C. F. W. Walther (1811-1887):
Die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.
Sechzehnte Abendvorlesung. (30. Januar 1885.)
An keiner Lehre unsrer evangelisch-lutherischen Kirche nehmen die Reformirten einen größeren Anstoß, als an dieser Lehre, daß der Mensch durch nichts anderes, als durch das gläubige Vertrauen auf das geschriebene Wort, auf die Taufe, auf das heilige Abendmahl und auf die Absolution Gottes Gnade, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit vor Gott und die ewige Seligkeit erlangt. Wenn ein Reformirter das hört, namentlich ein sogenannter Theolog, so spricht er: „Welch ein mechanischer Weg in den Himmel! Was hilft denn der todte Buchstabe? Der Apostel Paulus sagt ja selbst: „Der Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig“!“ Was hilft“, spricht man ferner, „eine Taufe mit irdischem Wasser? Nein, die rechte Taufe ist die Taufe mit Feuer und Geist!“ Er spricht ferner: „Was hilft denn ein Mahl, bei welchem man den natürlichen Leib und das natürliche Blut Christi ißt und trinkt?“ „Nein“, spricht man, „die rechte Speise, durch welche wirklich der Seelenhunger, und der rechte Trank, durch welchen wirklich der Seelendurst gestillt wird, ist die vom Himmel herabgekommene Wahrheit.“ Man spricht ferner: „Was soll mir denn das helfen, wenn ein sterblicher, sündiger, nicht in das Herz sehender Mensch zu mir spricht: „Dir sind deine Sünden vergeben“?“ „Nein“, sagt man, „dann erst sind mir die Sünden vergeben, wenn Gott (S. 142) selbst diese Worte in meinem Herzen spricht und sie mich fühlen läßt.“ So urtheilt der Reformirte. Stimmt das mit der Schrift? Nimmermehr! Nach der heiligen Schrift ist der Buchstabe der Schrift nicht etwas Todtes. Wohl sagt der Apostel Paulus 2 Cor. 3,6.: „Der Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig“, aber erstlich meint er nicht, wie der Zusammenhang lehrt, damit das Wort Gottes an sich, sondern das Gesetz; das tödtet. Der Geist aber oder das Evangelium macht lebendig. Dazu kommt noch, daß, wenn der Apostel sagt: „Der Buchstabe tödtet“, der Buchstabe selbst nicht todt sein kann, denn ein Todter kann mich nicht tödten. – Nach der heiligen Schrift ist die Taufe nicht nur ein bloßes Bad mit irdischem Wasser, sondern mit derselben ist der Geist Gottes verbunden; ja, JEsus ist da mit seinem Blut, um mich rein zu waschen von meinen Sünden. Darum auch Ananias zu Saulus sagt, Apost. 22,16.: „Laß dich taufen und abwaschen deine Sünden.“ Und Christus spricht zu Nicodemus, Joh. 3,5.: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sei denn, daß jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Zuerst nennt er das Wasser und dann den Geist, denn durch die Wassertaufe soll mir eben der Geist gegeben werden. Und der Apostel sagt klar und deutlich, Gal. 3,27.: „Wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen“, und im Brief an Titus, Tit. 3,5-7.: „Gott hat uns selig gemacht durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch JEsum Christum, unsern Heiland; auf daß wir durch desselbigen Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens, nach der Hoffnung; das ist je gewißlich wahr.“ – Nach der Schrift ist auch das heilige Abendmahl nicht ein irdisches, sondern ein himmlisches Mahl auf Erden, in welchem uns eben nicht nur Brod und Wein gegeben wird, auch nicht nur Christi Leib und Blut, sondern mit demselben wird uns angeboten und versiegelt Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Denn Christus, indem er das gesegnete Brod austheilt, spricht: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; solches thut zu meinem Gedächtnis.“ „Für euch“, sagt er, damit will er seine Jünger daran erinnern: „Bedenket wohl, den Leib sollt ihr jetzt bekommen und genießen, durch dessen bittern Tod am Kreuz die ganze Welt erlöst ist. Solltet ihr da nicht fröhlich jauchzen und jubiliren, wenn dieses Lösegeld für aller Welt Sünde euch, so zu sagen, in den Mund gegeben wird?“ Wenn Christus seinen Jüngern den gesegneten Kelch darreicht, spricht er: „Das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ „Für euch vergossen!“ Wozu setzt er das hinzu? Er will sagen: „Indem du das Blut der Ver- (S. 143) söhnung bekommst in diesem heiligen Mahle, bekommst du zugleich das, was durch dieses Opfer am Kreuz erworben worden ist.