ – Das alles wäre richtig, wenn der gute Mann damit einen gläubigen Christen meinte. Das muß der alles thun. Aber vorher ist der Mensch geistlich todt. Er kann nicht geistlich sehen, nicht geistlich hören, nicht geistlich fühlen. – (S. 136) „Hierbei wird nun mancher denken: Das lasse ich gelten, daß man Gnade erlangt, wenn man auf diese Weise bittet; aber wie kann der Sünder so beten? Ist nicht das Gebet selbst schon ein Werk der göttlichen Gnade, welches wir folglich nicht von uns selbst haben, so lange wir noch todt sind in Sünden?“ – Todt in Sünden! Und doch fährt er fort: „Antwort: Es ist freilich diese Art zu beten ein Werk der Gnade, welches der erstorbene Sünder aus eigenen Kräften nicht erreichen kann; aber wir wissen auch, daß die vorlaufende oder erweckende Gnade gar oft und ernstlich bei dem Sünder anklopft, daß sie ihn aus dem Sündenschlaf aufwecke; und so oft sie solches thut, so bietet sie dem Menschen etwas an, welches er nicht hat, nämlich die Kraft, so zu seufzen, und aus der Tiefe seines Verderbens um Hülfe zu schreien, wie es ihm nöthig ist.“ – Als ob ein Erstorbener etwas mit fremder Kraft thun könne! – Es heißt weiter: „Der Sünder kann solches selbst merken, wenn er nur auf sich Acht gibt. Er wird oftmals durch das Wort Gottes, durch Krankheit, durch Todesfälle anderer Menschen, durch schreckliche Träume, durch das Andenken an seinen Tod, an das jüngste Gericht, an Hölle und Himmel, und dergleichen, unruhig gemacht über seinen Zustand.“ – Das ist höchst gefährlich! Redliche Seelen, wenn sie nicht das alles erfahren haben, wovon ihnen gesagt wird, daß sie alles erfahren müssen, denken dann: „Ja, ich bin ein Erweckter, aber kein Bekehrter!“ Tausende und Millionen haben sich schon abgequält mit dem Gedanken: „Ich bin nicht bekehrt“ – „und den Augenblick regt sich in ihm ein Verlangen nach der Seligkeit und ein geheimes Seufzen um Gnade.“ – Was ist dieses geheime Seufzen um Gnade anders als der erste Funke des Glaubens? Es ist das doch nicht etwas, das mir erst gegeben wird, damit ich mir erst Gnade erarbeite. – „Dieses Verlangen und Seufzen aber ist nicht ein Werk seiner Natur, sondern es ist eine Kraft, welche die Erweckungsgnade schon in ihm gewirkt hat. Nimmt er nun diese Kraft an, so ist es ihm nicht mehr unmöglich, so zu beten, zu rufen und zu schreien, wie es sein Verderben erfordert, und indem er solches thut, so wird auch die Kraft zum Gebet durch Gottes Gnade immer größer und stärker.“ – Wo finden Sie davon etwas in der Schrift? Kein Wort! Nach dem Glauben heißt es nun kämpfen, denn nun wird der Teufel dir wieder rauben wollen, was du empfangen hast. Ja, wie gesagt, so lange ein Mensch noch nicht bekehrt ist, so ist er geistlich todt, so hat er auch noch keine Kraft. Wenn es auch möglich wäre, daß ihm Kraft könnte eingeblasen werden, so würde er doch, so lange er todt ist, diese Kraft nicht gebrauchen. Man blase in eine Bildsäule Kraft hinein und sehe, ob die sich bewegen wird. Nein, sie bleibt todt und regt sich nicht. (S. 137) Das ist nun ein Irrthum, der ganz und gar herrscht in der neueren Theologie, daß der Mensch sich selbst bekehrt durch geistliche Kräfte, die ihm gegeben werden. – „Andere werden hierbei denken: Die Schrift sagt ja selbst, daß Gott die Sünder nicht erhöre, Joh. 9,31.; daher sei es umsonst, wenn sie beten wollen; denn Gott bezeuge ausdrücklich Jes. 1,15.: „Wenn ihr schon eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen von euch; und ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht.