C. F. W. Walther (1811-1887):

Die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.


Siebzehnte Abendvorlesung. (6. Februar 1885.)

 

Als, meine Freunde, im Jahre 1529 auf Veranstaltung des Landgrafen Philipp von Hessen in Marburg Luther und einige seiner Anhänger und Kampfgenossen mit Zwingli und einigen Anhängern desselben ein Colloquium abhielten, da schien es erst, als ob das ersehnte Ziel brüderlicher und kirchlicher Vereinigung wirklich erreicht werden möchte, denn die Schweizer gaben in einem Stück nach dem andern nach, bis es endlich ins Stocken kam, als man von dem Punkte über das heilige Abendmahl handelte. Zwar erboten sich die Schweizer, sie wollten um Friedens willen mit Luther auch reden von einer wesentlichen Gegenwart des wahren Leibes und des wahren Blutes Christi im Abendmahl, nur verstünden sie dann darunter eine geistliche Gegenwart – und dennoch begehrten die Schweizer mit großem Ernst, ja Zwingli sogar mit Thränen, man möge doch um dieses einzigen Differenzpunktes willen ihnen nicht die brüderliche und kirchliche Gemeinschaft abschlagen. Und was that Luther? Er hatte bald gemerkt, daß die Schweizer nicht ganz ehrlich handelten. Und daß dies nicht ein grundloser Verdacht war, das zeigte sich, wie Sie wissen, ein halbes Jahr darnach. Da warf Zwingli alles wieder um und leugnete alle Concessionen, die er gemacht hatte. Was that daher Luther? Er rief dem Zwingli zu: „Ihr habt einen andern Geist denn wir!“ Dieses weltbekannte, denkwürdige, geflügelte Wort schlug wie ein Blitz in das Herz des Zwingli und der Seinen, wie er selbst erzählt in einem Brief an seinen Freund, Dr. Probst, Pfarrer in Bremen: so oft er diese Worte gesagt habe – und er habe sie sich oft wiedergesagt – seien sie ganz verbrennend gewesen. Warum wohl? Sie wußten, sie waren geschlagen; sie wußten, sie waren entdeckt, und sie mußten nun ihre unehrliche Absicht, eine bloß äußerliche Union einzuführen, aufdecken. Was hat nun wohl Luther mit den Worten gemeint: „Ihr habt einen andern Geist, denn wir“? Ohne Zweifel wollte er damit dieses sagen: „Würdet ihr armen Menschen aus bloßer menschlicher Schwachheit nur in einem Irrthum stecken, ach, dann wäre vielleicht die Frage, ob wir euch nicht nur könnten, sondern auch müßten als schwache, irrende Brüder anerkennen, denn dann würdet ihr gewiß gar bald von diesem Irrthum, dem einzigen, geheilt sein. Aber dem ist nicht so; der Unterschied, der zwischen uns und euch stattfindet, ist dieser: Ihr habt einen andern Geist!“ Und was mag wohl Luther verstanden haben unter dem (S. 156) Geist, der den Schweizern fehlte? Ohne Zweifel meint Luther damit den Geist, den der HErr meinte, wenn er zu den lieben Jüngern einst sprach, Matth. 18,3.: „Wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Ja, meine Freunde, das ist der Geist, der dem Zwingli und den Seinen fehlte und der noch heute denen, die in seine Fußtapfen getreten sind, fehlt. Es ist der Geist der kindlichen Einfalt, welche dem Vater aufs Wort glaubt. Aber der Geist der zwinglianischen, calvinischen und unirten Kirchen ist eben der Geist der Vernunft, der Geist des Zweifels, der Geist der Ungewißheit, bei welchem man, so oft man auf Geheimnisse der heiligen Schrift geführt wird, mit dem unerleuchteten, unwiedergebornen Nicodemus spricht: „Wie soll das zugehen? Das kann ich nicht begreifen; das ist wider meine Vernunft.“ Daher denn auch solche, selbst wenn sie etwas zugeben, dabei doch nicht gewiß sind, daß man sich darum auch nicht auf sie verlassen kann. Das sieht man ja deutlich daraus, daß sie sich mit denen uniren, die die gegentheilige Lehre haben. Man erkennt es ferner daraus, daß sie sich meistens merken lassen, daß sie sich selbst ihrer Religion schämen, und nicht so viel mit dem Mund zugeben wollen, als sie mit dem Herzen zugeben müssen. Hingegen der Geist Luthers und der ganzen wahren lutherischen Kirche ist der Geist der kindlichen Einfalt, der Geist des Glaubens, der Geist der Unterwerfung unter das Wort Gottes, der Geist der Gefangennehmung der Vernunft unter die göttliche Weisheit. Es ist der Geist, der sich ausspricht in den Worten jenes herrlichen Liedes: „Du hast’s gered’t, drum ist es wahr; du bist allmächtig, drum ist gar kein Ding bei dir unmöglich.