“ – Und endlich, nach der heiligen Schrift ist die Absolution eines armen Predigers nicht seine Absolution, sondern die Absolution JEsu Christi selbst, denn er absolvirt auf Christi Befehl, an Christi Statt, in Christi Namen. Denn Christus spricht zu den Jüngern: „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Was will er damit sagen? Nichts anderes als dies: „Ich bin vom Vater gesandt. Wenn ich zu euch rede, so sind das meines Vaters Worte. Ihr müßt mich nicht ansehen in dieser geringen Gestalt, in der ihr mich seht. Ich komme in dem Namen des Vaters, anstatt des Vaters, und mein Verheißungswort, das aus meinem Munde geht, ist das Wort meines Vaters. Ebenso, wie mich nun mein Vater gesandt hat, so sende ich euch. Auch ihr sollt in meinem Namen, an meiner Statt reden.“ Darum ruft er ihnen weiter zu: „Nehmet hin den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Sie sehen da, wie geringschätzig, wie verächtlich, wie wegwerfend redet der Reformirte von den heiligen Gnadenmitteln des Worts und Sacraments, und wie groß, wie majestätisch redet der HErr davon und die Apostel! Wer hat nun wohl recht? Christus oder der Reformirte? Die heiligen Apostel oder die Prediger der reformirten Kirche? Ich würde mich schämen, darauf eine Antwort zu geben! Sie wissen alle, was darauf zu antworten ist. – Der wahre Grund aber, warum der Reformirte so urtheilt, ist dieser: Er weiß nicht, wie ein Mensch zum Besitz der Gnade, der Vergebung der Sünden, der Gerechtigkeit vor Gott und zur ewigen Seligkeit kommen soll. Er zeigt einen andern Weg; er will von den Mitteln nichts wissen, die Gott gegeben hat; er hat sich selbst neue Maßregeln ausgesonnen. Davon haben wir uns schon in den letzten Abendstunden überzeugt. Gebe nun der HErr seinen Heiligen Geist, daß wir heute in dieser Ueberzeugung gestärkt und befestigt werden und dann fröhlich werden in unserm Glauben. Die neunte Thesis ist eine der allerwichtigsten; denn darin besteht eben die Vermischung des Gesetzes und des Evangeliums bei den Secten, daß sie, anstatt den erschrockenen Sünder auf Wort und Sacramente zu weisen, ihn anweisen, durch Beten und Kämpfen sich den Gnadenstand zu erringen, bis er die Gnade fühle. Das sieht ja freilich recht fromm, recht christlich aus, und wer keine Erfahrung hat, der läßt sich leicht täuschen. Aber wir haben, Gott Lob! ein Wort, das täuscht uns nicht, dem können wir trauen, bei dem können wir in der Finsterniß bleiben, das ist unsere Leuchte. Wenn der Tod kommt und spricht: „Komm mit!“ – und wir (S. 144) fühlen nichts – so können wir getrost sein und ihm folgen und sagen: Getrost will ich mitgehen! Gott Lob! daß ich aus diesem schrecklichen Gefängniß heraus soll! Da ist kein Zweifel, ich komme vor den Thron eines gnädigen Gottes. Warum? Nicht weil ich fühle, nicht weil ich gute Werke gethan habe, nicht weil ich mich gebessert habe – nein, das wäre lauter Sandgrund, denn es ist leicht möglich, daß, wenn der Tod kommt, mich diese süßen Gefühle verlassen – aber wer gewohnt ist, sich auf das Wort zu verlassen, der hat dann einen guten Stab, dessen der Mensch bedarf, wenn er durch das finstere Thal des Todes hindurch muß. O, möge Sie der liebe Gott damit ausrüsten, damit Sie, wenn Sie einst ins Predigtamt kommen, nicht nur Luftstreiche machen, sondern wissen: „Das ist das Wort des ewigen, lebendigen Gottes, und die Teufel in der Hölle sollen mir dazu nicht „Nein“ sagen.“ Da heißt es: „Schweigt, wenn der HErr redet! Denn er ist der HErr über alles, dem muß sich alles unterwerfen.“ Bisher habe ich Ihnen selbst so gut, wie ich es vermochte, diese Lehre dargelegt, wie sich dieselbe in der heiligen Schrift findet. Heute wollen wir sehen, was unsere Bekenntnisse sagen, damit Sie sehen: das ist nicht meine Privatansicht, sondern die Lehre unserer theuren lutherischen Kirche. Doch hören wir zuerst ein Zeugniß von Zwingli für die reformirte Lehre. Denn er ist der Großvater aller reformirten Kirchen. Dem Anschein nach hat er nicht so großen Einfluß gehabt, wie Calvin, aber er hat den Grund gelegt zur reformirten Kirche, und dann hat ihn Gott ganz plötzlich aus der Welt der Lebendigen herausgeholt. Calvin hat dann an der groben Arbeit Zwinglis herumgefeilt, hat die Sache fein gemacht und dadurch die Engländer und Franzosen gewonnen, während er unter dem deutschen Volke nicht viel ausgerichtet hat. Zwinglis Lehre ist aber die Quelle, aus welcher alle die falschen Lehren der reformirten Kirchen geflossen sind. Wie spricht er sich nun aus über das Verhältniß der Gnadenmittel zum Glauben? Die meisten von Ihnen wissen: Im Jahre 1530 wollten die Zwinglianer auch mit in Augsburg bekennen, aber es wurde ihnen von den Lutheranern die Genossenschaft versagt. So schrieb denn Zwingli selbst eine sogenannte Augsburgische Confession und sandte sie an den Kaiser. Das Schrecklichste hierbei ist: Erst ein halbes Jahr vorher hatte er das directe Gegentheil gelehrt. Nämlich 1529, im Spätherbst, Unterschrieb er auf dem Colloquium zu Marburg unter anderm Folgendes: „Zum achten haben sich die Theologen dahin verglichen, daß der Heilige Geist . . . niemand den Glauben gibt ohne vorhergehende mündliche Predigt, sondern durch und mit dem Wort schafft und wirkt er den Glauben, wie, wo und (S. 145) bei welchem er will. Zum neunten, daß die heilige Taufe ein Sakrament ist, wodurch der Mensch wiedergeboren wird.