“ Antwort: Diese und dergleichen Schriftstellen reden nur von solchen Sündern, die zwar um Abwendung der Strafgerichte, um Vergebung der Sünden, oder gar nur um zeitliche Hülfe bitten, aber nicht um die Veränderung des Herzens“; – Da hat er ganz recht. Aber um Veränderung des Herzens betet eben nur der, bei dem schon ein Anfang der Herzensveränderung gemacht ist, und das ist nur einer, bei dem der Glaube da ist. So lange er nicht glaubt, ist er in Sünden todt, leichtfertig, läßt es darauf ankommen, ob er vielleicht heute Abend, wenn er stirbt, in den Himmel oder in die Hölle kommt; er verläßt sich auf Gottes Güte fleischlicherweise – „welche bei allem ihrem Gebet den festen Vorsatz behalten, in ihren herrschenden Sünden fortzufahren, und das Gebet selbst nicht aus der Kraft des Heiligen Geistes, sondern aus ihren eigenen Naturkräften verrichten; und da bringt es die Natur der Sache mit sich, daß sie in diesem verkehrten Zustande und bei solchen falschen Absichten nicht können erhört werden. David spricht Ps. 66,18.: „Wo ich Unrechtes vorhätte in meinem Herzen, so würde der HErr nicht hören!“ Die Sünder aber, von welchen wir reden, suchen nicht nur Vergebung, sondern auch eine wahre Veränderung des Herzens, und es ist ihnen ernstlich darum zu thun, daß sie bekehrt werden möchten.“ – Wem es ernstlich darum zu thun ist, der ist schon bekehrt. Die andern fragen nichts darnach. Nur die wahren Christen haben Sorge um ihr Seelenheil. – „So ist auch ihr Gebet ein Werk der göttlichen Gnade; was aber Gott selbst wirkt, das kann er nicht verschmähen; und daraus folgt, daß ein solches Gebet wahrhaftig erhört werde, welches auch die Erfahrung vielfach bestätigt.“ – Natürlich, wenn man diesen falschen Unterschied macht zwischen Erweckung und Bekehrung und sogar Erleuchtung dem zuschreibt, der noch blind ist! – „Die andere Regel: Wem es ein Ernst ist, bekehrt zu werden, der muß über die Gnade wachen, welche ihm Gott auf sein Gebet schenkt.“ – Also auch selbst die geistliche Wachsamkeit soll ein Mensch haben vor der Bekehrung. – „Sobald Gott Kraft schenkt zum Beten, sobald schenkt er auch Kraft zu wachen, und diese muß mit großer Sorgfalt und Ernst angewendet werden.“ – Das ist alles ganz gut, wenn es auf einen An- (S. 138) fänger im Christenthum angewendet wird. – „Man wacht da über sein Herz, daß es durch sündliche Gedanken nicht beherrscht“, und dadurch die Gnadenwirkungen in demselben nicht verhindert werden. Man wacht über seine Augen und Ohren, damit durch diese beiden Pforten des Herzens kein neuer Unflath hineingeführt, und dadurch die innerliche Arbeit des Geistes gestört werde. Man wacht über seine Zunge, daß man durch unlautere, sündliche Worte den Geist Gottes nicht betrübe, Eph. 4,29.30., und das Herz nicht verführe, Jac. 1,26. Man wacht über seine Gesellschaften in dem Umgang mit andern Menschen, daß man sich von dem Bösen zurückziehe, die sündliche Weltfreundschaft, welche eine Feindschaft wider Gott ist, Jac. 4,4., auf einmal verlasse und aufhebe, und wenn man ja mit bösen Leuten berufswegen umgehen muß, daß man sein Herz gegen das Böse befestige, und sich fremder Sünden nicht theilhaftig mache. Man wacht über seinen ganzen Wandel, daß er nicht von neuem mit vorsätzlichen Sünden befleckt werde.“ – Er beschreibt das völlige Werk der Heiligung. Das erwartet er alles von einem unbekehrten Menschen! Man kann es wirklich kaum begreifen, wie ein so gelehrter und erfahrener Prediger das nicht gesehen hat! – “Man wacht über die Wirkungen der göttlichen Gnade, daß man ihnen immer besser Raum in dem Herzen mache, und sonderlich diejenigen Stunden der Gnadenheimsuchungen wohl beobachte, da uns Gott neue Erweckungen schenkt, zum Gebet, oder zur Betrachtung seines Worts, oder zum Kampf gegen die Sünde, oder zur Ausübung der Liebe gegen den Nächsten“ etc. – Also die Liebe gegen den Nächsten ist schon da, ehe ein Mensch bekehrt ist! Das ist das Gefährliche. Wer redlich ist, der denkt: „Das soll bei mir alles noch stattfinden und doch bin ich noch ein unbekehrter Mensch.