“ Wer das nicht von Herzen dem gottseligen Dichter nachsagen kann, der nenne sich nur keinen Lutheraner, der gehört zu den schwärmerischen Secten. Das ist das Charakteristicum unserer Kirche: „Unbedingte Unterwerfung unter das göttliche Wort“, während die Lehrer aller Secten fort und fort wie eine Meereswoge hin und her bewegt werden und sich wohl merken lassen: sie stehen nicht auf dem Felsen des Wortes Gottes. Aber jede Kirche, welcher dieser Geist der kindlichen Einfalt fehlt, mag sie immerhin die Wahrheit mit dem Munde bekennen, es ist ihr nicht zu trauen. Ist das nicht erschrecklich? Das ist ja freilich eine schwere Anklage, daß sie aber nicht grundlos ist, wissen Sie ja schon aus dem, was Sie gehört haben. Lassen Sie uns nun heute noch einige andere Beweise dafür finden. Daß die sogenannten protestantischen Kirchengemeinschaften, welche außerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche stehen, nichts wissen von dem rechten Weg zur Vergebung der Sünden durch das Wort und die Gnaden- (S. 157) mittel, das sieht man insonderheit daran, daß sie die Absolution verwerfen, die durch den Prediger von der Kanzel herab geschieht, aber auch in der allgemeinen Beichte und Privatbeichte gesprochen wird. Jene sogenannten protestantischen Gemeinschaften sagen: unter allen protestantischen Kirchen sei eigentlich die lutherische Kirche am allerwenigsten reformirt, denn in ihr stecke noch viel papistischer Sauerteig. Da nennen sie zuerst den Priesterrock, dann die Oblaten, die wir anstatt des gewöhnlichen Brodes beim heiligen Abendmahl gebrauchen, dann das Crucifix auf dem Altar und die Lichter in der Kirche, das Singen des Predigers vor dem Altar, die Bezeichnung mit dem heiligen Kreuz, die Verneigung bei der Nennung des Namens JEsu – lauter unschuldige Ceremonien, an die unsere lutherische Kirche gar nicht Heil und Seligkeit bindet, aber sie freilich auch nicht zur Sünde machen möchte. Denn das ist keiner Creatur erlaubt, etwas zur Sünde zu machen, was Gott in seinem Wort nicht zur Sünde gemacht hat; was Gott nicht geboten und nicht verboten hat, das ist frei. Aber jene Gemeinschaften gehen noch weiter und sagen: „Der allerschlimmste papistische Sauerteig, das allergreulichste Ueberbleibsel aus dem Pabstthum in der lutherischen Kirche ist die Absolution.“ Der erste Grund dieses Vorwurfs ist: sie wissen gar nicht, was wir eigentlich von der Absolution lehren; sie machen sich ein ganz verkehrtes Bild von dieser unserer Lehre. Sie sind nicht gewissenhaft genug, zu fragen: „Wie versteht ihr das, daß ihr absolvirt, wie meint ihr das?“, So ehrlich sind sie nicht, sondern hinter unserm Rücken schelten sie uns Papisten, die ihr armes Volk nach Rom führen wollen. Man denkt sich gewöhnlich, wir lehrten, durch die Ordination werde der Mensch mit einer gewissen heimlichen Kraft ausgerüstet, die Sünden vergeben zu können. Sie meinen, wir lehren, die Absolution sei ein Privilegium der Prediger; wenn der Prediger sage: „Deine Sünden sind dir vergeben“, dann seien sie vergeben, wenn aber ein Laie dieses Wort sage, dann sei es ohne Kraft. Das ist aber bekanntlich nicht unsere Lehre, sondern die Lehre der Papisten. Schon unser kleiner Katechismus könnte sie belehren, daß unsere Lehre eine ganz andere ist, denn da steht im fünften Hauptstück vom Amt der Schlüssel, daß diese Macht, Sünden zu vergeben, der Kirche auf Erden gegeben sei, denn es heißt: „Das Amt der Schlüssel ist die sonderbare Kirchengewalt, die Christus seiner Kirche auf Erden hat gegeben, den bußfertigen Sündern die Sünde zu vergeben, den Unbußfertigen aber die Sünde zu behalten, so lange sie nicht Buße thun.“ „Die sonderbare Kirchengewalt!“ Also nicht den Predigern, sondern der Kirche ist sie gegeben. Die Prediger sind nicht die Kirche, sondern nur Diener der Kirche. Wenn sie Christen sind, so gehören sie mit zu dieser Kirche; sind sie aber (S. 158) keine Christen, so gehören sie nicht dazu, sondern sind nur wie die Gibeoniter im Alten Testament, die Holz zu hauen und Wasser zu tragen hatten. Wenn sie Christen sind, dann gehört ihnen das Amt der Schlüssel auch mit, aber nicht den Predigern allein, sondern der Kirche gehören die Schlüssel, jedem einzelnen, der ein Glied der Kirche ist; ja, der allergeringste Handlanger hat sie ebensogut, wie der allerangesehenste Generalsuperintendent. Unsere Kirche hat das deutlich ausgesprochen, unter anderm auch in der wundervollen Erzählung von Augustin in den Schmalkaldischen Artikeln (Müller, S. 341), wo es heißt: „Wie denn in der Noth auch ein schlechter Laie einen andern absolviren und sein Pfarrherr werden kann, wie S. Augustin in Historien schreibet, daß zween Christen in einem Schiffe beisammen gewesen, der einer den andern getauft, und darnach von ihm absolvirt sei.