“ Also die reine, klare, lutherische Lehre legte Luther den Zwinglianern und Zwingli selbst vor, und sie nahmen dieselbe an, denn sie wollten sich gar zu gern mit den Wittenbergern verbinden. Mit Thränen stand Zwingli vor Luther, reichte ihm die Hand und bat ihn um die Bruderschaft. Da ging er denn so weit, wie er gehen zu können meinte und sagte: „Durch das mündliche Wort wird der Glaube erzeugt, durch die Taufe wird der Mensch wiedergeboren.“ Und ein halbes Jahr nachher verleugnet er das alles wieder. So schreibt er nämlich in seiner Confession: „Siebentes glaube ich und weiß, daß alle Sacramente so gar die Gnade nicht ertheilen, daß sie sie nicht einmal reichen oder vorhalten.“ – Und hier in Marburg hatte er das Gegentheil unterschrieben und die Hand darauf gegeben: das sei auch sein Bekenntniß! – „Worinnen ich Euch vielleicht, großmächtigster Kaiser, allzufrei herauszureden scheinen möchte. Es bleibt aber dabei. Denn die Gnade wird vom Heiligen Geist gewirkt und gegeben (ich rede aber lateinisch, wenn ich das Wort Gnade brauche, und verstehe es für Verzeihung, Güte und Wohlthat, ohne Verdienst und Lohn), und daher kommt diese Gabe allein dem Geiste zu.“ – Er will sagen: „Darum hilft Predigt, Taufe und Abendmahl nichts; das sind leere Zeichen.“ – „Der Geist aber braucht kein Geleit oder Wagen, denn er ist selbst die Kraft und Fuhre, dadurch alles geführt wird, braucht nicht, daß er geführt werde.“ – Wie gemein redet er von diesen heiligen Sachen! Wenn der Heilige Geist also will zu dem Menschen kommen, so braucht er kein Wort Gottes, kein Evangelium, keine Taufe, kein Abendmahl! Das kann er selbst thun, er braucht sich nicht fahren zu lassen! – „Wir lesen auch dergleichen nie in heiliger Schrift“, – Was der wohl für eine Bibel gehabt hat! – „daß äußerliche Dinge, dergleichen die Sacramente sind, den Geist gewiß mit sich bringen, sondern wenn je äußerliche Dinge mit dem Geist daher gefahren, so ist es der Geist gewesen, der es bracht hat, nicht die äußerlichen Dinge.“ – Er schiebt das Wort „gewiß“ ein; das ist zweideutig. Die Gnadenmittel bringen die Gnade wirklich, aber nicht so, daß sie den Menschen zwingen. Wer getauft wird, zu dem spricht Gott: „Ich will dein Gott sein und du sollst unter meiner Gnade und Gunst stehen.“ Nimmt das der Mensch nicht an, so hat er die Gnade nicht; aber das kommt nicht daher, daß sie nicht da wäre, sondern weil der Mensch sie verachtet. Und die ganze Schrift ist ja voll davon, daß Wort und Sacramente wirklich den Heiligen Geist bringen. Z.B. Apost. 10,44.: „Da Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhöreten.“ Da wird (S. 146) ja dem Wort zugeschrieben, daß mit ihm der Heilige Geist komme. Und was die Taufe betrifft, so haben Sie ja gehört, daß Ströme des Heiligen Geistes ausgegossen werden mit der Taufe – „Also, da ein heftiger Wind herfuhr, kamen zugleich die Sprachen mit, durch Kraft des Windes, nicht aber ward der Wind durch Kraft der Sprachen getragen. So brachte der Wind Wachteln, und raffte die Heuschrecken weg; nie aber sind Wachteln oder Heuschrecken so leicht und flüchtig gewesen, daß sie den Wind gebracht. Also, da ein so großer Wind, daß er auch Berge wegführen konnte, bei Elia vorüberging, war doch der HErr nicht in dem Winde. Kurz: „Der Geist (Wind) bläset, wo er will“, das ist, bläset dermaßen, wie es seine Art ist, „und seine Stimme hörest du zwar, aber du weißt nicht, wo er herkommt und wo er stille wird. So ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren wird; das ist, auf unsichtbare und unvermerkte Art erleuchtet und gezogen wird. Die Wahrheit hat das geredet; wird also die Gnade des Geistes nicht durch dies Untertauchen“ – so nennt er die Taufe – „oder jenen Trank“ – er meint das heilige Abendmahl – „oder Salbung herbeigebracht.