“ – „Daß man zu solcher Zeit durch Seufzen, Flehen und Beten tiefer in die Gnade einzudringen suche.“ – Das ist erschrecklich, als ob ein Mensch tiefer in die Gnade eindringen könnte! Die Gnade ist eben etwas im Herzen Gottes. Entweder habe ich die ganze Gnade oder gar keine. Die Gnade stückelt sich nicht, wie Luther sagt. Entweder bin ich ein Kind des Teufels oder ein Kind Gottes; entweder bin ich im Reich der Finsterniß, oder im Reich des Lichts; entweder stehe ich in der Gnade Gottes, oder ich liege unter seinem Zorn. Da gibt es keine Mitte. „Dieses Wachen ist in der Bekehrung höchst nothwendig, und wer solches nicht beobachtet, sondern der Sünde innerlich und äußerlich Raum läßt, der kann unmöglich zurecht kommen. Viele Menschen fangen zwar das Werk ihrer Bekehrung ernstlich an, sie bitten und flehen um Gnade, Gott erhört sie und schenkt ihnen so viel Gnade, als sie nur annehmen wollen.“ – Das ist die Aequivocation des Wortes Gnade, die ihn dazu (S. 139) verführt. – „sie laufen eine Zeit lang fein, Gal. 5,7.“; – Das sagt der Apostel von den Galatern, die schon bekehrt waren. – „aber sie wachen nicht ernstlich, nicht beständig genug, und da verlieren sie die Gnade wieder, die sie erlangt hatten, und der Feind nimmt das Herz von neuem ein. Es ist aber hiebei noch zu merken, daß dieses Wachen im Anfang der Bekehrung etwas schwer, aber, wenn man treu ist, nach und nach immer leichter wird, so daß man endlich zu einer so seligen Uebung und Fertigkeit darin kommt, daß man meint, man könne nicht anders, als beständig auf seiner Hut stehen. Weil es aber, wie gesagt, von Anfang etwas schwer damit hergeht, so trägt sich’s noch manchmal zu, daß die Anfänger in der Bekehrung allzu unvorsichtig werden, und bald innerlich, bald äußerlich von dem Feind Schaden leiden.“ – Alles wahr, wenn es nur nicht gesagt wäre von einem, der erst dadurch soll bekehrt werden. – „Geschieht nun dieses, so muß man deswegen nicht verzagen, sondern einen neuen Muth fassen, seine Zuflucht zu JEsu nehmen“, – Endlich kommt auch das! – „und um Vergebung dieser Unvorsichtigkeit, wie auch um die Gnade einer größeren Vorsichtigkeit von Herzen bitten. Beten und Wachen geht demnach in beständiger Abwechselung und Harmonie mit einander fort.“ Nun kommt die dritte Regel, daß man nämlich Gottes Wort auf die rechte Weise betrachten soll. Wir werden sehen, er redet nur von der Kraft des Wortes Gottes, das Herz des Menschen umzuwandeln. Er redet nicht, und es scheint, er weiß auch nichts von der collativen Kraft des Wortes Gottes, daß es nämlich nicht nur von der Rechtfertigung redet, sondern daß diese auch zugleich durch das Wort verliehen und mitgetheilt wird. Sobald das Wort sagt: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“, so wirkt es nicht nur in mir, daß ich das glaube, sondern es theilt mir auch diese Güter mit. Wir müssen einen, der uns predigt, so denken, als stünde der liebe Gott hinter ihm. Wenn der Prediger mir Trost zuspricht, so muß ich denken: „Das sagt ja Gott selbst zu dir.“ Wenn ich höre aus seinem Munde: „Deine Sünden sind dir vergeben“, da muß ich nicht nur denken: „Diese Worte stehen ja freilich in der Bibel, die muß ich mir zu nutze zu machen suchen“, sondern auch: „Durch diese Worte ertheilt dir Gott selbst Vergebung der Sünden.