“ – Es sind nämlich einst zwei Personen auf einem Schiff gewesen, von denen der eine ein bekehrter Christ und der andere ein Heide war. Sie wurden mit einander bekannt. Der Christ verkündigt seinem neuen Bekannten das Evangelium, und der Heide kommt zum Glauben durch die Wirkung des Heiligen Geistes, wird ein Christ. Da entsteht ein furchtbarer Sturm; jedermann sieht den Tod vor Augen. Alle verzweifeln daran, daß sie gerettet werden könnten. Da wünscht nun vor allen Dingen der Heide: „Ach, wenn ich doch noch getauft werden könnte, daß ich könnte ruhig in das Wasser hinunterfahren!“ Und der Christ denkt wiederum: „O, wenn mir doch die Absolution noch einmal könnte gesprochen werden!“ Da sagt denn der Christ zu dem Heiden: „Höre, uns kann beiden geholfen werden. Ich taufe dich erst, dann bist du ein getaufter Christ, und dann absolvirst du mich. So ist uns beiden geholfen.“ Das geschah denn auch. Aber Gott wendete die Todesgefahr ab und sie kamen glücklich ans Land. Der betreffende Bischof sagte nun aber nicht: „Das gilt nicht!“ sondern die Taufe wurde alsbald vom Bischof anerkannt, und die Absolution war ebenfalls eine gültige. Was ist denn nun eigentlich die Lehre, auf welcher – daß ich so sage – die Absolution ruht? Wir Lutheraner lehren darüber kürzlich Folgendes: 1. Daß Christus, der Sohn Gottes, alle Sünden aller Sünder auf sich genommen und sich hat zurechnen lassen, als wären es seine eigenen. Daher Johannes der Täufer, auf Christum mit dem Finger hinzeigend, spricht: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Wir lehren: 2. daß Christus durch sein armes, elendes Leben, durch sein Leiden, durch seine Kreuzigung, durch sein Sterben aller Menschen Sünde getilgt (S. 159) und Vergebung derselben erworben habe. Kein Mensch in der Welt ist ausgenommen, von Adam an bis auf den letzten, der in diese Welt geboren werden wird. Denn St. Paulus schreibt 2 Cor. 5,21.: „Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“ Und schon Jesaias sagt, Jes. 53,5.: „Er ist um unserer Missethat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Friede hätten, Und durch seine Wunden sind wir geheilet.“ Und schon im Alten Testament in der Weissagung seufzt der Messias: „Ich muß bezahlen, das ich nicht geraubet habe.“ Wir lehren: 3. daß Gott der Vater durch die Auferweckung seines Sohnes JEsu Christi von den Todten das Werk der Versöhnung und Erlösung, welches Christus am Kreuz vollbracht hatte, bestätigt und besiegelt hat, daß er durch die Auferweckung Christi öffentlich vor Himmel und Erde, vor Engeln und Menschen bezeugt hat: „Dieser mein lieber Sohn hat vom Kreuz gerufen: „Es ist vollbracht!“ – und ich erkläre hiermit: Ja, es ist vollbracht! Ihr Sünder seid erlöst! Hier ist Vergebung der Sünden für einen Jeden! Sie ist schon da! Ihr sollt sie euch nicht erst erwerben.“ Wir lehren: 4. daß Christus, indem er gebot, das Evangelium aller Creatur zu predigen, damit zugleich befohlen hat, allen Menschen Vergebung der Sünden zu predigen, ihnen also die frohe Botschaft zu bringen: „Es ist alles schon geschehen, was nöthig ist zu eurer Seligkeit! Wenn ihr fragt: Was sollen wir thun, daß wir selig werden? so bedenkt: Ach, es ist schon alles geschehen! Es ist nichts mehr zu thun. Ihr habt nur zu glauben, was geschehen ist, dann ist euch geholfen.“ Wir lehren: 5. daß Christus nicht nur im Allgemeinen seinen Aposteln und denen, die ihnen im Amt nachfolgen sollten, geboten habe, das Evangelium, also die Vergebung der Sünden, zu predigen, sondern auch einem jeden einzelnen, der es von ihnen begehrt, den Trost zuzusprechem „Du bist versöhnt mit Gott!