“ – Weil er mit dem römischen Kaiser redet, so erinnert er an die letzte Oelung. Aber wer hat denn unter den Lutheranern dieselbe für ein Sacrament gehalten? Das war nur eine temporäre Ceremonie, die nur zur Apostelzeit gebraucht wurde. – „Denn wenn das wäre, so wüßte man, wie, wo, wohin oder worauf der Geist käme. Denn wenn die Anwesenheit und Kraft der Gnade an die Sacramente gebunden ist, so wirken sie da, wohin sie gebracht werden; und wo sie nicht hinkommen, so wird alles matt und elend. Und müssen hier die Theologi nicht von der Materie oder Person schwatzen, die sie empfähet, daß solche nämlich in guter Verfassung sein müsse, das ist, daß die Gnade der Taufe oder des Abendmahls (so reden sie) dem gegeben werde, der erst dazu geschickt sei. Denn der, welcher solche Gnade durch die Sacramente empfähet (wie sie wollen), macht sich entweder selbst geschickt dazu, oder wird vom Geist bereitet. Wo er es selbst thut, so vermögen wir auch von uns selbst etwas, und ist die vorkommende Gnade nichts. Wenn er aber vom Geist zu Empfahung der Gnade bereitet wird, so frage ich: ob es auch geschehe unter dem Geleit eines Sacraments, oder außer dem Sacrament? Wo es geschieht mittels eines Sacraments, so wird der Mensch durchs Sacrament zum Sacrament bereitet, und wird das immer unendlich so hinausgehen, daß immer zur Vorbereitung des Sacraments ein Sacrament nöthig sei. Wo er aber ohne Sacrament zur Empfahung der Sacramentgnade bereitet wird, so ist ja der Geist mit seiner Gnade auch vor dem Sacrament da, und ist also Gnade geschehen und gegenwärtig, ehe das Sacrament kommt. Dar- (S. 147) aus man den Schluß macht (welches ich in dem Sacramenthandel gerne gestehe und zulasse), daß die Sacramente zum öffentlichen Zeugniß derjenigen Gnade, welche bei einer jeden einzelnen Person schon vorher da ist, gegeben werde.“ – Merken Sie sich das! Nach Zwinglis Lehre gilt die Taufe eben nichts, denn der Geist braucht ja keine Fuhre! – „Also nimmt die Kirche durch die Taufe denjenigen auf, der erst durch die Gnade aufgenommen ist. Bringt also die Taufe keine Gnade, sondern bezeugt nur der Kirche, daß sie der, welchem sie gegeben wird, schon empfangen habe. . . . Zehntens. Ich glaube, daß das Amt der Weissagung oder Predigt heilig sei, weil es vor allen andern Aemtern höchst nöthig ist. Denn wenn man canonisch oder recht richtig reden will, so sehen wir, daß die äußerliche Predigt der Apostel und Evangelisten oder Bischöfe bei allen Völkern vor dem Glauben hergegangen“, – dies kann er nicht leugnen, darum erwähnt er das. Er denkt: „Dann kann es mir nicht vorgehalten werden“, – „welchen wir doch dem Geist allein zuschreiben. Denn wir sehen, leider! gar viele, welche zwar die äußerliche Predigt des Evangelii hören, aber doch nicht glauben, weil es am Geist fehlt.“ – Da sehen Sie den Schwärmer. Aus dieser Lehre mußte Schwärmerei herauswachsen. Und sie ist auch wirklich hervorgekommen. Das sehen wir hier in America am besten. Hier ist die Geisterei überall. – „Wo dennoch Propheten, das ist, Prediger des Worts, hingeschickt werden, da ist es ein Zeichen der Gnade Gottes, weil er seinen Auserwählten die Erkenntniß seiner selbst offenbaren will“ – Da schaut wieder seine absolute Prädestinationslehre heraus. Er will sagen: „Wenn das Wort gepredigt wird und es dabei so viele unbekehrte Leute gibt, so kommt das nicht daher, daß das Wort seine Kraft nicht geäußert hätte, sondern weil in diesem Wort gar keine Kraft ist. Der Geist muß es thun. Wenn der liebe Gott predigen läßt, so thut er es nur darum, weil er die Auserwählten bekehren will. Darum wendet er seinen Geist nur bei denen an, den andern nimmt er ihn.“ Das ist ein Zeugniß dafür, wie die reformirte Kirche lehrt von dem Verhältniß der Gnadenmittel zur Gnade, Gerechtigkeit und Seligkeit. Nun hören Sie einige Zeugnisse aus unsern symbolischen Büchern! Schmalkaldische Artikel, P. III, Art. VIII. §10 (Müller, S. 322): „Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will mit uns Menschen handeln, denn durch sein äußerlich Wort und Sacrament. Alles aber, was ohne solch Wort und Sacrament vom Geist gerühmet wird, das ist der Teufel.“ – Der Geist kommt nur durch das Wort. Es (S. 148) kann einer wohl meinen, er sei voll Geistes, daß er möchte zerspringen, aber das ist sein eigener Geist, der Schwarmgeist. Der wahre Geist wird nur durch das Wort Gottes erlangt. Nur durch Wort und Sacrament will Gott mit uns handeln. Das sehen wir aus allen Stellen der heiligen Schrift, wo uns erzählt wird, daß Leute bekehrt wurden. Apologie, Art. IV, § 68 (Müller, S. 99): „Nu kann man mit Gott doch je nicht handeln, so läßt sich Gott nicht erkennen, suchen noch fassen, denn allein im Wort und durchs Wort, wie Paulus spricht: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes allen, die daran gläuben. Item zu den Römern am 10.: Der Glaube ist aus dem Gehör. Und aus dem allein sollt je klar genug sein, daß wir allein durch den Glauben für Gott fromm werden. Denn so wir allein durchs Wort Gottes zu Gott kommen und gerecht werden, und das Wort kann niemands fassen, denn durch den Glauben, so folget, daß der Glaub gerecht macht.