“ Aber diese Lehre war, leider! in der lutherischen Kirche auf lange Zeit untergegangen. Fresenius schreibt nun weiter: „Wer ein rechtes Verlangen hat, bekehrt zu werden, der muß das göttliche Wort auf die rechte Weise betrachten. Dieses geschieht sowohl, wenn man das Wort liest, als wenn man es hört. Man liest das Wort auf die rechte Weise, wenn man es (S. 140) in der guten Absicht thut, daß man durch dasselbe erleuchtet, und durch seine Kraft zu einem andern Menschen gemacht werde“; – Er sagt kein Wort davon, daß mit diesem Wort nicht nur geredet wird, sondern daß auch angeboten und geschenkt wird, und daß, wer es glaubt, es auch hat. Es theilt aus und gibt. Hier aber ist alles von dem Verhalten des Menschen abhängig gemacht. – „wenn man vor, während und nach dem Lesen um diese Gnade bittet; wenn man nicht zu viel auf einmal liest, sondern wenig, und bei einem jeden kräftigen Spruch stille steht, das Herz zu Gott erhebt, den Inhalt in einem kurzen Seufzer ihm vorträgt, und ihn bittet, daß er denselben kräftig in uns werden lasse.“ – Daß man wenig lesen soll, ist noch dazu ein bedenklicher Rath. Man soll ja zu Zeiten bei einzelnen Sprüchen stillestehen, aber ein wahrer Christ muß auch die ganze Bibel schnell durchlesen, daß er im Allgemeinen weiß, was der Inhalt ist. Dabei muß nebenher die stille Betrachtung des Wortes gehen. – „Sonderlich ist solchen Anfängern zu rathen, daß sie zuerst die vier Evangelisten auf diese Weise durchgehen, weil uns darin der HErr JEsus in seiner Gnade und in seinem Exempel am deutlichsten vor Augen gestellt wird, und nachher kann man es mit den übrigen Schriften des neuen Testaments, mit den Psalmen Davids und andern Büchern der heiligen Schrift, auch also machen. Was man darin nicht versteht, das übergeht man mit Ehrerbietigkeit, hält sich bei keinen Zweifeln auf, bleibt nur bei dem, was klar und deutlich ist, und lebt der gewissen Hoffnung, daß uns Gott auch von dem Uebrigen nach und nach so viel aufschließen werde, als wir nöthig haben. – Man hört das Wort auf die rechte Weise, wenn man solche Lehrer hört, die es in seiner Lauterkeit vortragen; wenn man dabei eben die gute Absicht hat, in welcher man es liest; wenn man vor, während und nach dem Hören um Gottes Kraft und Gnadenwirkungen bittet; wenn man es willig annimmt, und sonderlich auf das merkt, was eigentlich für unsern Zustand gehört; und wenn man es endlich bewahrt, in sich bewegt, und es dadurch desto tiefer in das Herz eindringen läßt.“ – Das ist alles ganz vortrefflich! Nur das Verkehrte ist, daß es von einem gesagt wird, der erst noch bekehrt werden soll. Das sind also die drei Regeln, die Fresenius solchen gibt, „die noch nicht bekehrt sind, die aber gerne bekehrt werden möchten“. Er gibt dann noch die Versicherung: „Wer diese drei Regeln in aller möglichen Treue ausübt, der wird in kurzer Zeit ein anderer Mensch werden, und die Gnade Gottes wird so kräftig in ihm wirken, daß er die Kennzeichen einer neuen Creatur in Christo immer deutlicher an sich wahrnehmen wird.“ Nun frage ich Sie: Wo steht ein solcher Rath in der heiligen Schrift? So oft die Apostel gepredigt haben und sobald die Zuhörer gefragt haben: (S. 141) „Was sollen wir thun, daß wir selig werden?“ so haben sie keine andere Antwort gegeben als diese: „Glaubet an den HErrn JEsum Christum.“ Das ist auch die einzig richtige Methode, die ein Prediger anwenden muß, wenn er die Leute zum Glauben, zur Gewißheit der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens bringen will. Dann darf er es auch nicht unterlassen, daß er es denen, die auf diesem rechten Weg zur Gewißheit der Vergebung ihrer Sünden und zur Gewißheit ihres Gnadenstandes gekommen sind, an das Herz legt, daß sie nun beten, kämpfen und ringen müssen und Gottes Wort allezeit recht gebrauchen. Denn daraus, daß die orthodoxen Lutheraner gegen diese Darstellung, gegen diese verkehrte Methode zeugen, darf man nicht nehmen, daß sie keine Freunde von wahrem, ernstem Christenthum wären, vom ernstlichen und unablässigen Gebet, von ernstlichem Kämpfen und steter Wachsamkeit. Nein, rechtschaffene Lutheraner sind darin ebenso eifrig, wie darin, daß sie niemand auf Umwegen zu Christo führen.