“ Denn wenn die Vergebung der Sünden allen erworben ist, so ist sie auch jedem einzelnen erworben. Wenn ich es allen kann anbieten, so kann ich es auch jedem einzelnen anbieten. Und ich kann es nicht nur, ich soll es. Und thue ich es nicht, so bin ich ein Diener Mosis, und nicht ein Diener Christi. Wir lehren: 6. daß, weil nun die Vergebung der Sünden, wie schon bemerkt, erworben ist, nicht bloß der Prediger in einem besonderen Auftrage dieselbe verkündigen kann, sondern auch jeder Christ, auch jede Christin, ja jedes Kind. Und auch des Kindes Absolution ist eben so gewiß, wie die Absolution des St. Petrus, ja, was sage ich, so gewiß wie die Absolution (S. 160) JEsu Christi ist, wenn er wieder persönlich vor uns stände und sagte: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Es ist gar kein Unterschied. Denn, wie gesagt, es handelt sich nicht darum: „Was kann der Mensch?“ sondern darum: „Was ist durch Christum geschehen?“ Denken Sie sich einmal: Eine ganze Stadt rebellirte, ja, ermordete den Sohn des Königs, die ganze Bürgerschaft hätte sich verschworen gegen ihren Souverain, gegen ihren Herrn, und sie hätten damit alle den Tod verwirkt. Aber – im Gleichniß können wir nicht sagen, daß derselbe Sohn, der ermordet ist, sich ins Mittel gelegt habe, sondern – ein anderer Sohn bewegt seinen Vater, er möge doch den Rebellen verzeihen, möge sie begnadigen, möge ein Begnadigungsdocument anfertigen lassen und es dann unterschreiben; dann wolle er hingehen oder Boten senden zu den Rebellen und es ihnen verkündigen; dann würden sie wieder gute, dankbare Bürger und getreue Unterthanen werden. Und wenn nun der König seinem Sohn willfahrte, er bliebe aber selbst ganz ruhig in seinem Schlosse sitzen und schickte nun Boten aus, gäbe ihnen das Document mit und dieselben riefen auf allen Straßen: „Ihr seid begnadigt!“ – während sie vorher mit Zittern gesehen hatten, sie seien geschlagen und würden vielleicht in den nächsten Tagen hingerichtet werden. Was wären das nun für Leute, die da sagten: „Nein, das glauben wir nicht, der König muß selbst kommen, sonst glauben wir es nicht“? Das wäre eine Frechheit sonder Gleichen. Es würde in diesem Falle auch keiner so frech sein; jeder würde froh sein, wenn der Bote das Papier brächte mit dem Siegel und dem Namen des Königs darunter, das etwa so lautete: „Ich verzeihe hiermit allen Rebellen. Mögen sie nur diese Begnadigung annehmen und dann wieder gute Bürger werden!“ Gesetzt den Fall nun, diese Boten würden nicht überall hinkommen, andere aber, die die Begnadigung gehört haben, gingen in alle Winkel hinein und breiteten das aus, so wäre das gerade so gut ein Begnadigungsurtheil wie das, was jene Boten verkündigten; nicht, weil sie eine besondere Macht hätten, auch die Begnadigung anzubieten, sondern weil die Begnadigung schon beschlossen, geschrieben und besiegelt ist, weil die Begnadigung schon bestätigt ist, und schon kund und offenbar ist: „Der König hat diese Begnadigung zu verkündigen ausdrücklich befohlen.“ So ist es mit uns Menschen auch. Wir sind die Rebellen; der liebe Gott ist der König, gegen den wir rebellirt haben, und der Sohn Gottes ist es, der alles gethan hat, was nöthig war, um unsern himmlischen König zu bewegen, daß er uns alle begnadige. Das ist alles geschehen. Was thut nun ein lutherischer Prediger, wenn er die Vergebung der Sünden verkündigt, und absolvirt? Nichts weiter, als daß er die Leute in Kenntniß (S. 161) setzt: „So steht es mit euch. Christus hat sich für euch ins Mittel gelegt und Gott nimmt euch zu Gnaden an“, und zwar thut er das auf den ausdrücklichen Befehl Christi. – Wenn mir jemand den Auftrag gibt: „Sage dem und dem, ich verzeihe ihm“, und ich richte diesen Auftrag aus, so ist das ebenso eine gültige und kräftige Verzeihung, als wenn er selbst käme und sagte: „Ich verzeihe dir.“ Oder wenn Sie einen Freund in Deutschland hätten, der Sie aber schrecklich beleidigt hätte, und Sie erführen, er mache sich die größten Vorwürfe darüber und liege auf den Tod krank darnieder und sei unruhig und habe Sorge, daß diese Sünde ihn bis zur letzten Stunde quälen würde und er würde darum keine Gnade bei Gott finden – würden Sie da gerade selbst hinübergehen? Nein, Sie könnten einen Brief schreiben, oder Sie könnten einem Bekannten, der hinüber reiste, das mittheilen und ihn beauftragen: „Sage meinem Freund, ich habe ihm längst verziehen, er soll sich keine Sorge machen darüber. Ich bin versöhnt.