“ – Das ist ein sehr wichtiges Wort! Denn dasselbe bezeugt uns: Alle diejenigen, welche von den Gnadenmitteln nichts halten, die glauben nicht von Herzen, daß der Mensch allein aus Gnaden selig wird. Denn was ist eben der Einwurf den sie erheben? Sie sagen: „Was? Soll durch den bloßen Gebrauch des Buchstabens, des Worts, der Taufe, des Abendmahls, der Absolution der Mensch zur Vergebung der Sünden kommen? Das wäre doch zu leicht!“ Ja, um alles in der Welt, wenn wir aus lauter Gnade selig werden, soll es dann erst recht schwer sein, wenn es wirklich Gnade sein soll? Gerade deswegen, weil wir aus Gnaden selig werden, muß es Gott so eingerichtet haben, daß wir weiter nichts bedürfen als ein Mittel, mit welchem uns Gott darreicht Vergebung der Sünden, Gnade und Seligkeit. Gott sagt mir: „Glaube nur!“ das ist: „Nimm an, traue mir nur! Es ist Wahrheit, was ich dir sage! Komm nur! ergreife, was ich dir gebe, und nimm es an!“ Wenn mir das Evangelium gepredigt wird, so soll ich glauben: Gott ist es, der durch diesen Menschen mir diese frohe Botschaft bringt, und er sagt mir zugleich: „Was mühst du dich denn mit deinen Werken ab? Christus hat alles erworben! Glaube nur, es ist alles dein! Ich lüge nicht!“ So spricht Gott. Was aber vom Worte Gottes gilt, das gilt natürlich auch von den Sacramenten; denn die sind auch Gnadenmittel. Die sind das sichtbare Wort. Das Wort Gottes, das Evangelium ist nur hörbar, aber die Sacramente sind auch zugleich sichtbar, denn es sind Handlungen, mit sinnlichen Dingen verbunden. Darum ist es eine ganz greuliche Irrlehre – in unserer Zeit sind es besonders die modern Gläubigen, die dies sagen – daß das Wort seine besondere Kraft habe. Die Taufe sei eine besondere Arzenei für andere (S. 149) Krankheiten, und das Abendmahl wieder für andere Schäden. Aber das sind lose, menschliche Speculationen, von denen die Schrift kein Wort weiß. Hören Sie, wie unser Bekenntniß sich darüber ausspricht. Apologie, Art. XIII, § 5 (Müller, S. 202): „Wie aber das Wort in die Ohren gehet, also ist das äußerliche Zeichen für die Augen gestellet, als inwendig das Herz zu reizen und zu bewegen zum Glauben.“ Denn das Wort und äußerliche Zeichen wirken einerlei im Herzen, wie Augustinus ein sein Wort geredt hat. Das Sacrament, sagt er, ist ein sichtlich Wort. Denn das äußerliche Zeichen ist ein Gemälde, dadurch dasselbige bedeutet wird, das durchs Wort gepredigt wird; darum richtet beides einerlei aus.“ – Das ist ein wichtiges Stück! Denn ich kann jemand, der hören kann, das Evangelium verkündigen durch Worte. Ist er aber taub, so kann ich ihn nicht unterrichten durch Worte. Da nehme ich ein Bild her, worauf abgemalt ist die Kreuzigung Christi, die Geburt Christi mit den Engeln, die vom Himmel kommen. Dann kann ich durch allerlei Pantomimen das auslegen und aus dem Bild darüber unterrichten, und – wenn er auch kein einziges Wort versteht. Und so ist es auch mit den Sacramenten. Die stellen das gleichsam im Bilde dar, was das Wort hörbar uns verkündigt. „Die Sacramente sind das sichtbare Wort.“ Dieses herrliche Axiom haben wir von Augustin. Wer darum so geringschätzig und wegwerfend von den Sacramenten redet, der redet dasselbe gegen das Wort, der achtet nicht, welch furchtbare Schuld er auf sich ladet, der verspottet Gott, macht ihn zu einem elenden Ceremonienmeister, der allerlei Pantomimen uns vorgeschrieben hat, um nur unsern Gehorsam zu üben. Nein, mit einem solch elenden Ding läßt er sich nicht ein, da die Zeit der Schatten und Vorbilder vorüber ist. Der Körper selbst und das Wesen der Güter ist da. Die Zeit des alten Testaments ist verschwunden. Luther schreibt (W. VI. 438) zu Jes. 20,2.: „Gleichwie der Heilige Geist durch das Wort wirket, also wirket er auch durch die Zeichen, welche, so zu reden, nichts anderes sind, als das wirkliche Wort, da dasjenige durch die Sache ausgedrückt wird, was der Laut der Worte zu verstehen gibt. Und wie das Wort niemals vergeblich ist, also können auch die Zeichen nicht ohne Frucht sein. Also sind die Taufe und des HErrn Abendmahl Zeichen, durch welche der Glaube aufgerichtet und gestärket wird.“ – Aus dieser Stelle sehen wir auch, daß das nicht Lehre unserer Kirche ist, daß wir durch das bloße Anhören zum Glauben und zur Gnade gebracht werden, oder dadurch, daß wir uns in das Wasser tauchen und wieder herausziehen lassen. Ach nein, dann würden wir ja durch Werke selig! Nein, es kommt darauf an, daß wir durch diese heilige Meditation (S. 150) uns sagen: „Das ist die Stimme meines Gottes an mich!“ Denn ohne Glauben sich taufen lassen, hilft nichts, und wenn wir uns alle Tage zehnmal taufen lassen. Ohne Glauben hilft uns das Abendmahl nichts, und wenn wir es alle Tage genießen. Ja, um so schrecklicher würde unsere Verblendung, um so größer unsere Verhärtung, um so dichter unsere Finsterniß, um so tiefer unsere geistliche Verstockung, um so schwerer unsere Verdammniß sein. Nein, wenn das Wort und die Sacramente wirken, so wirken sie so, indem sie in uns den Glauben aufrichten, welcher dann die Güter herausnimmt. Das ist die Lehre unserer Kirche. Nun noch eine Stelle aus Luther, die im Allgemeinen von diesem Gegenstand handelt. Zu 5 Mos. 4,28. schreibt er (W. III, 2500 ff.) davon. Diese Predigt ist vor dem Marburger Colloquium gehalten worden. Da redet Luther gegen die Schwärmer, gegen die Zwinglianer, gegen die Wiedertäufer. Zwingli war ein solcher Schwärmer. Denn obgleich Zwingli ein halbes Jahr später Luthers Lehre zugab, so sehen wir: wieder ein halbes Jahr später hat er alles widerrufen, und zwar feierlich vor dem Kaiser. Er wünschte, der Kaiser möchte seine Confession in der öffentlichen Versammlung des Reichstags vorlesen lassen. Doch geschah dies nicht und erst nach Zwinglis Tode ist dies Bekenntniß offenbar geworden durch seinen Schwiegersohn. Der glaubte seinem Schwiegervater dieses Denkmal noch setzen zu müssen, aber es war freilich ein schlechtes. – Diese Predigt Luthers wurde also 1529 gehalten. In der Chronologie darf man sich ja nicht versehen! In demselben Jahr hat Zwingli mitbekannt. Da könnte man denken: „Der Luther hat doch dem Zwingli bitteres Unrecht gethan!“ Aber nein, damals hatte Zwingli sich noch nicht dazu bekannt, und darum redet Luther so. Luther schreibt also: “Sehet, was thun unsere neuen Rotten und Schwärmer anders, denn daß sie die Leute auf die Werke führen?“ – Wenn sie auch nicht sagen: „Du mußt den Armen so und so viel geben, oder du mußt deinem Feind verzeihen, dann verdienst du dir den Himmel“, wenn sie nur sagen: „Das ist zu wenig verlangt, daß ein Mensch die frohe Botschaft des Evangeliums annimmt!“ dann kann ich sagen: „Du bist freilich kein Christ, denn ein Christ ist der, welcher glaubt, daß er aus Gnaden selig wird.“ Wenn einer schon ein Christ ist, dann sage ich ihm: „Nun geht die Arbeit und der Kampf an!“ denn er hat schon den Glauben. Da muß ich ihm dies sagen, nicht, daß er dadurch in den Himmel komme, denn du mußt erst in den Himmel kommen auf Erden, ehe du kämpfen und ringen kannst. – „Die Wiedertäufer, was thun sie, was lehren sie? Sie sagen, die Taufe sei nichts“; – die Schwärmer haben sich um der Taufe willen getrennt, und sagen doch: „Die Taufe ist nichts; sie ist nur ein Werk des (S. 151) Gehorsams, das der Mensch leisten muß.“ Und sie sind frech genug und sagen: „Es gebührt uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ So vergleichen sie sich mit dem HErrn Christo. Wenn sie sich taufen lassen, dann sind sie so gütig, daß sie dem lieben Gott diesen Gefallen thun. Das lehren sie heute noch; das habe ich selbst erfahren, habe es auch gelesen – „nehmen aus der Taufe rein hinweg die Gnade, daß keine Gnade und Barmherzigkeit Gottes, keine Vergebung der Sünden drinnen sei; sondern nur ein Zeichen, daß du fromm seist, und du mußt zuvor fromm sein, ehe du getauft wirst etc., oder die Taufe sei ein Zeichen, daß du dieselbige Frömmigkeit habest.“ – Also vorher mußt du freilich Gnade erlangen, dann bekommst du die Taufe zu einem Zeichen, daß du sie schon habest! Es ist ganz erschrecklich! – „Sie sondern die Gnade ab von der Taufe und lassen nur da ein bloß äußerlich Zeichen; da ist kein Fünklein der Gnade, sondern sie ist gar herausgeschnitten. Wenn also die Gnade Christi aus der Taufe hinweg ist, so bleibet ein pur Werk.“ – Dann ist die Taufe weiter nichts als ein Werk, das wir leisten. – „Also im Sacrament des Abendmahls des HErrn nehmen die Schwärmer heraus die Verheißung, die uns angeboten wird; sagen, es ist Brod und Wein, wenn du es issest oder trinkest. Da ist die Gnade, so uns darin angeboten wird, auch hinweg geschnitten und verleugnet. Denn so lehren sie: „Du thust ein gut Werk daran, wenn du allein Christum bekennest, und wenn du das Brod und Wein nur issest und trinkest im Abendmahl, so muß da keine Gnade sein.“ – Sie sagen: „Du thust ein gutes Werk, daß du durch deine Theilnahme an dem heiligen Abendmahl Christum bekennst; aber Gnade mußt du mitbringen.