“ Der wird das auch für gültig annehmen. So ist es nun auch hier bei der Absolution. Nun frage ich Sie: Liegt darin etwas Papistisches? Doch wohl nicht! Denn die Lehre der Papisten ist diese: Wenn ein Priester absolvirt, so liegt die Kraft seiner Absolution in seiner Weihe, bei welcher er mit dem Chrisam gesalbt worden ist. Und von Seiten der Absolvirten liegt die Kraft der Absolution in deren Reue, in deren Beichte und in deren Genugthuung. Die Papisten sagen, zu einer gültigen und heilsamen Absolution gehöre: 1. Confessio oris, 2. contritio cordis, 3. satisfactio. Erstens also Vollständigkeit der Beichte. Denn wenn einer etwas nicht bekennt in der Beichte, so ist nach ihrer Meinung die ganze Beichte und Absolution ungültig und unkräftig. Zum andern muß der Beichtende vollständige Reue und Zerknirschung seines Herzens haben, sonst sind die Schlüssel Fehlschlüssel und schließen den Himmel nicht auf. Drittens gehört dazu, daß der, welcher beichtet, die Genugthuung leistet, die der Priester ihm vorschreibt. Davon aber haben wir in unsrer Lehre nichts. Wir sagen: Die Kraft der Absolution gründet sich nicht auf die Ordination und Weihe des Predigers, ja, gar nicht auf den Prediger, sondern 1. auf die Vollkommenheit der Versöhnung und Erlösung Christi, und 2. auf den Befehl Christi, daß allen Menschen das Evangelium verkündigt werden soll, was nichts anders ist als: „Alle Menschen sollen absolvirt werden, allen Menschen soll Vergebung der Sünden zugesprochen werden.“ Lassen Sie mich nun für das Gesagte einige Stellen aus den Bekenntnissen unsrer Kirche und aus Luthers Schriften mittheilen als Zeugnisse. Augsburgische Confession, Art. 25. (Müller, S. 53f.): „Dabei wird das Volk fleißig unterricht, wie tröstlich das Wort der Absolution (S. 162) sei, wie hoch und theuer die Absolution zu achten; denn es sei nicht des gegenwärtigen Menschen Stimme oder Wort, sondern Gottes Wort, der da die Sünde vergibt.“ – Man denkt gewöhnlich, damit soll gesagt werden, die Worte der Absolution seien aus der Bibel, also Gottes Wort. Aber die Meinung ist diese: Wenn ich zu einem armen Sünder sage: „Dir sind deine Sünden vergeben“, so ist das gerade so, als ob der liebe Gott es zu ihm sagte, nicht weil ich ein besondrer Mensch wäre, der eine besondre Kraft hätte, sondern weil Gott den Befehl gegeben hat, in seinem Namen und an seiner Statt die Sünden zu vergeben. Das ist dann ganz einerlei, ob Gott es sagt oder ich. Unser Bekenntniß sagt also: Ich soll fest glauben, daß das, was dieser Prediger zu mir sagt, der ewige, allmächtige Gott selbst mir sagt, der darüber zu bestimmen hat. „Wie kann aber ein Prediger Sünde vergeben?“ – Das ist derselbe verkehrte, einfältige Einwurf, den schon die Pharisäer machten, als sie von Christo sagten: „Dieser lästert Gott.“ Denn, meinten sie, der könne doch nicht Sünden vergeben. Aber wie kann ich an Gottes Statt Sünden vergeben? Wenn er es nicht befohlen hätte, würde meine Absolution freilich keine Wirkung haben. Aber Gott hat es befohlen, wie ich auch jemand sagen kann, er solle an meiner Statt einem andern mittheilen, daß ich versöhnt bin mit ihm. Wir sagen in der Absolution weiter nichts, als was geschehen ist, denn das Köstliche ist ja, daß uns die Vergebung der Sünden erworben ist. Ach, wenn wir doch recht glaubten, was die Absolution ist! Mit welcher Freude würden wir dann an den Tagen in die Kirche gehen, an welchen wir die Absolution empfangen sollen! Aber wer glaubt es? Die wenigsten glauben es; auch selbst unter den Lutheranern gibt es wenige, die es recht glauben. Das ist der Fluch der falschen Lehre. Es wird den Leuten nicht gepredigt und so werden sie um ihre köstlichsten Schätze betrogen. Da sprechen die Schwärmer: „Das steht ja allerdings in der Bibel; das muß man aber nicht nehmen, wie es lautet.“ Das dankt dir Herodes! Freilich muß ich es nehmen, wie es lautet. Soll ich denn zwischen den Zeilen lesen? Nein, Gott wird es von mir fordern, wenn ich solchen Spott mit seinem Worte getrieben habe. Ein rechter Lutheraner verläßt sich darauf; und wenn alle Welt darüber spottet und ihn verachtet, so kümmert ihn das nicht im Allergeringsten. Er hat eine andere, eine höhere Autorität für sich. – „Denn sie wird an Gottes Statt und aus Gottes Befehl gesprochen.“ – Die Augsburgische Confession unterschreiben auch viele Unirte. „Ja, das unterschreiben wir auch“, sagen sie. Es ist aber bei ihnen kein Wort wahr. Sie bekennen sich nicht dazu, sonst würden sie, wenn sie solche Worte läsen, denken: „Weg mit diesem papistischen Buch!“ Sie haben die Bekenntnisse unsrer Kirche gar (S. 163) nicht geprüft, haben die Sache nicht einmal nachgesehen. – „Von diesem Befehl und Gewalt der Schlüssel, wie tröstlich, wie nöthig sie sei den erschrockenen Gewissen, wird mit großem Fleiß gelehret.“ – Wie viele gehen in Verzweiflung dahin gerade in den schwärmerischen Secten, weil sie nicht fühlen, was sie fühlen möchten, und endlich fahren sie in der Verzweiflung dahin und gehen verloren. Wenn sie doch wüßten, wie es bei uns heißt: „Laß dich absolviren und glaube fest“, und wie wir dann vor Gott können hintreten und sagen: „Lieber Gott, der hat mich absolvirt, weil du befohlen hast, mich zu absolviren! Du kannst nicht zum Lügner werden, du kannst mich nicht betrügen!“ Gott würde sagen: „So ist es recht, ich werde nicht zum Lügner, ich halte, was ich verheißen habe.“ Aber eben, wenn die Leute dazu kommen sollen, so muß es ihnen fleißig gelehrt werden. – „Darzu, wie Gott fordert, dieser Absolution zu gläuben, nicht weniger denn so Gottes Stimme vom Himmel erschölle.“ – Vielleicht wird mancher unter Ihnen sagen: „Wie, soll denn auch ein gottloser Mensch glauben, er sei absolvirt?“ Freilich fordert es Gott, und er ist schuldig zu glauben bei seiner Seelen Seligkeit. Aber er kann es nicht. Das ist eine andere Frage. Denn, wenn er wollte glauben, würde gleich sein Gewissen sagen: „Was? Du willst glauben? Du willst gar nicht zu Gott. Du lebst und willst leben in deinen Sünden. Du kümmerst dich nicht um Gott.“ Aber er sollte es glauben. Oder sollte denn Gott fordern, daß wir das nicht glauben, was er sagt? Nun hat Gott das Evangelium der ganzen Welt zu predigen befohlen, und dieses Evangelium sollen wir glauben. Und wenn mir die Absolution verkündigt wird, so wird mir als dem einzelnen Individuum das Evangelium gebracht und mit ihm die Absolution. Denn das Evangelium ist nichts anderes als eine Absolution – „und uns dero fröhlich trösten und wissen, daß wir durchs solchen Glauben Vergebung der Sünden erlangen. Von diesen nöthigen Stücken haben vorzeiten die Prediger, so von der Beicht viel lehreten, nicht ein Wörtlein gerühret, sondern allein die Gewissen gemartert mit langer Erzählung der Sünden, mit Genugthun, mit Ablaß, mit Wallfahrten und dergleichen.“ – Bei den Papisten ist die Hauptsache die Beichte. Denn wenn ein gewöhnlicher Katholik gebeichtet hat und er ist absolvirt worden, so fällt es ihm nicht ein, zu glauben: „Jetzt bin ich versöhnt mit Gott.“ Ihm kommt es nur darauf an, daß er alles gesagt hat. Und hat er etwas nicht gesagt, wovon er glaubte, es trüge ihm eine recht große, furchtbare Satisfaction ein, so geht er fort, gequält von dem Gedanken, es habe ihm alles nichts geholfen. Wir aber sagen: „Komm, armer Sünder, empfange die Absolution. Glaubst du sie, so hast du sie. Glaube nur, und wenn du eben von der greulichsten Sünde (S. 164) herkämest. Gott fordert nichts anderes, als daß du annimmst, was Christus für dich gethan und gelitten hat.“ Das ist auch früher vielfach versehen worden. Die armen Leute sind mehr daran erinnert worden, daß sie rechte Reue haben müßten, daß sie recht zerknirscht sein müßten, daß sie rechte gute Vorsätze faßten, aber man hat ihnen zu wenig gesagt: „Komme, und wenn du auch nur kriechen kannst! Komm nur, und wenn du sagen mußt, du seist der schlimmste Sünder. Komm, hier ist die Thür der Gnaden für dich aufgethan. Nimm an, was dir angeboten ist!“ Würde daran mehr erinnert, dann würden auch mehr Christen sein. Denn das macht den Menschen nicht sicher, sondern das macht ihn lebendig, daß er das glaubt und ein andrer Mensch wird. Er fängt an, die große Liebe seines Gottes zu fühlen und sich darüber zu freuen, daß Gott aus freiem Erbarmen alle seine Sünden von ihm genommen und ihn mit dem Kleid der Gerechtigkeit Christi geschmückt hat. Apologie, Art. 12, § 39 (Müller, S. 172): „Die Gewalt nun der Schlüssel, die verkündiget uns durch die Absolution das Evangelium.“ – So gewiß waren die Alten. Das Evangelium wird uns verkündigt durch die Absolution. Denn dieselbe ist eigentlich eine Epitome, ein Extract aus dem Evangelium, welches handelt vom Glauben und der Rechtfertigung der Christen. Alles steckt in dem einzigen Wort: „Ich vergebe dir an Christi Statt alle deine Sünden im Namen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes, und Gottes des Heiligen Geistes.“ – „Denn das Wort der Absolution verkündigt mir Friede und ist das Evangelium selbst.