““ – „Also gehet es, wenn einer von dem ersten Gebot abfällt, der richtet bald einen Abgott und ein Werk an, darauf er trauet. Darum sagt Moses: Lieben Kinder, sehet euch wohl für, bleibet bei Gott, dem folget nach, sonst ist euch Abgötterei unvermeidlich, ihr müsset in Abgötterei gerathen, ihr könnet es euch nicht erwehren; denn die Gnade wird allezeit vom Teufel angefochten, es kann keine Ketzerei die Gnade Gottes leiden.“ –– Dieses letzte Wort ist ein wichtiges Axiom! So oft eine Ketzerei aufgekommen ist, so hatte sie diesen Grund: man konnte durchaus nicht glauben, daß der Mensch allein aus Gnaden vor Gott gerecht und selig wird. Das ist der eigentliche Stein des Anstoßes, an welchem alle Ketzer, alle falschen Lehrer sich den Kopf zerstoßen. Aber es hilft nichts, entweder du mußt das glauben, oder du magst sehen, wo du hinfährst. Denn nachdem der große Gott vom Himmel gekommen ist, so darf ich das nicht für eine kleine Sache halten. Aber soll ich denn da nichts hinzuthun, damit es vollkommen wird? Nein, du sollst als ein armer Sünder vor Gott hinfallen, (S. 152) wie jener Aussätzige, und Gott loben und preisen für seine große Gnade. Dann wirst du merken, daß es mit der Geisterei nichts ist! Nun wirst du den Geist Gottes bekommen, du wirst brünstig werden von der Liebe zu Gott, du wirst merken, daß das kein mechanischer Weg ist, in den Himmel zu kommen, sondern der allergeistlichste Weg, den es geben kann. Dieser Geist ist dann keine Täuschung. Geist und Leben kommt aus dem Wort Gottes. – „Die Schwärmer heutiges Tages treiben auch alle das erste Gebot, sagen: Wir verkündigen auch Gnade und Barmherzigkeit durch Christum und verwerfen nicht den Artikel des ersten Gebotes, und sagen, ich, Lutherus, lüge sie an. Aber siehe ihnen darauf: sie bekennen den gestorbenen Christum, der am Kreuz gehangen und uns selig gemachet, das ist wahr; aber sie leugnen das, wodurch wir ihn bekommen, das ist, das Mittel, den Weg, die Brücke und Steig, den brechen sie ein.“ – Das ist die Hauptsache! Was hilft es mir, wenn mir jemand sagt: „Es gibt einen köstlichen Schatz. Hole dir ihn doch! Du brauchst ihn nur wegzunehmen“, sagt mir aber nicht, wo er ist, welchen Weg ich einschlagen soll, welches Mittel ich anwenden soll, um ihn zu erlangen? Dann sage ich: „Bleib mir weg mit dem Geschwätz von deinem großen Schatz!“ So schwätzen die Schwärmer viel von dem großen Schatz, der in der christlichen Religion liegt. Wenn ich aber frage, wie ich ihn erlange, da sagen sie mir nicht, wo ich ihn finde. Mit Recht heißt es in jenem Kirchenlied:
„Dein Wort, dein Tauf und dein Nachtmahl
Tröst mich in diesem Jammerthal,
Da liegt mein Schatz begraben.“
Wer ihn da nicht holt, der holt kein Gold, wenn es auch aussieht, wie Gold; es ist nur Flittergold. Ach, könnte ich es doch in Ihr Herz hineinschreiben, daß Sie es nicht nur an Ihren Ohren vorübergehen lassen, sondern daß es in Ihnen doch Kraft und Leben wird! Was würden Sie dann für Zeugen werden, und nicht wie die Schwärmer Gottes Gnade in Christo verleugnen! – „Die Juden glauben auch, daß ein Gott sei, aber den Weg, wie man zu Gott komme, nämlich durch Christum, durch Christi Menschheit, verleugnen sie. Der Türke bekennt auch Gott, aber verleugnet den Weg, das Mittel, die Brücke, darauf man zu Gott kommt, das ist, die Gnade Gottes; Christum wollen sie nicht haben, auch keine Sacramente, dadurch man zu der Gnade kommt. Es ist gleich und gehet mit ihnen, als wenn ich einem predigte: Da habe ich einen Schatz; und hielt ihm doch den Schatz nicht vor die Nase, gäbe ihm auch nicht die Schlüssel dazu; was hülfe ihm dieser Schatz? Sie schließen uns den (S. 153) Schatz zu, den sie uns sollten vor die Nase stellen, und führen mich auf den Affenschwanz.“ – Wenn einer sich wollte fest gründen und er träte auf einen Affenschwanz, da würde er sehen, aus was für einem elenden Grund er stehe, wenn er den Affen auf einmal oben in den Zweigen sieht! – „Den Zutritt und die Ueberreichung, den Brauch und Besitzung des Schatzes weigert und nimmt man mir. Sagen darum die Schwärmer auch viel von Gott, von Vergebung der Sünden und der Gnade Gottes, auch daß Christus gestorben sei: aber wie ich Christum erlange und wie die Gnade zu mir kommet, daß ich sie kriege, daß wir zusammenkommen, da sagen sie: der Geist muß es alleine thun; führen mich auf den Affenschwanz: sagen, das äußerliche und mündliche Wort, die Taufe und Sacrament sei kein nütze, und predigen doch von der Gnade. Das heißet mir den Schatz verkündigen und fein davon sagen; aber den Schlüssel und die Brücke weggenommen, darauf ich zum Schatze kommen soll. Nun hat es Gott also geordnet, daß dieser Schatz durch die Taufe, das Sacrament des Abendmahls und äußerliche Wort uns gegeben und dargereichet wird. Denn das sind die Mittel und Instrumente, dadurch wir zu Gottes Gnade kommen. Das verleugnen sie.