“ Luther, Kirchenpostille (W. XII. 2048): „So ist nun dies der Nutz des Leidens und Auferstehung Christi, daß er solches nicht für sich, sondern für die ganze Welt gethan hat, daß er den Teufel und meine Sünde, die am stillen Freitage an ihm hingen, unter die Füße getreten hat, daß der Teufel auch flieht vor dem Namen Christi. Willst du nun solcher großen Güter brauchen: wohlan, er hat sie dir schon geschenkt“; – du sollst nicht erst hinknieen und bitten, er soll es dir schenken, er hat dir ja schon alles geschenkt. – „thue du ihm nur so viele Ehre, und nimm es mit Dank an.“ Luther, Kirchenpostille (W. XI, 1489): „Es ist nicht unsers Thuns und kann nicht durch unser Werk verdient werden, es ist schon da geschenkt und dargegeben; allein daß du das Maul oder vielmehr das Herz aufthust, und stille haltest und lässest dich füllen. Ps. 81,11.“ Großer Katechismus, zur fünften Bitte, § 88 (Müller, S. 478): „Darum ist hie abermal große Noth zu bitten und rufen: Lieber Vater, verlasse uns unser Schuld. Nicht daß er auch ohn und vor unserm Bitten nicht die Sünde vergebe (denn er hat uns das Evangelium, darin eitel Vergebung ist, geschenkt, ehe wir darum gebeten oder jemals darnach ge- (S. 165) sunnen haben). Es ist aber darum zu thun, daß wir solche Vergebung erkennen und annehmen.“ – Das ist eine merkwürdige Stelle! Man darf nicht denken, wenn es im Vaterunser heißt: „Vergib uns unsere Schuld“, da sehe man ja, man solle sich erst die Vergebung erbitten. Aber nicht deswegen sollen wir um Vergebung der Sünden bitten, weil sie nicht schon da wäre, sondern damit man erkenne, daß sie schon da ist, und seinen Glauben stärke. Wie Luther auch sagt vom Tischgebet: „Gott gibt täglich Brod auch wohl ohne unsere Bitte“, aber Gott will haben, daß wir bitten, daß er’s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung empfangen unser täglich Brod. Luther, Hauspostille (W. XIII, 2078–2084): „Als nun unser lieber HErr Christus dem Gichtbrüchigen also gepredigt und ihm seine Sünden vergeben hat, heben die Schriftgelehrten an, und gedenken, Christus lästere Gott, daß er will Sünde vergeben.“ – Sie wissen ja, daß am 19. Sonntag nach Trinitatis das Evangelium ausgelegt wird, in dem wir hören, daß Christus den Gichtbrüchigen absolvirte, und daß die Pharisäer, als sie das sahen, sagten: „Dieser lästert Gott! Wer kann Sünde vergeben denn allein Gott.“ Christus zeigt nun, daß er als Menschensohn den Gichtbrüchigen absolvirt habe. Und dann ruft das arme Volk, vom Heiligen Geist getrieben und bewegt, aus: Gott habe den Menschen solche Macht gegeben. Warum hat denn Matthäus das aufgenommen, daß das Volk das gesagt hat? Eben weil es ein Wort war, welches der Heilige Geist in ihnen erweckt hatte. Christus sagt nicht: „Nein, nein, den Menschen hat Gott diese Macht nicht gegeben wie mir“, sondern wir sollen vielmehr daraus erkennen: „Ja, ja, Menschen hat er die Macht gegeben.“ Denn der HErr Christus will nicht in sichtbarer, menschlicher Gestalt auf der ganzen Welt herumgehen und jedem sagen: „Dir sind deine Sünden vergeben“, sondern er hat den Christen den Befehl gegeben, die sollen das thun. Ja, er hat sogar ein besonderes Amt eingesetzt, dessen Träger weiter nichts zu thun haben, als dieses immer zu sagen, was Christus dort dem Gichtbrüchigen sagte. Auch allen andern Menschen sollen wir es verkündigen. Warum? Es ist ja schon alles zu unserer Versöhnung geschehen, und wer es glaubt, der glaubt dem lieben Gott, und nicht uns. Und wenn er es glaubt, so hat er es. Luther schreibt weiter: „Solches ist auch ein nöthig Stück, da viel an gelegen ist, darum wir’s auch fleißig sollen merken. Denn das sieht man an allen Schwärmern und Rottengeistern durchaus, daß sie alle in dem Irrthum sind, daß sie nicht verstehen, wie die Sünden vergeben werden. Denn frage den Pabst und alle seine Doctores, so werden sie dir nicht können sagen, was die Absolution ausrichte. Denn auf dieser (S. 166) Lehre besteht das ganze Pabstthum: Die Gnade werde dem Menschen eingegossen durch eine heimliche Wirkung; wer dazu kommen wolle, der müsse reuen, beichten und genugthun.“ – Bedenken Sie, daß Luther sagt, aus dieser Lehre bestehe das ganze Pabstthum, und ich füge hinzu: alle Secten mit, denn dieselben lehren alle ohne Ausnahme: Willst du Vergebung der Sünden haben, so mußt du beten, du mußt kämpfen, du mußt ringen so lange, bis du merkst: „Die Gnade ist dir eingegossen“; dann kannst du ruhig sein. Aber das ist eitel Täuschung! Die Gnade kann uns nicht eingegossen werden; denn die Gnade ist die Gesinnung Gottes außer uns droben im Himmel und kann uns nur verkündigt werden. Darum können wir nur wahrhaft ruhig werden durch das Wort, seies, daß es uns gepredigt werde, oder daß wir es lesen. Wir können nämlich aus jedem Kapitel der Bibel uns eine Absolution herausholen, denn es gibt kein Kapitel in der Bibel, das uns nicht sagte: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Jedes tröstliche Sprüchlein, in dem von Gott gesagt wird, daß er will gnädig sein, ist eine Absolution. Darum sagt auch Luther, ein rechter evangelischer Prediger könne den Mund nicht aufthun, ohne die Absolution zu sprechen. Das ist auch wahr. Ein rechter evangelischer Prediger – wohl zu bedenken! Ein mosaischer Prediger kann das nicht thun, der predigt die Leute in die Verzweiflung und in die Hölle hinein, während der echt evangelische Prediger sie aus der Hölle herausholt, selbst die größten Sünder. Aber wenn freilich die Sünder wie jene Rebellen, die da hören, der König habe sie begnadigt, sagen: „Wir wollen die Gnade nicht! Wir wollen seinen Sohn ermorden, wollen ihn an den Galgen bringen“, so kommen sie natürlich an den Galgen, nicht weil der König ihnen die Gnade nicht angeboten habe, sondern weil sie dieselbe nicht angenommen haben. – Die Lehre von der eingegossenen Gnade ist also das ganze Geheimniß des Pabstthums und aller unserer Secten. Luther fährt fort: „So man aber fragt, was die Absolution und die Schlüssel thun, sprechen sie, es sei eine äußerliche Ordnung, die in der Kirche gehalten werde. Stellen also die Vergebung der Sünden nicht auf das Wort und den Glauben, da sie doch muß auf gestellt werden; sondern auf unsere Reue, Beichte und Genugthuung.“ – Manche, wenn sie z. B. einen Ablaßzettel vom Pabst lesen, sagen sie: „Freilich muß man auch seine Sünden bereuen, sonst hilft der Ablaßzettel nichts; man muß auch beichten und Satisfaction leisten.“ „Ja“, sprechen diese unwissenden, verblendeten Menschen, „da seht ihr, es ist nicht so schlimm mit dem Pabst, als ihr sagt! Er fordert ja dreierlei: Reue, Beichte und Genugthuung.“ Aber welch schreckliche, höllische, teuflische Blindheit! Damit wird ja das (S. 167) ganze Evangelium umgestürzt! Drei Dinge soll also der Mensch thun. Und das Allerschrecklichste ist, daß der Pabst, der Antichrist, sagt: „Den Glauben braucht ihr nicht. Ihr müßt nur Reue haben, zerknirscht sein und beichten. Die Priester lassen euch etwas nach; wenn es wirklich nicht contritio ist, so sind sie zufrieden, wenn es auch bloß attritio ist. Freilich wäre es besser, wenn es Reue wäre, damit auch alle Sünden absolvirt würden.“ Dann sind die Priester auch gewöhnlich so gütig, daß sie den Leuten nur eine ganz geringe Satisfaction auflegen, sagen ihnen z. B.: „Bete zehn Vaterunser oder lege etwas in den Gotteskasten.“ Dann legen sie vielleicht eine kleine Summe hinein und meinen, nun sei die Sache abgemacht. Oder sie müssen an einem Tag, an dem sie sonst Fleisch essen dürfen, Fisch essen. Das ist aber alles lauter teuflischer Betrug, ein verruchter, volksverführerischer Geist. – Luther fährt deshalb fort: „Aber solches ist durchaus eine erlogene Lehre, dadurch die Leute verführt und auf den unrechten Weg gewiesen werden.“ – Doch die Zeit ist vergangen. Ich glaube, daß der Gegenstand wichtig genug ist, daß wir noch einmal darauf zurückkommen und noch einige schöne Stellen vergleichen, und dann, wenn wir Zeit finden, wollen wir die Worte unserer Thesis recht besehen: „bis sie fühlen, daß sie Gott begnadigt habe“. Davon haben wir noch nicht geredet. Und doch ist es wichtig. Sie brauchen es hier nöthiger, als die Pastoren in Deutschland, denn wir leben in einem Land der Secten. Unsere armen Leute sehen die große Scheinheiligkeit der Sectirer und werden leicht dadurch irre geführt, denn sie meinen, wenn sie ihre Seelen wollen ernstlich retten, müssen sie sich an die ernsteste Secte anschließen; dann würden sie gewiß selig. Ja, wenn die Secten selig machen könnten! Aber es gibt nur einen Seligmacher. Wer es dem nicht ganz und gar zutraut, daß er ihn ganz allein in den Himmel hineinbringt, der wird wahrlich nicht hineinkommen, denn er, JEsus Christus, ist allein die Thür.


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