“ – Ich muß Ihnen bekennen: Das hat mich lange gequält. Wenn ich das las, war es mir auch zu einfach, als ich Student war. Ich dachte: „Nein, das kann doch der rechte Weg nicht sein!“ bis ich dann endlich in große Angst und Noth kam; da merkte ich: „Das ist der einzige Weg!“ Und seitdem bin ich durch Gottes große Gnade dabei geblieben. Durch Gottes Gnade; denn niemand kann aus eigener Kraft dazu kommen und sich dabei erhalten. Wir sind alle von Natur geneigter, den Irrweg einzuschlagen, nur nicht den wahren Weg. Aber schließlich werden auch die, welche unter den Secten aus Gott sind, wenigstens in der Todesstunde umkehren, wenn sie auch nicht denken: „Jetzt will ich lutherisch werden“ – denn darauf kommt es nicht an; ich kann lutherisch heißen und zum Teufel fahren – aber ohne daß sie es recht wissen, werfen sie alles weg, worauf sie sich verlassen hatten, und werfen sich hingegen auf Gottes Barmherzigkeit Daß selbst im Pabstthum noch viele selig werden, das kommt daher, daß sie schließlich alles über Bord werfen und nur an Gottes Barmherzigkeit festhalten. Gottes Güte und Gnade ist wunderbar. Wenn einer auch achtzig Jahre lang die Gnade verachtet hätte, wenn er auch beladen wäre mit Millionen von Sünden, mit scheußlichen Sünden, und er bricht zusammen und ruft: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ so nimmt Gott auch ihn noch an. Aber damit darf nicht Muthwillen getrieben werden, daß einer nun denkt: „Nun, dann sündigst du getrost weiter, und in der letzten Stunde sagst du noch wie der Zöllner: „Gott, (S. 154) sei mir Sünder gnädig!““ Wer so denkt, der ist auf dem Weg zur Verstockung, und die Folge kann sein, daß Gott ihn plötzlich dahinreißt, daß er auch nicht einen gottseligen Gedanken fassen kann, und ist nun plötzlich so in der Ewigkeit vor Gottes Richterstuhl! – „Das sage ich darum, daß der Teufel so geschwinde“ – listig – „ist und bekennet diese Worte, aber er verleugnet das Mittel, dadurch wir dazu kommen, das ist, sie leugnen nicht den Schatz, sondern Brauch und Nutz des Schatzes; sie nehmen und entziehen uns die Weise, Mittel und Wege, wie wir dazu kommen und des Schatzes genießen und wie wir zur Gnade kommen sollen und mögen. Du mußt, sagen sie, den Geist haben; aber wie ich den Geist haben kann, das wollen sie mir nicht lassen. Nun, wie kann ich den Geist überkommen und glauben, wenn man mir nicht predigt das Wort Gottes und die Sacramente reichet? Ich muß das Mittel haben; denn der Glaube kömmt aus dem Gehör, das Gehör aber durch das mündliche Wort, Röm. 10,17. Summa Summarum: Es kann keine Rotte aufkommen, sie muß wider das erste Gebot laufen und an Christum JEsum sich stoßen, und werden in diesem Artikel alle Ketzer in einer Summa gesammelt.“ – Den Geist bekomme ich nur durch das einfältige Vertrauen auf das Wort Gottes. Und wenn du gar nichts fühlst, aber sagst: „Das hat Gott gesagt, das glaube ich!“ dann wirst du merken, daß der Heilige Geist in dein Herz eingezogen ist, daß du mit Friede und Freude in dem Heiligen Geist erfüllt wirst! – „Darum lasset uns bleiben bei dem Artikel: Du sollst nicht andere Götter haben; und auf diesen Zweck und Scopum fleißig Achtung haben. Denn lassen wir es uns aus den Augen thun, so ist allen Rottengeistern Thor und Thür aufgesperret. Gott hat nie ohne äußerliche Mittel seinen Gottesdienst in der Welt haben wollen.“ – Doch wir wollen heute hierbei stehen bleiben. Das ist eine überaus wichtige Auseinandersetzung. Auch heute über acht Tage wollen wir noch nicht weiter gehen. Es ist zu wichtig. Ich bin es Ihnen schuldig, denn ich habe eine schwere Verantwortung. Bald werde ich vor Gottes Thron stehen und da Rechenschaft ablegen müssen für die vielen theuren Seelen, denen einst Tausende anvertraut werden sollen. Gott wird mich einst fragen: „Hast du gethan, was deines Amtes war?“ Darum muß ich Ihnen das sagen, mag Ihnen das gefallen oder nicht, wiewohl ich keinen Zweifel habe, daß es Ihnen gefällt, die Sie namentlich von Jugend auf das theure Wort Gottes gehabt haben. Und ich hoffe, daß Sie auch schon allerlei Erfahrungen gemacht haben, die Sie gelehrt haben, daß nichts in allen Anfechtungen Ihnen wahren Trost geben kann, als das Wort Gottes, wenn Sie Ihres Heils wollen gewiß sein. (S. 155)